Die Hightech-Zukunftswerkstatt TecFabrik bilde den Kern der Technologieentwicklung für die Produktion von Mercedes-Benz, erklärt Andreas Friedrich, Leiter Technologiefabrik MBC Aufbauwerke, Mercedes-Benz Cars: «Wir entwickeln und bringen standardisierte Produktionstechnologien in unsere Werke weltweit. Genauso haben wir die End-to-End-Verantwortung für die Digitalisierung überalle Bereiche. Wir verbinden Technologien, Innovationen und die Einzigartigkeit unserer Mitarbeiter und schaffen damit optimale Prozesse in der Automobilindustrie.»

Rohbau der Zukunft: cubeTEC

Aktuell besteht der Rohbau bei Mercedes-Benz Cars grundsätzlich aus hunderten von Schweiss-und Fügerobotern, die in einer festgelegten Reihenfolge nacheinander ihre Arbeit ausführen, bis die Rohkarosse fertiggestellt ist und in die Lackiererei geht.

Wenn nun der Nachfolger einer Baureihe oder ein Derivat mit abweichenden Geometrien gefertigt werden soll, muss in der Regel eine zweite Linie aufgebaut werden, die den spezifischen Anforderungen des Fahrzeugs gerecht wird. Auch die Fügetechniken sind speziell auf diese Karosserie ausgelegt. Grosse Unterschiede gibt es bei Architekturen für Elektrofahrzeuge, die statt eines Motors und Getriebes eine grosse und relativ schwere Batterie benötigen, die crash-sicher in den Fahrzeugboden integriert werden muss.

Mit dem cubeTEC-Konzept lassen sich Vorbau und Heckwagen im Rohbau flexibel fertigen. Mithilfe von modularen Rohbauzellen entsteht eine vollflexible Anlage. Ausgangspunkt ist ein so genannter Supermarkt, wo alle benötigten Teile für die verschiedenen Baureihen zentral (und nicht mehr in unmittelbarer Nähe der Anlage) bereitgestellt werden. Diese werden über fahrerloseTransportsysteme (FTS) in einem ersten Schritt an so genannte GEO-Stationen geliefert, wo sie in die richtige Position gebracht und schliesslich so fixiert, dass die entstehenden Module und Komponenten weiterverarbeitet werden können.

Zum Einsatz kommen zwei unterschiedliche GEO-Stationen. Eine Station mit verstellbaren«NC-Achsen» hält die Einzelteile in der gewünschten Position, damit sie durch Schweissroboter fixiert werden können. So ist es möglich, Bauteile unterschiedlicher Grösse automatisch zu verarbeiten. Eine vollflexible GEO-Station nutzt das so genannte Jigless-Verfahren, bei dem mehrere Roboterzusammenarbeiten. Je nach Bauteil holen sie sich die erforderlichen Greifer und halten bzw. drehen die Bauteile in eine optimale Fügeposition.

Sind die Einzelteile in den GEO-Stationen fixiert worden, geht esüber FTS weiter zu speziellen «Ausfüge-Cubes», in denen schliesslich die Feinarbeit mit flexibler Anordnung der Fügetechnik durchgeführt werden kann.

VaMoS: variables Montagesystem mit Mitfahrplattformen

Mercedes-Benz betont, dass bei allen Veränderungen durch die fortschreitende Digitalisierung der Mensch immer im Mittelpunkt stehe. Seine Erfahrung, Kreativität und Flexibilität seien in der Automobilproduktion unersetzlich. Neue, innovative Technologien sollen ihn in seiner täglichen Arbeit bestmöglich unterstützen. Als Beispiel für einen solchen Smart Workplace nennt der Hersteller «VaMoS»: Das variable Montagesystem steht für Mitfahrplattformen, auf denen sich ein Mitarbeiter mit seinem Werkzeug bandsynchron am zu produzierenden Fahrzeug mitbewegt. Mit der von Daimler entwickelten Technologie kann nicht nur die Ergonomieverbessert werden, auch die Fertigungszeit bzw. Wegezeiten der Mitarbeiter werden verkürzt.

Mensch-Roboter-Kooperation

In der TecFabrik spielt auch die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine eine entscheidende Rolle. Heute wird ein Montageschritt in der Regel entweder von Mitarbeitern oder von Robotern erledigt. In Zukunft werden Menschen und Roboter direkt und ohne Schutzzäune miteinander kooperieren.

Bei Mercedes-Benz sind bereits Mensch-Roboter-Kooperationen im Serieneinsatz. Ein Beispiel ist der Einbau der Batterie in ein Hybridfahrzeug: Bisher unterstützte ein sperriges und unflexibles Handhabungsgerät den Arbeiter dabei. Aufgrund ihrer Grösse musste die Batterie zudem vor und nach dem Einfahren durch die Kofferraumöffnung gedreht werden. Ein mittelgrosser Roboter verbaut die Batterie jetzt mit hoher Wiederholgenauigkeit ohne Drehung und vereinfacht so die Produktion. Dabei überwacht der Mitarbeiter mit seinen sehr guten visuellen Fähigkeiten den Arbeitsraum des Roboters und entfernt bei Bedarf in der Einfahrkurve hängende Kabel. Weil der Roboter schnell reagiert, wenn sein Bediener die Hand von der Steuerung nimmt, können Mensch und Maschine eng zusammenarbeiten.

Diese Produktionstechnologie wurde 2016 im Werk Bremen für den Serieneinsatz eingeführt und 2017 auf drei Fahrzeugvarianten erweitert.

Virtuelle Montage täuschend echter

Bauteile Auch Virtual Reality bietet vielfältige Potenziale in der Produktion, beispielsweise durch eine virtuelle Montage mit einem Avatar. Ähnlich einer Spielekonsole mit Bewegungssteuerung werden bei der virtuellen Montage täuschend echt Bauteile in einem Fahrzeug befestigt. Durch das Erproben mit dem Avatar können erfahrene Mitarbeiter einschätzen, wie sich die jeweilige Arbeit am besten bewerkstelligen lässt. Der Vorteil besteht in einer frühzeitigen Optimierung der einzelnen Montageschritte.