Die Gerichte müssen im Zuge des VW-Skandals klären, ob manipulierte
Abgaswerte eine "wesentliche Vertragsverletzung" sind, die zur
Rückabwicklung des Autokaufs berechtigen.
In den vergangenen Monaten hat der Diesel- Skandal die Justiz in Trab
gehalten: Eine für alle Beteiligten heikle Situation -weshalb
VW-Händlern nahe gelegt wurde, sich mit ihren Kunden möglichst
außergerichtlich zu vergleichen. Nicht zuletzt geht es bei derartigen
Verhandlungen auch darum, wie das angemessene Benützungsentgelt zu
berechnen ist, das sich der Käufer bei einer Wandlung anrechnen
lassen muss. Dr. Wolfgang Pfeffer, Obmann der Kfz-Sachverständigen,
ortet einen hohen Anstieg an Vertragsanfechtungen -vor allem im
außergerichtlichen Bereich. Bei Neuwagen sind es vor allem die vielen
kleinen Macken der sogenannten "Montagsautos", die einen Kunden
frustrieren -bisdieser nach zahllosen Werkstattbesuchen sein Auto
wieder loswerden will. Unabhängig von der "Garantie", mit der ihm
dieses Auto vom Hersteller schmackhaft gemacht wurde. Bis dahin hatte
er das Auto oft schon monatelang und viele tausende Kilometer
gefahren -wie sind diese Kilometer zu kalkulieren?Grundsätzlich hat
der Kunde dem Händler die Abgeltung jenes Vorteils zu ersetzen, den
er zwischenzeitig durch den Gebrauch dieses Autos erlangt hat. Auf
dieser Basis hatte man früher dem Kunden den ortsüblichen Mietzins
für ein gleichwertiges Auto in Rechnung gestellt. Allerdings hat der
OGH (5Ob575/85) schon bald darauf verwiesen, dass in einer derartigen
Leihwagenkalkulation ein die tatsächliche Wertminderung
übersteigender Gewinn des Vermieters enthalten ist: "Damit kann schon
in verhältnismäßig kurzer Zeit das Benützungsentgelt den
Barverkaufspreis erreichen."
"An die Grenzen des Vertretbaren gestoßen"
Als Variante zur Berechnung der Kundenersparnis hat der OGH
(1Ob110/05s) eine Differenzrechnung zugelassen: Es sei "das
angemessene Benützungsentgelt für den Zeitraum bis zur Rückgabe des
Kaufgegenstands unter Berücksichtigung des Aufwands zu ermitteln, den
der Käufer hätte tragen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines
gleichwertigen Gegenstands durch Kauf und Weiterverkauf nach Gebrauch
zu verschaffen." Bei der Rückabwicklung konnte somit die Differenz
zwischen dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis und dem nach Gebrauch
erzielten Wiederverkaufspreis in Abzug gebracht werden. "Das war
damals bei älteren Gebrauchtfahrzeugen gerade noch vertretbar", sagt
Pfeffer: Doch sei der OGH "beim Neufahrzeugkauf aufgrund des
anfänglich hohen Wertverlustes an die Grenzen des Vertretbaren
gestoßen". Um rasch zu einer pauschalen Nutzungsentschädigung zu
kommen, war es plausibler, ohne weitere Berechnung dem Kunden je nach
Neupreis des Autos das amtliche Kilometergeld zu verrechnen. Das kann
ein Händler in der außergerichtlichen Praxis auch heute noch
probieren. Doch muss er sich im Klaren sein, dass er damit bei
Gericht nicht durchkommt. Als Alternative wäre bei der Berechnung vom
Bruttokaufpreis als Basis auszugehen und von diesem der
Händlereinkaufswert zum Wandlungszeitpunkt abzuziehen. "Bei diesem
Modell hätte der Kunde allerdings den vollen zeitbedingten -
degressiven -Wertverlust zu tragen; zudem wäre er noch um die
Händlerspanne beschwert." Deshalb hat der OGH zwischen dem
Wertverlust des Autos und dem Vorteil, den der Käufer aus der
konkreten Nutzung des mangelhaften Autos gezogen hat, unterschieden.
"Dem Käufer darf die am Anfang sehr hohe Wertminderung durch
Zeitablauf nicht angelastet werden. Es ist also der Anteil an der
Wertminderung zu ermitteln, der auf die gebrauchsbedingte Abnützung
zurückzuführen ist."
Dem Importeur den Streit verkünden Ein Händler muss daher schon
vorweg wissen, mit welchen Kosten er bei Gericht im Falle einer
Wandlung zu rechnen hat. Im Falle eines maroden Neuwagens sollte er
überdies von Haus aus dem Importeur den Streit verkünden, um sich von
diesem aufgrund seines Regressanspruches diesen Wandlungsverlust
zurückzuholen. Statt einer degressiven Berechnung des Wertverlustes
kommt nach der derzeitigen Judikatur eine lineare Abwertungsmethodik
zum Tragen. Es sind die vom Kunden gefahrenen Kilometer mit der
Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs in Relation zu bringen. Diese ist
wiederum abhängig vom Fahrzeugtyp und der Motorisierung. "Der
Sachverständige hat aufgrund seiner Erfahrungen die durchschnittlich
erzielbare Maximallaufleistung zu schätzen", wobei aus Pfeffers Sicht
"der Hubraum heute keine geeignete Basis mehr für die
Gesamtlaufleistung ergibt". In dem von Pfeffer entwickelten
"Autopreisspiegel" wurden 2014 standardmäßig fünf verschiedene
Lebens-Kilometerlaufleistungen fixiert: Bei 40 kW wird von 150.000 km
ausgegangen, über 180 kW sind es als Spitzenwert 350.000 km. Aufgrund
der technischen Entwicklung wurde zwischen Benzinern und Dieseln
keine Unterschiede gemacht. "Im Falle eines Gebrauchtwagens muss die
Restlaufleistung als Differenz zwischen der erwarteten
Gesamtlaufleistung und dem Kilometerstand zum Kaufzeitpunkt gebildet
werden." Pfeffers Programm errechnet zunächst die zu erwartende
Restlaufleistung bei Kaufabschluss. "Das Entgelt pro genutzten
Kilometer wird als Quotient zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und
der Restlaufleistung berechnet." Damit hängt bei einer konkreten
Rückabwicklung der Kilometerpreis vom Kaufpreis des Gebrauchtwagens
ab. "Sind in der Nutzungsphase Schäden oder eine merkantile
Wertminderung eingetreten, muss diese Wertminderung zum
Benützungsentgelt hinzugerechnet werden", wobei auch diese Positionen
vom Programm berechnet werden können. Die Judikatur ist bei der Höhe
des Benützungsentgelts im Lauf der Jahre konsumentenfreundlicher
geworden. Bei der Rücknahme des Autos wurden die dem Kunden
anzulastenden Abschlägefür die von ihm gefahrenen Kilometer kleiner.
Damit hat der Händler einen höheren Rücknahmepreis zu zahlen als
früher. Es wird an dessen Verhandlungsgeschick liegen, den mit der
unerfreulichen Wandlung verbundenen Schaden so klein wie möglich zu
halten.
"Das war damals beiälteren Gebrauchtfahrzeugen gerade noch
vertretbar."
Dr. Wolfgang Pfeffer, Obmann der Kfz-Sachverständigen
"Der Sachverständige hat aufgrund seiner Erfahrungen die
durchschnittlich erzielbare Maximallaufleistung des Fahrzeugs zu
schätzen."
Dr. Wolfgang Pfeffer, Obmann der Kfz-Sachverständigen