Auf meiner jüngsten Reise durch Sri Lanka stieß ich bei wunderschönen
Tempeln auf ceylonesische Affen. Dort konnte ich echtes Affentheater
bewundern.
Am Heimflug holte mich ein "Spiegel"- Bericht über ein
Affentheater im VW-Imperium auf den Boden des Kfz-Alltags zurück.
Kein Wunder, dass VW-Vorstandschef Matthias Müller daneben keine Zeit
bleibt, sich mit dem im Herbst 2017 angekündigten neuen
Vertriebssystem auseinander zu setzen.
Auf der europäischen Händlerkonferenz verkündete VW-Markenvorstand
Jürgen Stackmann, er sehe in den aus 2003 stammenden Verträgen keine
Grundlage für ein neues und nachhaltiges Geschäftsmodell. Er werde
den Online-Vertrieb zur Senkung der Vertriebskosten forcieren und
große Flottenkunden künftig selbstbetreuen. Einfachere Abläufe und
Standards sollen zur Kostenentlastung beitragen und so trotz
geplanter Reduktion der Händlerspanne die Händlererträge verbessern.
Bereits im November 2017 würden die ersten Vertragsentwürfe zur
Besprechung mit den Händlerverbänden vorliegen. Seither hüllt sich
Wolfsburg in Schweigen. Angeblich wird ständig über die neuen
Verträge verhandelt. Oder das, was sich VW-Granden unter "verhandeln"
vorstellen. Den Verhandlern wurde striktes Stillschweigen auferlegt.
Eine generelle Kündigung der laufenden Verträge sei jedenfalls nicht
vorgesehen. Die Händler brauchen nur das neue Regelwerk zu
unterschreiben. Einen Vertrag mit schlanken 85 Seiten und 453 Seiten
Guidelines. Nur jene, die nicht unterschreiben, werden mit
Jahresfrist aus dem Händlernetz ausgeschieden.
Die Zielsetzung scheint, die Macht des Konzernsüber seine Händler
weiter auszubauen. Das stößt jedoch an die rechtlichen Grenzen des
Artikels 101 des EU-Vertrages. Der verbietet vertikale Kartelle, wie
sie die Autohersteller mit ihren Autohändlern im Rahmen ihrer
quantitativ-und qualitativ-selektiven Vertriebssysteme abschließen.
Mit denenes den Händlern verboten wird, die Vertragsware - neue
Autos und Ersatzteile - an Händler außerhalb des eigenen Markennetzes
weiter zu verkaufen. Womit der Wettbewerb zweifellos massiv
beeinträchtigt wird.
Im dritten Absatz gibt es jedoch ein Hintertürl: Das Kartellverbot
kann für nicht anwendbar erklärt werden, wenn das Kartell die
Verbraucher "angemessen an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung
der Warenerzeugung oder -verteilung" beteiligt oder wenn es "zur
Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts
beiträgt". Auf diese beiden Punkte berufen sich alle Kfz-Produzenten,
wenn sie den Händlern mit Verträgen die Daumenschrauben anlegen.
Diese "Freistellung" des Artikels 101 Absatz 3 hat jedoch Grenzen.
Den Händlern dürfen nur "derartige Beschränkungen auferlegt werden,
die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind". Was
darunter zu verstehen ist, versuchen die
Gruppenfreistellungsverordnungen VO 461/2010 und 330/2010 zu regeln.
So sind einige Wettbewerbsverbote und Bezugsbindungen zulässig, wenn
sie den Händler nicht länger als 5 Jahre binden oder wenn der
Marktanteil des Lieferanten unter 30 Prozent liegt.
Der deutsche Gesetzgeber hat nun festgelegt, dass ein Unternehmen den
Markt beherrscht, wenn dessen Marktanteil 33 Prozentüberschreitet.
Dabei sind die Marktanteile aller Konzernmarken zu addieren. Das gilt
auch für das EU-Kartellrecht. Diese Grenze hat der VW-Konzern bereits
überschritten. Er verhält sich jedenfalls kartellrechtswidrig, wenn
er andere Unternehmen -somit seine Händler -vertraglich
diskriminiert, behindert oder sonst wie seine Marktmacht missbraucht.
Im Einzelfall kann es schwer sein, ein verbotenes Verhalten von einem
zulässigen Verhalten zu unterscheiden. Daher ist jede den Wettbewerb
einschränkende Klausel danach zu überprüfen, ob sie für die
Erreichung der beiden oben angeführten kartellrechtlich erlaubten
Ziele "unerlässlich" ist. Andernfalls geht der Konzern das Risiko
ein, dass sie als "Missbrauch" qualifiziert wird. Das VW-Management
könnte sich mit den neuen Verträgen neben weiteren Imageverlusten
auch hohe Kartellstrafen einhandeln. So entpuppt sich das
unverständliche Affentheater um die Geheimhaltung der neuen Verträge
letztlich bloß als Eiertanz um deren kartellrechtliche Zulässigkeit.