Leo Thorn ist in der Kfz-Werkstatt aufgewachsen, hat dort seine
Lebensziele verwirklicht und trotz aller Widrigkeiten in der Branche
kann er sich kein anderes Berufsleben vorstellen.
Infiziert vom Kfz-Virus wurde er im Autohaus Nagl, wo der Vater des
heutigen Bundesinnungsmeisters Fritz Nagl die Fahrzeuge für das Stift
Klosterneuburg repariert hat. Selbst Esso-Tankstellenbetreiber, wurde
er im zweiten Bildungsweg Mechaniker und speziell die Marke Ford
wuchs ihm ans Herz. Mit einem damals "guten Draht" zu Ford
Hinteregger, heute längst Geschichte, begann er Leasing- Rückläufer
aufzubereiten und anGastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien und
der Türkei zu verkaufen. "Ein gutes Geschäft", erinnert er sich
heute: "Denn die meist vor Ferienbeginn -Stichwort Gastarbeiterroute
-gekauften Gebrauchtwagen wurden in Österreich repariert." Die
Ostöffnung war noch lange nicht in Sicht und ein Skoda 1000MB zum
Eintausch eine Zumutung.
Thorns Tankstelle wanderte alsbald zu Tauchners
Simca-ChryslerWerkstatt, eine Autotandlerlegende in der
Babenberger-Stadt am Nordrand Wiens. Da gab es auch noch den Melzer
mit seinen Wohnwagen und den Peugeot Biegler oder den rührigen
Innungsmeister Schöppe. "Dunkle Momente" bescherte Thorn&Co
"Diamanten Heinzi", der Fahrzeuge mit Brillanten und gefälschten
Gutachten bei den Banken "besicherte" und mit einem veruntreuten
Camaro plus Wohnwagen von Melzer später in Tunesien von Interpol
aufgegriffen werden konnte.
Über Abrissgründe, wo man kurzzeitig günstig Autoplätze errichten
konnte, kam Thorn über Wiens Bezirke Donaustadt und Landstraße nach
Favoriten, wo er einen Reitstall fand und in der Folge dann 35 Jahre
Ford reparierte und verwertete. Zu Beginn noch angefeindet vom
Platzhirsch Manhardt, der ihn wegen "vergessener"
Autopreisauszeichnung und nicht eingehaltener Ladenschlusszeiten mit
Anzeigen eingedeckt hatte, war Thorn quasi dennoch seiner Zeit voraus
mit den heutigen freien offenen Verkaufsflächen-Regelungen.
Es war aber auch eine Zeit, in der er per Handschlag von einstigen
Marktgrößen wie Kernstock, Hummel oder Gomboc Versicherungsautos im
Paket kaufen konnte. Mit Walter Benda oder Herbert Vohryzkas
Ford-Betrieb in der Triester Straße, dessen Sohn heute bei Opel
Beyschlag unter der Flagge der Augsburger AVAG-Gruppe den Ton angibt,
machte er gute Geschäfte. Durch Gebrauchtteile wurde manche
Zeitwertreparatur möglich. Thorn war also auch Vorläufer der
Wiederverwertung im Materialkreislauf.
Thorn schuf sich aber auch viele Feinde. Er legte sich mit den
Versicherungen (Vorwurf der entfallenen Differenzbesteuerung), aber
auch mit der Gewerbevertretung und dem damaligen Verkehrsamt mit
ihren dominanten Beamten in der MA 46 an. Kfz-Kennzeichenhandel mit
kleinen Nummern war damals ein Renner. "Die schönsten Autos vor der
Rossauerkaserne gehörten den Anmeldereferenten", erinnert er sich und
kleinere technische Ungereimtheiten wurden meist per "Kuvert"
geregelt. Die Kultur der "Ungereimtheiten" sieht der streitbare Mann
auch heute noch aufrecht, allerdings haben sich die Beträge 1 zu 1
von Schilling in Euro konvertiert. Die Ebene der Nehmer hat sich
verschoben, erzählt der in Erfahrung ergraute nunmehrige Pensionist:
Ostöffnung, Wrackbörse, Umweltauflagen, ausufernde Bürokratie
verbunden mit der Optimierungsgier der mächtigen Autogruppierungen
haben viele Kleinunternehmer bewogen, das Handtuch zu werfen.
"Bevorzugt wurden heimische Betriebe drangsaliert", sagt es Thorn
ungeniert: "Die konnte man strafen und allenfalls auf ihren Besitz
zurückgreifen, was heute bei ausländischen Geschäftemachern nicht
ohne Weiteres möglich ist." Die Angst vor körperlichen Übergriffen
ausländischer Gangs bewog Thorn letztendlich auszusteigen.
Die Profitspirale dreht sich weiter nach unten, das E-Auto betrachtet
er am Ende der Entwicklung als große Blase, die vor allem die kleinen
Leute, die sich mangels Leasing-oder Kreditgewährung und durch
Umweltschmäh verteuerte Autos nicht mehr leisten können. Die
Entwicklung im freien Autohandel bezeichnet Thorn als asozial, was
massenhaft Arbeitsplätze kostet und teure Materialressourcen
vergeudet.
Jede Zeit der maschinellen Fortbewegung trägt in seinen Augen ihre
eigene Lüge. Zur Pferdezeit wurde deren Gebiss geschönt, wovon sich
das Wort Rosstäuscher ableiten lässt - ein bis heute
hängengebliebener negativer Wertebegriff für findige Autohändler. Zur
Zeit der Selbstund Fremdzünder wurden Sägespäne ins Getriebe gefüllt
oder es wurde einfach am Tachometer gedreht. Aktuell wird das
Elektroauto den Nutzern seligmachend vorgeführt. Über vernetzte und
selbstfahrende Mobilitätsangebote macht sich Thorn erst gar keine
Gedanken, zu unwirklich erscheint ihm diese Debatte.
"Ich habe so vieles erlebt in meinem unternehmerischen Autoleben",
resümiert Thorn "und ich würde wieder Autohändler sein und mich auch
mit den neuen technischen Gegebenheiten zurechtfinden. Es braucht uns
Typen, die alles im Gesamten gesehen im Griff haben." Thorn ist einer
davon, der weiß wie es geht, wenn mit der hochgestochenen Autotechnik
im dritten oder vierten Autobesitzerleben nichts mehr geht.