Die Autohändler und Vertragswerkstätten haben den Konzernzentralen alle Daten abzuliefern, die bei ihnen im Betrieb anfallen. Das führt zum "gläsernen" Händler, den es schon bei vielen Marken gibt. Jetzt folgt Nissan mit seinem "Parts Reporting for Sales and Management" (PRISM) diesem Beispiel.

PRISM wird den Händlern als "Service" angepriesen, mit dem er sein Ersatzteilmanagement optimieren kann. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn letztlich kann Nissan damit genau kontrollieren, welcher Händler welche Reparaturarbeiten und welche Ersatzteile welchen Kunden zu welchen Preisen in Rechnung stellt -nicht nur eigene Nissan- Ersatzteile. Auch die Fakturierung "anderer Ersatzteile" ist "unter Angabe des Rechnungspreises ohne Mehrwertsteuer" an die Nissan-Gehilfin "Snap-on Business Solutions GmbH"(SBS) nach Deutschland zu übermitteln. Diese Kontrolle soll verhindern, dass die Nissan-Partner beimEinkauf den Verlockungen freier Teilehändler erliegen und auf den freien Teilemarkt ausweichen.

Die Kontrolle erfolgt nicht nur bei den Händlern, sondern auch bei deren Kunden. Dafür hat der Händler auch die entsprechenden Kundendaten zu erheben. Der sich verpflichtet, vom Kunden die Zustimmung zur Weitergabe und Weiterverarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch SBS und Nissan einzuholen. Zu diesem Zweck werden die Händlerdaten in der "Nissan Central Databasis" (NCD) in der Schweiz gespeichert, wo sie von Nissan International als Datenverantwortliche verarbeitet werden. Dabei hat der Händler Nissan zu garantieren, "dass die Händlerdaten im Einklang mit allen anwendbaren Datenschutzbestimmungen zusammengestellt wurden, die sich auf personenbezogen Daten beziehen".

Keine Verpflichtung zum Mitmachen Die Händler sind natürlich nicht verpflichtet, bei PRISM mitzumachen. Sie erklären sich lediglich dazu bereit, "an diesem Service teilzunehmen". Ein Datenstaubsauger, den Nissan an das Dealer Management System (DMS) der Händlers ankoppelt, wofür voraussichtlich Schnittstellen von Motion-Data, Vectorund Loco-Soft zur Verfügung gestellt werden. "Die Händlerdaten werden automatisch erhoben und täglich an SBS übermittelt." Somit sind auch die Ersatzteilbestellungen und die Fakturierungen erfasst. Wer bei PRISM nicht mitmacht, wird es daher künftig schwer haben, Nissan-Ersatzteile zu bestellen. Womit sich Widerspenstige vom Nissan- Werkstättennetz verabschieden müssen. Letztlich soll dieser automatische Datentransfer aus der Sicht von Nissan ja dazu dienen, "das Leistungsspektrum des Händlers zu verbessern".

110 Datentypen sind zuübermitteln Nissan ist sich bewusst, dass dieses automatische "Absaugen" wettbewerbsrechtlich relevanter Daten heikel ist. Insbesondere, da Nissan sich damit einen hervorragenden Überblick über die Ersatzteilpreise freier Teilehändler verschafft. Deshalb wird der Händler verpflichtet, "Daten, die er über PRISM erhalten hat, vertraulich zu behandeln und keinem Wettbewerber oder anderen Kraftfahrzeughersteller zur Verfügung zu stellen".

Händler-Anwalt Dr. Johannes Öhlböck hat den neuen PRISM-Vertragsentwurf näher unter die Lupe genommen. Konkret geht es um rund 110 Datentypen, die der Händler an Nissan zu übermitteln hat. Darunter befinden sich Rechnungsdatum und Name des Verkäufers, Innendienstmitarbeiter, Arbeitszeit, Datenvon Kunden und Fahrzeugeigentümer samt Adresse, Steuernummer, E-Mail, Telefonnummern (Privat, Mobil, Firma), Geburtsdatum, Fahrzeugdaten verbaute Ersatzteile, Verkaufspreis, Einkaufspreis, Einkaufsmethode für das Ersatzteil, Verkaufspreis und Kosten der Arbeitsstunde sowie die Anzahl verkaufter Stunden, noch am Lager befindliche Teile samt Preisen usw.

Nicht nur Nissan ist betroffen Besonders heikel wird der Datentransfer, wenn der Händler nicht nur Autos und Ersatzteile, sondern auch Finanzdienstleistungen -Leasingverträge, Versicherungen -verkauft. Wenn vom Kunden die sensiblen Daten für eine Kreditversicherung erhoben werden, bei der es um die Absicherung der Restschuld im Ablebensfall geht. Wobei derzeit nicht absehbar ist, wie die den Händlern von ihren "Geschäftsherren" in zahlreichen Händlerverträgen auferlegten Verpflichtungen zum Datentransfer mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung auf einen Nenner zu bringen sind.

Das betrifft selbstverständlich nicht nur Nissan. Auch die Partner anderer Marken fühlen sich längst als "Glashausunternehmer". Ziel ist es, über sämtliche geschäftliche Aktivitäten der Händler - auch jene außerhalb des Kerngeschäftes -völlige Transparenz zu erhalten. "Vielleicht kommt einmal die Kamera am WC, damit sie meinen Stuhlgang kontrollieren können", ätzt ein davon Betroffener. Und ist über die Naivität seiner Kollegen verwundert, die ihren gesamten E-Mail-Verkehr über die Server der sie überwachenden Geschäftsherren laufen lassen. Voll des Vertrauens, dass sich diese "an alle anwendbaren Datenschutzbestimmungen" halten werden.

Erhalten die Händler einen Bonus?

Neben der wettbewerbsrechtlichen Problematik sind die Händler voll für die übergebenen Daten verantwortlich. "Der Nissan Händler ist verpflichtet, SBS und Nissan von allen Ansprüchen freizustellen, die sich daraus ergeben können, dass er gegen europäisches oder nationales Datenschutzrecht verstößt", schiebt Nissan die Verantwortung für den gesamten Datentransfer und die anschließende Datennutzung auf den Händler. "Die haben dafür gerade zu stehen, dass die Einwilligungserklärung des Kunden wasserdicht ist", unterschreibt der Händler aus der Sicht von Öhlböck damit eine Garantieerklärung, die er faktisch nicht erfüllen kann.

Auch bei den VW-Händlern ist die Weitergabe all ihrer Daten völlig "freiwillig". Sie erhalten dafür bei ihrer Händlerspanne einen zusätzlichen Bonus von 0,5 Prozent. Beim derzeitigen Nissan-Vertragsentwurf "ist auf den ersten Blick eine Abgeltung für den Händler nicht zu finden", sieht Öhlböck beim neuen PRISM "die Vorteile klar auf Herstellerseite".

Den Händlern bleibt vor lauter Datensammeln nur die Hoffnung, daneben auch noch Zeit für das normale Autogeschäft zu finden.