Branchen-Insider rechnen damit, dass die beunruhigenden
Insolvenzfälle der jüngsten Zeit durchaus negative Auswirkungen auf
Bonitäts-Checks und Ratings haben.
A&W: Wie ist das Jahr 2017 bzw. das Winterreifengeschäft 2017/2018
für Ihr Unternehmen verlaufen?
Philipp Ostbomk, Michelin: Das Jahr 2017/2018 verlief durchaus
zufriedenstellend. Wir konnten unsere Tagesverfügbarkeiten noch
einmal deutlich steigern. Vor allem unsere Top-Produkte im SUV-und
UHP-Bereich wurden sehr gut angenommen. Somit sind wir insbesondere
mit der Mix-Entwicklung sehr zufrieden.
Mag. Tassilo Rodlauer, Hankook: Hankook hat den schon in 2016
eingeschlagenen Wachstumskurs imösterreichischen Markt auch im Jahr
2017 erfolgreich fortgesetzt. Dies gilt auch für das
Winterreifengeschäft der vergangenen Saison, das trotz mancher
kapazitätsbedingter Engpässe sehr zufriedenstellend für unsere Marke
verlaufen ist.
Kristjan Ambroz, Semperit: Insgesamt ist das vergangene Jahr für uns
zufriedenstellend verlaufen. Dazu hat sicher unser Jubiläum (111
Jahre Semperit, Anm. d. Red.) und die Einführung des neuen Semperit
Winterreifens beigetragen. Das Wintergeschäft an sich hat mit den
Einlagerungsbestellungen vernünftig begonnen, der Wintereinbruch in
den meisten Regionenhat dann dem Tagesgeschäft positiven Antrieb
verliehen.
Hannes Gößler, Nokian: Wir sind mit dem Geschäftsverlauf des Jahres
2017 zufrieden, ebenso haben wir von unseren Partnern aus dem
Reifenfachhandel das Feedback erhalten, dass die Wintersaison 2017
gut verlaufen ist.
Martin Krauss, Bridgestone: Bridgestone hat das Jahr 2017 global mit
einem Umsatzplus von 9 Prozent abgeschlossen. Zudem haben wir
Investitionen von mehr als 250 Millionen Euro für den Ausbau unserer
europäischen Werke bekannt gegeben.
Günther Riepl, Falken: In Summe ist das Jahr für uns europaweit noch
zufriedenstellend ausgegangen - auch wenn es einige Hochs und Tiefs
gegeben hat.
Harald Kilzer, Apollo Vredestein: Das Jahr 2017 - und auch Jänner und
Februar 2018 -war für uns eine regelrechte Achterbahnfahrt. Begonnen
haben wir mit einem enorm starken 1. Quartal, getrieben durch
angekündigte Preiserhöhungen. Dann folgte eine Sommerflaute, bedingt
durch die Bevorratungen und die tragischen Sanierungsverfahren und
Insolvenzen in denQuartalen 4/2017,1/2018. All diese Höhen und
Tiefen zeigten uns sehr deutlich auf, dass wir in Zukunft unsere
Hausaufgaben, was Preisgestaltung, Preispositionierung und
Kundenstruktur angeht, noch besser, kundenorientierter und sinnvoller
erledigen müssen. In Summe können wir in Anbetracht der vergangenen
Ereignisse mit dem Gesamtergebnis leben und haben uns zum Ziel
gesetzt, dass wir aus den neuen Erfahrungen die richtigen Schlüsse
ziehen, um unser Geschäft in Zukunft noch besser zu gestalten.
Wolfgang Stummer, Goodyear Dunlop: Grundsätzlich ist das
Wintergeschäft 2017/18 ganz gut verlaufen. Wir waren mit hoher
Verfügbarkeit und guter Belieferung sehr gut vertreten. Natürlich
haben aggressive Preisgestaltungen am Markt und Schwierigkeiten
einzelner Händler auch bei uns Spuren hinterlassen.
Christian Mielacher, Pirelli: Trotz aller Herausforderungen waren wir
mit den Umsätzen sehr zufrieden und konnten unseren Marktanteil
leicht ausbauen.
Was bedeuten die jüngsten Insolvenzen für den Markt allgemein und für
Ihr Geschäft? Riepl, Falken: Leider werden die Auswirkungen heuer
sicher schlagend werden. Es ist immer eine Herausforderung, die
entsprechenden Volumina zu kompensieren, wenn langjährige Kunden
nicht mehr am Markt vertreten sind.
Kilzer, Apollo Vredestein: Dass in den letzten 2 Jahren 3 der
Top-5-Reifenvermarkter inÖsterreich Insolvenz oder zumindest ein
Sanierungsverfahren angemeldet haben, ist sehr bedauerlich und ein
deutliches Signal für die Branche. Die finanziellen Aspekte für
Fachhändler und Lieferanten werden weiter verschärft, Kreditrahmen
werden gekürzt werden. Kreditlimits werden vorsichtigerund niedriger
vergeben werden. Auf das Thema Zahlungsziele werden die Vorkommnisse
der letzten Zeit auch negative Auswirkungen haben. Aus
Lieferantensicht können wir nur daran arbeiten, noch breiter
aufgestellt zu sein und unsere Kundenstruktur zu verbessern.
Überfälligkeiten werden ab jetzt mitSicherheit mit anderen Augen
betrachtet.
Stummer, Goodyear Dunlop: Die jüngsten Insolvenzen und Konkurse haben
natürlich Auswirkungen auf unser Geschäft und den gesamten
Reifenhandel. Eine ganze Branche wird dadurch stärker in den Fokus
genommen, was speziell Bonität und Finanzierungsmöglichkeiten
anbelangt.
Mielacher, Pirelli: Für den österreichischen Markt haben die jüngsten
Insolvenzen natürlich Konsequenzen. Es wird klar aufgezeigt, dass
Veränderungen notwendig sind, um in der Zukunft erfolgreich zu sein.
Veränderungen, welche nicht nur den Handel, sondern auch die
Vertriebsideen der Produzenten betreffen.
Gößler, Nokian: Es ist immer schlimm, wenn Firmen in die Insolvenz
kommen, da Menschen/Mitarbeiter betroffen sind. Die Nachfrage des
Marktes bleibt und wird von bestehenden oder neuen Firmen
aufgefangen. Für uns ist wichtig, noch enger mit unseren Partnern
zusammenzurücken. Das Geschäft beschränkt sich nicht nur auf das
Aufträgeschreiben oder das Ausliefern. Im Schulterschluss müssen
gemeinsame Strategien und Verkaufskanäle bearbeitet werden.
Ambroz, Semperit: Die vergangenen Entwicklungen von namhaften
Traditionsunternehmen treffen die ganze Branche. Wir sind ein
Unternehmen mit All- Kanal-Politik. Das hilft uns, mit den
Herausforderungen im Markt umzugehen und flexibel zu reagieren.
Ostbomk, Michelin: Insolvenzen bringen generell Unruhe in den Markt
von daher ist das nicht gut für den einheimischen Markt. Inwieweit
die jüngsten Insolvenzen auch zur Marktberuhigung führen werden,
bleibt noch abzuwarten.
Krauss, Bridgestone: Die Branche durchläuft momentan eine
Konsolidierung, die noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir
stehen zu unseren Partnern und unterstützen sie gerne.
Rodlauer, Hankook: Hankook war bei den angesprochenen Insolvenzen
nicht involviert. Allerdings muss man wohl davon ausgehen, dass der
Wettbewerbsdruck insgesamt im verbleibenden restlichen Markt deutlich
zunehmen wird. Dafür sind wir gerüstet.
Beeinträchtigt diese Entwicklung die generelle Bonitätsbeurteilung,
die Zusammenarbeit und Lieferbereitschaft mit anderen Partnern?
Krauss, Bridgestone: Bridgestone hält weiterhin zu seinen Partnern
und unterstützt durch verschiedene Programme bei der erfolgreichen
Vermarktung unserer Reifen.
Ostbomk, Michelin: Die Warenkreditversicherungen wollen Risiken
besser einschätzen und prüfen sehr genau. Wir versuchen natürlich
auch, unter den veränderten Rahmenbedingungen Lösungen mit unseren
Partnern zu finden, um die Geschäfte sinnvoll abzuwickeln.
Ambroz, Semperit: Unsere Beziehungen zu unseren Handelspartnern sind
langjährig und partnerschaftlich. Wir sprechen offen über Themen und
versuchen, mit individuellen Lösungen gemeinsam erfolgreich zu sein.
Diese Werte werden von unseren Partnern sehr geschätzt. Eine
Beeinträchtigung sehen wir derzeit nicht.
Rodlauer, Hankook: Die Bonitätsbeurteilung ist bei Hankook seit jeher
strengen Kriterien unterworfen. Es wäre verständlich, wenn die
Warenkreditversicherungen aufgrund der jüngsten Entwicklungen
nochmals genauer "hinschauen", die Zusammenarbeit mit unseren
Partnern und unsere Lieferbereitschaft beeinträchtigt dies aber
keineswegs.
Gößler, Nokian: Es beeinträchtigt die Bonitätsbeurteilung bei
vorhandenen Partnern nicht, da wir eng zusammenarbeiten und über
Kreditlimits etc. offen sprechen. Unser Geschäftsmodell versucht,
eine Partnerschaft mit unseren Händlern einzugehen und nicht nur
Reifen in den Markt zu pumpen.
Kilzer, Apollo Vredestein: Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen
werden sich verschärfen, Versicherungsbeträge werden erhöht. Unsere
Zusammenarbeit mit bestehenden Kunden wird sich eher verbessern und
intensivieren. Beide Parteien brauchen jetzt noch mehr Sicherheit,
dies gelingt nur, wenn alle Beteiligten an einem Strangziehen. Der
Handel bracht innovative, erfolgreiche Lieferanten genauso wie die
Industrie erfolgreiche, moderne Reifenfachhändler braucht. Die daraus
resultierende Lieferbereitschaft erklärt sich von selbst, wenn beide
Partner erfolgreicher werden möchten und bereit sind, dafür etwas zu
tun.
Mielacher, Pirelli: Wir arbeiten mit dem Handel seit Jahren
partnerschaftlich zusammen. An der Lieferbereitschaft wird sich daher
im Grunde nichtsändern. Voraussetzung dafür ist kaufmännische Ethik.
Riepl, Falken: Anzunehmen ist, dass der eine oder andere
Kreditversicherer Anpassungen vornehmen wird und es dadurch
schwieriger wird. Wir als Lieferant sind gefordert, entsprechend den
Unternehmensregeln brauchbare Prozesse zu finden. Das individuelle,
kundenbezogene Zahlungsverhalten ist mitentscheidend. Hilfreich ist,
wenn die Kunden aktuelle Daten mit den Kreditversicherungen
austauschen.
Stummer, Goodyear Dunlop: Für die Bonitätsbeurteilung bedienen wir
uns selbstverständlich auch offiziellen Ratings, und die werden durch
solche Vorgänge leider nicht besser. Aber es gibt eine Vielzahl von
gut situierten Handelspartnern, die darunter kaum leiden werden,
sondern für die sich neue Chancen in freiwerdenden Gebieten oder
Marktfeldern ergeben. Über welche Töchter/Beteiligungen/Plattformen
beliefert Ihr Konzern den Endkunden direkt?
Stummer, Goodyear Dunlop: Wir haben in der D-A-CH-Region keine
eigenen Retail-Betriebe, sondern bietenüber die GDHS
Franchise-Konzepte wie HMI, Premio oder Quick an. Unser Ziel ist es,
über den eigenständigen Reifenhandel und den Autohauskanal unser
Reifenendkundengeschäft zu organisieren.
Ambroz, Semperit: Aufgrund der sich stetigändernden
Kundenanforderungen -B2B wie B2C -ist es heute notwendig, alle Kanäle
zu bedienen. Für den Endkunden haben wir lokale Vertriebsnetze, wie
in Österreich die Firma Profi Reifen.
Ostbomk, Michelin: Im Online-Kanal haben wir uns in den letzten
Jahren durch Blackcircle (UK) bzw. Allopneus (FR) verstärkt und
unsere Reifen-Handelsplattform Popgom ergänzt. Unsere Strategie setzt
aber weiterhin auf das gesamte Spektrum. Neben dem wichtigsten Kanal,
unseren Handelspartnern, zeigen wir mit der Reifenhandelskette
Euromaster Präsenz in diversen Märkten. Unsere neueste Beteiligung an
der Handelskette A.T.U bringt -vorausgesetzt, die Kartellbehörden
stimmen zu -einen weiteren Zugang. Der freie Reifenfachhandel ist und
bleibt aber ein wesentlicher Schlüssel für die professionelle
Reifenberatung und -vermarktung in unserer Strategie.
Riepl, Falken: Wir beliefern keine Endkunden. Für uns hat der
Reifenfachhandel unverändert Priorität.
Rodlauer, Hankook: Hankook setzt in Europa nicht auf den
Direktvertrieb. Wir inÖsterreich haben mehrfach ein klares
Bekenntnis zum Reifenfachhandel abgegeben und vertrauen auch
weiterhin auf die qualitativ hochwertige Vermarktung an den
Endkunden. Gößler, Nokian: Mit Vianor verkaufen wir primär Nokian,
aber auch andere Marken an Endkunden.
Kilzer, Apollo Vredestein: Unser einziger Berührungspunkt mit
Endkunden ist unsere Tochter reifen.com, die 37 eigene
Niederlassungen sowie eine B2C-Plattform betreibt. Wir sind bestrebt,
aus den neuen Erkenntnissen und Erfahrungen aus diesem Bereich eine
Synergie für unsere Partner zu schaffen. Nur wer den Markt versteht,
kann ihn gestalten!