Vor 45 Jahren wurde von der Allianz der erste Crashtest durchgeführt:
AUTO&Wirtschaft hat in der Nähe von München exklusiv nachgeschaut,
was es nach 45 Jahren auf diesem Sektor noch zu forschen gibt.
Wie lassen sich die durchschnittlichen Reparaturkosten eines
Fahrzeuges nach einem Verkehrsunfall standardisiert ermitteln und
vergleichen? Vor dieser Frage stand Max Danner als Cheftechniker der
Allianz. Nach der Auswertung unzähliger Schadenakten konnte Mitte der
1980er-Jahre letztlich der heute noch in modifizierter Konstellation
durchgeführte 15-km/h-Crashtest etabliert werden. Mit diesem Crash
war und ist es möglich, die Kostenunterschiede bei unterschiedlichen
Fahrzeugmodellen, aber gleichartigen Unfallbedingungenzu ermitteln:
eine der vielen Ideen, die im Allianz Zentrum für Technik (AZT)
entwickelt wurden.
Weltweit mit anderen Zentren vernetzt Das AZT, das heute unter der
Leitung von Dr. Christoph Lauterwasser steht, ist eines jener 25
Forschungszentren, die weltweit untereinander vernetzt sind und sich
zum Beispiel im Bereich Unfallinstandsetzung gemeinsam mit den neuen
Materialien bzw. Instandsetzungsmethoden auseinandersetzen. "In der
Crashbahn wird unter reproduzierbaren Bedingungen das zu prüfende
Auto beschädigt, damit in der Werkstatt anschließend Reparaturwege
und -methoden evaluiert werden können", umreißt Carsten Reinkemeyer
als Leiter der Sicherheitsforschung die Arbeitsteilung mit seinem
Kollegen, dem Werkstattleiter Norbert Hermann.
In der Reparaturforschung des AZT werden die gecrashten Fahrzeuge von
erfahrenen und in den neuesten Verfahren und Methoden geschulten
Kfz-Mechanikern, Karosserie-Facharbeitern und Fahrzeuglackierern nach
den Vorgaben und mit Ersatzteilen des jeweiligen Fahrzeugherstellers
instandgesetzt. Durch begleitende Zeitstudien nach der REFA-Methode
werden so die für diesen Schaden tatsächlichen Reparaturzeiten
ermittelt. So können nach Hinzufügen der Preise der benötigten
Ersatzteile die Kosten für den jeweiligen Schaden ermittelt werden.
"Das ist dann einer der Bausteine, die zur Einstufung der
Kasko-Prämien herangezogen werden", erläutert Reinkemeyer, weshalb
durch die Modellflut der Hersteller dem AZT die Arbeit nicht ausgehen
wird. Außerdem werden auf diese Weise auch neue Fügeverfahren oder
Materialien, z. B. CFK, praxisnah erforscht.
Enge Kooperation mit Fahrzeugherstellern Künftig stehen mit
Fahrerassistenzsystemen, Einparkautomatik oder Notbremssystemen neue
Forschungsaufgaben ins Haus. "Immer wenn neue Werkzeuge,
Reparaturmethoden oder Technologie kommen, haben wir die Möglichkeit,
oft schon vor der Markteinführung des neuen Modells mit dem
Fahrzeughersteller hierbei uns im Haus die neuen Methoden oder
Systeme kennenzulernen. Das 30-köpfige Team im AZT ist sowohl mit
interner Forschungsarbeit als auch mit Fremdaufträgen gut
ausgelastet", betont Hermann.
Es geht im AZT um Kraftfahrzeugtechnik und Schadenprävention. Dazu
gehört etwa auch ein Verkehrspsychologe, der sich mit der
individuellen Akzeptanz neuer Sicherheitstechnologien
auseinandersetzt und etwa zu klären versucht, warum trotz aller
Sensoren beim Einparken zum Kummer der Versicherungen oft "das letzte
akustische Signal kein Piep, sondernein Bumm ist".
Ein weiteres Aufgabenfeld der Zusammenarbeit von Reparaturforschern
und Kfz-Technikern sind die Entwicklung und Etablierung neuer,
kostengünstiger Reparaturmethoden. Dabei ist es nicht immer leicht,
die Kfz-Hersteller von deren Notwendigkeit zu überzeugen.
Viele Unfälle bis maximal 30 km/h Ebenfalls zum Team gehört Volker
Wulle, der als Schulungsleiter die Früchte der AZT Forschung den 400
Kfz-Sachverständigen der Allianz und Schadensbegutachtern nahe
bringt. Diese werden dafür jährlich drei Tage mit den neuesten
Erkenntnissen geschult. "Wir arbeiten aber auch themenbezogen mit
Partnern aus der Industrie zusammen, z. B. bei Lkws."
Schließlich ist noch die Unfallforschung zu erwähnen, die durch ihre
statistischen Auswertungen erheblich zu einer zielgenauen Auslegung
von Fahrerassistenz-Systemen beiträgt.
Nach Erkenntnissen der AZT-Unfallforschung liegt der Schwerpunkt
aller Unfälle bei einer Kollisionsgeschwindigkeit bis ca. 30 km/h.
Dieses Wissen ist wichtig, denn dank heutiger Sicherheitskarosserien
wirken sich die dabei anfallenden Energien weniger auf die
Fahrzeuginsassen, sondern in erster Linie auf deren blecherne
Ummantelung aus. Das spart den Versicherern zwar Kosten beim
Personenschaden, dafür steigen die Ausgaben für Sachschäden. So
fördern neue Lichtsysteme den Fahrkomfort und die Sicherheit -dafür
sind es nun aufwendige und teure Scheinwerfer, die schon bei
kleineren Kollisionen verkratzen können oder gar zu Bruch gehen. Was
einerseits die durchschnittlichen Reparaturkosten bei entsprechender
Marktdurchdringung dieser Systeme nach oben treiben und wiederum bei
der Kalkulation der modellindividuellen Kaskotarife zu
berücksichtigen sein wird. Und was andererseits die Forschung zur
Vermeidung auch der leichteren Unfälle begründet.
Beim Elektroantrieb erwartet Hermann reparaturtechnisch keine
zusätzlichen Probleme, wenn die an diesen Fahrzeugen auszuführenden
Reparaturen durch qualifizierte Fachkräfte ausgeführt werden. "Die
Batterien sind so gut abgekapselt -da sind nach Erfahrungen des AZT
bei Unfällen im Stadtverkehr keine Schäden zu erwarten. Wenn ein
Elektrofahrzeug von einer speziell für diese Arbeiten ausgebildeten
Elektrofachkraft spannungsfrei geschaltet wurde, können die Arbeiten
wie bisher durchgeführt werden." Somit sieht er als Lackfachmann auch
bei den Lackierkabinen damit keine Probleme. "Da hat die Luft in der
Trockenkabine ca. 80 Grad, die Objekttemperatur liegt bei ca. 60 Grad
und die in den Batteriezellen gemessenen Temperaturen erreichten bei
AZT-Messungen unbedenkliche Ergebnisse. Dies konnte bei im AZT
durchgeführten einschlägigen Versuchsreihen ermittelt werden", so
Hermann.
Reparaturaufwand soll geringer werden Bei den Forschungsarbeiten geht
es auch darum, den vermehrten Einsatz neuer "unfallfreundlicherer"
Bauteile zu forcieren. Und Wege zu finden, den anschließenden -die
Versicherungen und Autofahrer gleichermaßen belastenden -
Reparaturaufwand zu begrenzen. Parallel dazu sind die Hersteller zur
Reduzierung des CO2-Ausstoßes um Gewichtsreduzierungen bemüht. Daher
erwartet Hermann, dass auch künftig durch neue Konstruktionen,
Materialien und Materialmix im AZT keine Langeweile aufkommt.