In der Karosseriebranche ist die Digitalisierung längst Realität, die
Elektronik hat in nahezu allen Bereichen Einzug gehalten. Jene
Betriebe, die jetzt nicht auf den Zug aufspringen, werden es
zukünftig schwer haben.
Mittlerweile haben sich alle Premium-Lackhersteller die
Digitalisierung auf die Fahnen geheftet. Der größte Fortschritt ist
in der jüngsten Vergangenheit wohl in der Farbtonfindung gelungen, wo
fast alle Hersteller ein neues Produkt auf den Markt gebracht haben
oder in Kürze bringen werden. Dabei gibt es noch immer
unterschiedliche Aussagen zwischen dem Lackierer in der Praxis und
der eher theoretischen Umsetzung bei den Lackherstellern. Während die
meisten Lackierer das Farbtonmessgerät bislang mehr zur groben
Eingrenzung verwenden und dann lieber mit bewährter Methode und
gespritzten Farbmustern arbeiten, sehen die Hersteller das Ende der
Farbkarten schon als (nahe) Realität. Die Wahrheit liegt wie immer
etwas dazwischen, wobei es für einen erfahrenen Lackierer bestimmt
nicht einfach ist, dem kleinen Messgerät plötzlich mehr zu vertrauen
als seiner Erfahrung. Dabei macht die perfektionierte Technologie des
Farbtonmessgerätes nur einen Teil des Erfolges aus. Mindestens ebensowichtig werden zukünftig die Datenbanken sein, die entweder lokal
oder weltweit gespeist werden und damit eine perfekte Basis und
Vergleichsmöglichkeit bieten. Denn eines ist klar: Bei perfektem
Einsatz und Funktion wird die Zeit für die Farbtonfindung (deutlich)
reduziert. Auf diese Zeitersparnis und die Qualitätssicherung wird
zukünftig kaum ein Betrieb verzichten können. Der nächste, wesentlich
teurere Schritt, ist übrigens der Einsatz eines automatischen
Farbmischgerätes, das die Farbtonergebnisse auch gleich herstellt in
den exakt benötigen Mengen. Der minimale Materialeinsatz,der nur
durch elektronische Umsetzung möglich ist, wird ebenfalls eine
Entwicklung im Hinblick auf notwendige Kosteneinsparung sein.
Diagnose und Kalibrierung
Doch auch bei allen Tätigkeiten vor und nach dem Lackieren ist die
Digitalisierung präsent. Bei den meisten mittleren bis größeren
Reparaturen muss nach dem Zusammenbau des Fahrzeuges der
Diagnosetester zum Einsatz kommen. Sei es nur, um den Fensterheber,
die elektrische Heckklappe oder die Scheinwerfer einzustellenoder
-wesentlich heikler -die Sicherheits-und Assistenzsysteme zu
kalibrieren: Kameras, Sensoren und Radareinheiten sind ohne
umfassende Ausstattung und Erfahrung nicht wieder funktionsfähig zu
bekommen. Für den freien Karosseriefachbetrieb heißt es dann:
investieren oder vom Markennachbarn abhängig sein. Mittelfristig gibt
es freilich nur eine Lösung.
Online-Präsenz und elektronische Abwicklung
Dabei beginnt die Digitalisierung schon deutlich früher, nämlich beim
Kundenkontakt. Neukunden können über Netzwerke oder Partnerschaften
angesprochen werden, eine ansprechende und moderne Online-Präsenz ist
dabei Pflicht. Auch Vergleichsund Angebotsplattformen werden im Zuge
steigender Transparenz den Markt beeinflussen. Ebenso lassen
Stammkunden sich mit digitaler Terminvergabe oder elektronischen
Infos über Reparaturstatus und Fertigstellung beeindrucken. Dazu
kommen die elektronische Abwicklung und Rechnungslegung, wie sie bei
Versicherungen und Flotten längst Voraussetzung sind.
Die elektronische Schadenskalkulation sollte mittlerweile eine
Selbstverständlichkeit sein. Einerseits um mit dem Auftraggeber,
meistens mit der Versicherung, auf Augenhöhe kommunizieren zu können,
andererseits um bei allen anderen Fällen schon vorab kompetent den
Reparaturaufwand feststellen zu können. Bei den immer komplexeren
Fahrzeugen werden überraschende Aufwände bei der Instandsetzung sonst
zur Regel statt zur Ausnahme.
Online Schulungen
Nicht zuletzt wird diese notwendige Kompetenz zur Instandsetzung der
modernen Fahrzeugeüber noch mehr Schulungen passieren. Aus
Kosten-und Zeitgründen wird diese Weiterbildung online erfolgen, der
Mitarbeiter wird entweder über den Computer an Fern-Seminaren,
sogenannten Webinaren, teilnehmen oder er absolviert den Kurs je nach
Zeit und Anforderungen einfach selbst über das entsprechende
Programm. Schleifen, polieren und vor allem das Lackieren werden noch
lange Zeit wunderbare, analoge Tätigkeiten sein, für die es den
Menschen braucht, und zwar gut ausgebildete Facharbeiter. Das
persönliche Kundengespräch wird hoffentlich noch lange weiter
bestehen. Zumindest solange der Fahrer sein Fahrzeug noch selber
vorbeibringt und es nicht allein vorfährt.