Die "Zukunft der Werkstatt" hängt von vielen Entwicklungen ab. Wird
diese einen oder mehrere Markenverträge haben oder als freie
Werkstatt agieren? Welche Voraussetzungen braucht es für den Erfolg?
Der Versuch einer Zukunftsprognose.
Eine Kaffeesudleserei, werden jetzt viele Leser sagen, teilweise
zurecht. Denn bei allen Herausforderungen, die auf die Branche
zukommen, ist vor allem eines fix: die Veränderung. Die technische
Entwicklung ist dabei noch einigermaßen einschätzbar.
Elektrifizierung, autonomes Fahren, vernetzte Fahrzeuge: Diese drei
"Megatrends", wie sie von selbsternannten Experten immer wieder
genannt werden, sind unumkehrbar, die Frage ist lediglich, wie
schnell und intensiv die Veränderungen kommen und was es dann in
weiterer Konsequenz für die Kunden und für die Werkstätten bedeutet.
Ganz entscheidend ist hier, wie sich die einzelnen Marktteilnehmer
positionieren werden und wie sie diese Marktposition durchsetzen
werden. Dabei geht es um Autohersteller, Vertriebsnetze,
Online-Unternehmen, Händler und Teilehersteller.
Die erste Frage, die sich stellt: Wer verkauft die Fahrzeuge der
Zukunft? Klar, in diesem Artikel geht es um die Werkstätte, dennoch
hat nach wie vor der ausliefernde Händler die größte Chance auf
Kundenbindung, zumindest bis zum ersten Weiterverkauf des Autos. Hier
gehen die Meinungen massiv auseinander. Wird es den regionalen
Händler noch brauchen, geht der Verkauf nur mehr über die mächtigen
Outlets der großen Händlergruppen und der Hersteller oder wird der
reine Online-Verkauf deutlich schneller kommen?
Die Wahrheit liegt -vermutlich -beim großen Autohaus, denn die
Angebotsvielfalt der einzelnen Marken ist für einen kleinen Händler
längst nicht mehr darzustellen. Es wird große Häuser brauchen, die
zumindest einen bedeutenden Teil der unzähligen Karosserieformen,
Antriebsarten und vielfältigen Ausstattungen ausstellen und zur
Probefahrt anbieten können. Dafür spricht auch, dass Autokäufer für
den eigentlichen Kauf eine deutlich längere Strecke in Kauf nehmen
als für die Instandhaltung. Der reine Online-Verkauf wird sich
hingegen nicht komplett durchsetzen. Das Auto wird Emotion bleiben.
Persönliche Betreuung vor Ort
Damit stellt sich die nächste Frage: Werden die "Großen" auch das
Servicegeschäft machen? Nein, nicht für das große Volumen, schon gar
nicht im ländlichen Bereich. Wie erwähnt will der Kunde sein Fahrzeug
vor Ort betreut haben, möglichst persönlich, möglichst individuell.
Die kleine, familiäre Werkstatt vor Orthat hier weiterhin oder
vielleicht sogar mehr denn je ihre Vorteile. Die Betonung liegt auf
klein, denn Flexibilität und Kosteneffizienz werden eine noch größere
Rolle spielen.
Wird es dem "Kleinen"überhaupt möglich sein, diese Fahrzeuge zu
betreuen? Das hängt einerseits von den Händler-und
Werkstatt-Verträgen und auch von der Datenhoheit ab, die gerade heiß
diskutiert wird. Denn wer die Daten bekommt, hat den Kunden.
Kundenbindung dank Vernetzung
Im Zuge der Vernetzung haben die Hersteller einen großen Vorteil bei
der Kundenbindung. Hier liegt es an Konsumentenschützern,
Interessenvertretern von freien Werkstätten und freien Teilehändlern
sowie an den Teileherstellern. Diese werden wohl die größte Rolle bei
der Entwicklung der Werkstatt der Zukunft spielen. Dazu muss man
deren Geschäftverstehen: Selbst wenn die Zulieferer einen Großteil
der Fahrzeuge bauen und ohne die technische Kompetenz der Marktführer
kein Auto mehr gebaut werden könnte, so ist der Preisdruck dort
enorm.
Die hohen Entwicklungskosten lassen sie in der Erstausrüstung längst
nicht mehr verdienen, der Gewinn wird im Aftermarket realisiert. Und
das werden sich diese Weltkonzerne auch nicht nehmen lassen. Dabei
werden sie große Anstrengungen unternehmen, die Kunden, also die
Werkstätten, an ihre Marken und Produkte zu binden. War es lange Zeit
wichtig, bei den Teilegroßhändlern gelistet zu sein, so ändert sich
auch dieses Geschäft. Zu groß, zu monopolistisch ist der
Teilevertrieb über die wenigen Big Player geworden.
Und der Konzentrationsprozess schreitet weiter fort. Zudem wächst der
Online-Verkauf im Teilegeschäft, egal ob über etablierte Händler oder
über Amazon&Co.Über diese Wege sind die Teilemarken austauschbar.
Die Teilehersteller müssen den Bedarf daher direkt über die
Werkstätten erzeugen, und das geht nur mit Beratung, Betreuung,
Schulung und letztlich mit einer gewissen Unersetzbarkeit. Denn schon
jetzt können viele Reparaturen im Fahrzeug nicht mehr ohne das
entsprechende Wissen durchgeführt werden. Und diese Entwicklung wird
noch deutlich zunehmen. Immer öfter wird es zu Haftungsproblemen bei
Garantie-und Gewährleistung, im Schadensfall oder noch schlimmer bei
Unfällen kommen.
Nämlich dann, wenn Reparaturen falsch durchgeführt, die Elektronik
nicht korrekt programmiert oder Rückruf-oder Verbesserungsaktionen
nicht erledigt wurden. Die Informationen dazu müssen entweder von
denen kommen, die die Autos bauen oder von jenen, die die Teile dafür
produzieren. Als dritte relevante Möglichkeit gibt es natürlich noch
die Teilegroßhändler bzw. deren Werkstattsysteme.
Die Teilehersteller erhalten die freie Werkstatt
In jedem Fall werden die großen Teilekonzerne aus ureigenstem
Interesse dafür sorgen, dass ihre Teile verbaut werden können. Sie
werden die Betriebe mit Reparaturinformationen und -anleitungen auch
im elektronischen Bereich versorgen. Und diese Reparaturen werden in
freien Werkstätten passieren bzw. in Betrieben, die als
Markenwerkstätten auch andere Marken betreuen. Denn in Wahrheit ist
jede Markenwerkstatt auch eine freie Werkstatt.
Wo wird im Werkstattgeschäft noch wirklich Geld verdient? Bei jungen
Fahrzeugen von 0 bis 3 Jahren? Nein, der Verschleiß, die Probleme und
Fehler treten erst bei älteren Autos auf. Auch wenn die Fahrleistung
und die Kaufkraft der Zweit-und Drittbesitzer deutlich geringer sind
als beim Erstbesitzer. Dort handelt es sich allerdings zu einem
wachsenden Teil um Flotten, Fuhrparks und Leasingfirmen, die bereits
den Preis vorgeben. An welchen Fahrzeugen würden Sie denn lieber
arbeiten?
Ein letzter, wichtiger Aspekt für die Werkstatt der Zukunft ist die
mangelnde Kaufkraft bzw. die mangelnde Bereitschaft für die Erhaltung
des Automobils. Die Stundensätze in Markenwerkstätten sind teilweise
bereits so abgehoben, dass es allein schon aus diesem Grund ein
Umdenken bei den Kunden geben wird.