Spätestens seit Einführung des EU-Reifenlabels kann man sich auf einen Blick klar machen, welch breites Leistungsprofil ein moderner Reifen aufweisen muss. Dazu kommen die hohen Anfahrtsdrehmomente und das durch Akkus höhere Gewicht, das die Anforderungen an Reifen für Elektroautos noch weiter indie Höhe schraubt.

Zielkonflikte nichts Neues

Die Reifenmacher gehen mit Selbstbewusstsein an die Lösung des Problems. "Zielkonflikte in der Reifenentwicklung gab es immer", sagt Dr. Kristjan Ambroz von Semperit. "Niedriger Rollwiderstand ist eine der Anforderungen an einen modernen Reifen -unter vielen anderen." Thomas Obernesser, Leiter Test und Technik bei Michelin, verweist auf das bereits Erreichte: "Wir haben dank intensiver Forschung den Rollwiderstand in den vergangenen 25 Jahren um über 40 Prozent reduzieren können. Bis 2020 soll der Rollwiderstand der energieeffizientesten Leichtlaufreifen nochmals um 25 Prozent sinken." Mit dem Energy EV hat Michelin einen Reifen speziell fürElektroautos im Programm.

Sicherheit vorrangig

Christian Schumacher von Kumho Tires betont: "An erster Stelle stehen immer die sicherheitsrelevanten Kriterien Handling und Bremsen auf nasser wie trockener Fahrbahn." Kumho führt mit dem Ecowing einen Leichtlauf-Reifen für kleine und Mittelklasse- Pkws und mit dem Wattrun ein speziell für E-Autos entwickeltes Produkt. Mit Letzterem sieht man sich vor allem für die Zukunft im Ersatzgeschäft gewappnet, erwartet einen Nachfrageanstieg aber erst ab 2020. Bei Bridgestone verweist man ebenfalls darauf, dass die Zulassungszahlen von EV nicht mit den Prognosen Schritt halten. "Im Wintersegment ist jedoch ein steigender Umrüstbedarf zu verzeichnen, der für kontinuierlich wachsende Zulassungszahlen im Segment der E-Fahrzeuge spricht." Stärker merkbar ist eine steigende Nachfrage nach Reifen mit geringem Rollwiderstand in der Erstausrüstung. Sie sollen den Herstellern beim Erfüllen der strenger werdenden CO2-Richtlinien helfen. Diesen Ansprüchen werden Kumho-Pneus durch Gewichtsreduzierung gerecht, welche durch neue, leichte Materialien erreicht wird. Auf den Laufflächen werden Silane verwendet, die den Spagat zwischen Leichtlauf und Nassgrip schaffen. Damit dies nicht auf Kosten des Fahrverhaltens geschieht, minimiert ein Stahlgürtel mögliche Deformationen des Reifens und ein optimierter Gürtelwinkel sorgt gleichzeitig für eine harmonische Druckverteilung. Auch Falken setzt bei seinem eigens für Hybrid-und Elektrofahrzeuge entwickelten Ecorun A-A auf eine neu entwickelte Gummimischung, die sowohl ein "A" für Kraftstoffeffizienz als auch in der Nassgrip-Wertung erreicht. Der Pneu hat dem japanischen Hersteller einen Deal mit Toyota für den Prius III eingebracht.

Neue Formate

Bridgestones Ologic-Technologie verfolgt einen anderen Ansatz: Ein großer Reifendurchmesser in Verbindung mit schmaler Lauffläche verbessert Aerodynamik und Rollwiderstand, die lange Kontaktfläche des Reifens gleicht die geringe Breite in Sachen Grip wieder aus. Das Konzept kommt seit 2014 unverkennbar beim BMW i3 zum Einsatz, auch für den Hybrid-Sportler i8 ist Bridgestone Exklusivlieferant. Bridgestone unterstreicht, dass die Effizienzsteigerung keinesfalls zulasten der Trocken-oder Nasshaftung geht.

Reifen für die Autos von morgen bauen

Auch bei Michelin sieht man den Trend zur schlanken Taille. "Durch schmalere Reifen kann man den CO2-Ausstoß bis zu 2 Gramm pro Kilometer reduzieren, ohne Kompromisse bei anderen Leistungseigenschaften einzugehen", so Obernesser. Den Superpneu für alle Fälle sieht er nicht kommen. "Die hohen Anfahrtsdrehmomente sind in puncto Verschleiß eine Herausforderung. Allerdings sind andere Kräfte aufgrund der Fahrzeugperformance bei Elektromobilen viel geringer. Das gibt uns Spielraum. Die zukünftigen Reifenkonzepte werden sich nach den Entwicklungen der Fahrzeughersteller richten." (KAT)