Die Rechnung klingt watscheneinfach: Man nehme die mittlere Lebensdauer eines Produkts und addiere sie zum Startjahr der neuen Technologie. Das Ergebnis spiegelt dabei das Jahr wieder, in dem sich die neu eingeführte Technik im Massenmarkt durchsetzen wird. Das behauptet zumindest der deutsche Physiker Richard Randoll in seiner Diplomarbeit und rechnet anhand dieser Formel vor, dass Elektroautos 2026 die Mehrheit bei den Neuzulassungen stellen werden. Denn: Derzeit werden Fahrzeuge im Schnitt 15 Jahre lang genutzt, wobei 2011 mit dem Nissan Leaf das erste Großserien-E-Auto auf den Markt kam. Folglich sollten sich die Stromer auch 2026 auf dem Massenmarkt durchsetzen. Dass sein Gedanke nicht ganz falsch sein kann, versucht der 34-Jährige anhand weiterer Beispiele aus der Technikwelt zu erklären. So verpasste Nokia etwa 2007 die Lancierung eines Smartphones (Durchschnittliche Nutzungsdauer: vier Jahre) und läuft als Hersteller seither unter ferner liefen. Auch Kodak -lang Weltmarktführer bei analogen Kompaktkameras (durchschnittliche Nutzungsdauer: zehn Jahre) - verschlief Anfang der Nullerjahre für einige Zeit die Entwicklung von Digitalkameras und ging 2012 schlussendlich nach langem Zögern und Zaudern Pleite.

große Pläne Schaut man sich die Pläne der Automobilhersteller in puncto Elektrifizierung ihrer Flotte an, könnte man fast glauben, sie hätten bereits vor Monaten Lunte an Randolls Berechnungen gerochen. So will allein der Volkswagen Konzern bis 2025 insgesamt 80 neue E-Modelle -50 reine Stromer und 30 Plug-in-Hybride -auf den Markt bringen. Bis 2030 soll es nach den Worten des Konzernvorstands Matthias Müller von jedem der weltweit rund 300 Konzernfahrzeugen mindestens eine elektrifizierte Variante geben. Auch Volvo verkündete jüngst eine Elektromobilitätsoffensive: Unter der Marke Polestar werden in den nächsten Jahren in Phase 1 mal locker 640 Millionen Euro in die Entwicklung von E-Fahrzeugen gepumpt, während die Ära des Verbrennungsmotors bei den Schweden parallel dazu auslaufen soll - zumindest wird Volvo als erster Traditionshersteller kein weiteres Geld mehr in die Weiterentwicklung der bestehenden Benzin-und Dieselmotorenpalette stecken. Auch Ford, GM, Mercedes-Benz und BMW forcieren die Entwicklungen im Batterie-und E-Mobilitätssektor und wollen langfristig dem Elektroautopionier Tesla an den Karren fahren. Trotz teilweise unterschiedlicher Zugänge zum Thema gibt es dabei eine Gemeinsamkeit: Reichweiten von 600 Kilometern und mehr pro Akkuladung sowie einmal Auftanken in weniger als einer halben Stunde sollen bis spätestens 2025 in der Serientechnologie ankommen und nicht nur mehr auf Luxusgeschoße vom Schlage eines Tesla Model S oder Porsche Mission E beschränkt sein.

Alle segmente abgedeckt Womit wir auch schon beim Thema wären: In Österreich werden derzeit rund 30 Prozent aller Fahrzeuge mit Allradantrieb verkauft, wobei das Angebot an Modellen mit dem traktionsstarken Antrieb prinzipiell in allen konventionell angetriebenen Fahrzeugsegmenten und Preisklassen vorhanden ist. Schaut man sich die derzeit erhältlichenE-Autos an, ist die Ernüchterung jedoch groß. Von den knapp 20 Modellen sind nämlich nur jene mit Allradantrieb zu haben, die eindeutig in die Kategorie Luxusauto fallen. Und da fällt bekanntermaßen wiederum genau der kritisch beäugte US-Konzern Tesla auf, der sowohl die aktuellen S-wie X-Modelle und auch das kommende Massenfahrzeug Model 3 mit Allradantrieb im Programm hat beziehungsweise haben wird, aber derzeit vor allem wegen Produktions-und Lieferschwierigkeiten Schlagzeilen macht. Wirft man einen Blick auf die anderen Hersteller muss man feststellen: nada, null, nix, niente. Zumindest jetzt, also Ende 2017, gibt es keine reinen E-Autos mit Allradantrieb von der Stange. » Wer so etwas haben möchte, muss sich derzeit noch an Spezialisten wie Kreisel Electric wenden, die in diesem Jahr unter anderem eine Mercedes G-Klasse für Arnold Schwarzenegger zum Elektro-SUV umgebaut haben. Dass man dafür ähnlich viel -oder noch viel mehr -Asche am Konto braucht, muss man wohl nicht extra erwähnen.

Elektro-Allradler in der Pipeline Zur Klarstellung: Bei den eingangs erwähnten Elektromobilitätsprogrammen der Traditionshersteller ist da freilich einiges in der Pipeline, was über eine Batterie und 4x4-Antrieb verfügen soll. Neben dem Serienmodell der aufregenden E-Sportwagen-Studie Porsche Mission E, die im Jahr 2020 auf den Markt kommen wird, gibt es da etwa auch noch den Jaguar I-Pace, der in Graz bei Magna gebaut werden wird und 2019 zu den Händlern rollt. Dazu arbeitet auch Allradspezialist Subaru an der Elektrifizierung seines Baukastens. So soll ab 2021 zumindest ein Plug-in- Hybrid-Modell vom Band rollen, das ab 2024 auch als reine E-Version zu haben sein wird. Auch Mitsubishi, ebenfalls eine Bank bei konventionellen 4x4-Modellen, zeigte auf der vergangenen Tokio Motorshow das "E-Evolution Concept", der als vollelektrisches Hochleistungs-SUV eine neue Markenstrategie verkörpern soll. Ebenso wird der Allradantrieb beim VW I.D. CROZZ II eine wesentliche Rolle bei der Kraftübertragung spielen.

idee mit langem Bart Trotz all dem Hauch von Zukunft, den die Verbindung von E-Antrieb und Allrad verströmt, hat die Idee eigentlich schon einen ziemlich langen Bart. Schon zur vorletzten Jahrhundertwende -als Kaiser Wilhelm II. bekannterweise noch nicht mal an den Verbrennungsmotor, sondern ans Pferd glaubte -baute Ferdinand Porsche für die Wiener Lohner Werke den sogenannten Lohner Porsche. Dabeihandelte es sich um ein E-Fahrzeug, das gleichermaßen visionär wie wenig alltagstauglich war: Zum einen verfügte es über damals beeindruckende Beschleunigungswerte, zum anderen war es wegen der Bleibatterien rund 2.000 Kilogramm schwer und brachte es nur auf eine kümmerliche Reichweite. Für Herrn Porsche war aber bereits damals klar, dass die Antriebskombination Potenzial hat, weshalb er nicht nur eine Version mit Frontantrieb, sondern auch eine mit Allradantrieb gebaut hat.

leistung differenziert konzepte Knapp 120 Jahre später erinnern sich auch die Hersteller daran, dass sich auf elektrische Art Allradantrieb besonders leicht und günstig verwirklichen lässt. Das Stichwort dabei lautet: Radnabenmotoren. Und die haben einige Vorteile. Zum einen werden sie dort verbaut, wo sie das Drehmoment auch umsetzen müssen; sie können also quasi ohne Umwege wirken. Zum anderen sind sie relativ günstig und klein - und letzteres müssen sie auch sein, weil sie sonst gar nicht direkt an den Rädern untergebracht werden können. Damit sind ihre Grenzen aber gleichzeitig definiert, da sie sich weniger für die Übertragunggroßer Kräfte -wie sie in Sportwagen und großen SUV wirken -eignen. Für die möglichen Elektroversionen von Suzuki Swift oder Jimny, eines Fiat Panda 4x4 oder eines Ford Ecosport würden sie sich aber allemal eignen; und wohl auch das Brot-und-Butter- Allrad-Elektroauto für die sichere Fahrt auf schneereichen Strecken zum Supermarkt könnte damit abgedeckt werden. Alle stärkeren Allradfahrzeuge werden hingegen wohl auch in Zukunft über zwei motorisierte Achsen angetrieben, wobei der Kraftfluss der zwei, drei oder vier Elektromotoren über eine intelligente elektronische Steuerungseinheit verteilt wird, um das Leistungspotenzial des Fahrzeugs optimal ausnutzen zu können.

die krux mit den kosten Die Wahrheit ist: Für die Hersteller -auch Tesla macht derzeit noch viele Millionen Dollar pro Jahr Verlust - rentieren sich Elektroautos derzeit einfach noch nicht wirklich, weil die produzierten Stückzahlen sowie das Interesse daran noch zu gering sind. Parallel dazu sind die Entwicklungskosten und die Herstellungskosten von Akkus und Co einfach noch zu hoch. Müssen die Hersteller aufgrund neuer Batterietechnologien und größerer Stückzahlen jedoch in Zukunft selbst weniger tief in die Tasche greifen und reichen diese Ersparnis in Form von niedrigen Preisen an die Kunden weiter, steigt auch das öffentliche Kaufinteresse an den elektrifizierten Modellen. In weiterer Folge wird auch das Fahrzeugangebot zulegen -und dass sich darunter leistbare Allradmodelle befinden werden, davon darf ausgegangen werden. «