Die Techniker sind die Kamele der Kaufleute. Vor allem wenn
Automanager von ihnen verlangen, neue Modelle mit bisher unerreichten
Werten glänzen zu lassen.
Selbst wenn dieser Glanz technisch noch gar
nicht machbar ist. Wie dies vor Jahren den VW-Technikern in den USA
passiert ist, als die Konzernspitze angereist kam, um dort stolz die
neuen Dreiliter-Diesel im Touareg 3.0 TDI und Audi Q7 TDI zu
präsentieren.
Die Techniker machten sie schüchtern darauf aufmerksam, dass diese
Modelle zwar den deutschen, aber nicht den amerikanischen NO
x-Abgaswerten entsprechen. In der EU waren zu diesem Zeitpunkt für
die Euro-5-Modelle für Benziner am Prüfstand 60 Milligramm Stickoxid
pro Kilometer erlaubt, für die Diesel jedoch das Dreifache.In den
USA galten zeitgleich 31 mg/km - egal ob für Diesel oder Benzin. Was
für die US-Behörden kein Problem darstellte, da die dortigen
Autobauer keine Diesel produzierten und deshalb mit der damals für
Diesel unerreichbaren NO x -Vorgabe von 31 mg auch kein Problem haben
konnten. Dem EU-Gesetzgeber schwebte vor, dass diese 180 mg/km vom
Rollenprüfstand 1 :1 auch auf die Praxis übertragbar sind. Doch es
zeigte sich, dass dies unerreichbar war. Tatsächlich kamen die Diesel
auf der Straße durchschnittlich auf einen fünffach so hohen Ausstoß,
lagen somit bei 900 mg/km.
Das war auch den amerikanischen Technikern bekannt. 2014 untersuchte
die amerikanische Non- Profit-Organisation ICCT (The International
Council on Clean Transportation) mit fahrbaren Messsystemen im
Alltagsbetrieb 15 Dieselmodelle mit der damals neu eingeführten
Euro-6-Schadstoffnorm. Während einige der Fahrzeuge das gesetzliche
Limit auch unter realen Fahrbedingungen erreichen konnten, lagen
andere bis zu einem Faktor 25 über den erlaubten Werten. Im
Durchschnitt klafften die Werte vom Rollenprüfstand und jenen im
Alltagsbetrieb um das Siebenfache auseinander.
Nun nahmen die ICCT-Techniker in den USA auch die alten
Euro-5-Modelle unter die Lupe, die am Prüfstand tatsächlich nicht
mehr als 31 mg NO x pro Kilometer ausspuckten. Beim fünffachen
Alltagswert hätten die fahrbaren Messsysteme somit maximal 155
Milligramm anzeigen dürfen. Tatsächlich waren es jedoch jene 900 mg,
auf die diese Diesel auch in Europa kamen. Zuerst ging der ICCT von
Messfehlern aus, erkundigte sich bei den VW-Technikern - und bekam
keine Antwort. Und so erhärtete sich der Verdacht, dass da etwas faul
sein muss. Denn schon 1999 hatte die Environmental Protection Agency
bei Lkws Softwareprogramme entdeckt, die dafür sorgten, dass die
Abgase nur am Prüfstand -und nicht in der Praxis -gereinigt werden,
weshalb die Lkw-Produzenten zu hohen Geldstrafen verdonnert wurden.
Als daraufhin die amtlichen Techniker die alten Euro-5-Diesel genau
unter die Lupe nahmen, stellte sich heraus, dass die von Bosch
speziell dafür entwickelte Software Veränderungen des
Emissionskontrollsystems ermöglichte, wodurch dieses nur am
Rollenprüfstand wirksam wurde. Womit VW klar gegen den Clean Air Act
verstoßen hat. Was in den USA vor allem dann kein Kavaliersdelikt
ist, wenn es einen ausländischen Autoproduzenten betrifft, der
amerikanische Behörden hinters Licht führen will. Bitter für jenen
VW-Techniker, der im Jänner wegen Verschwörung zum Betrug vom FBI
verhaftet wurde und dem nun eine langjährige Freiheitsstrafe droht.
Ein Skandal, der leicht vermeidbar gewesen wäre. Dank der enormen
Fortschritte in der Dieseltechnik wären die VW-Spezialisten 2014
durchaus in der Lage gewesen, die Euro-5-Modelle rechtzeitig zu
adaptieren. Wie sie es nun nach Auffliegen des Skandals erst recht
machen müssen. So glänzen die gängigen Euro-6-Dieselmodelle mit NO x
-Werten,die 1999 noch völlig unerreichbar waren. Der Mazda 6 Diesel
kam beim jüngsten Test am ÖAMTC-Prüfstand auf 10 mg/km, im
Realbetrieb auf 51 mg/km. Der Mitsubishi ASX 1,6 Di schnitt auf der
Straße mit 74 mg/km fast genau so gut ab; der Renault Mégane schaffte
mit seinem 1,6-Liter-Diesel mit 26,7mg/km sogar locker die
amerikanischen NO x - Abgashürden.
Fraglich ist, ob die guten Verbrauchs-und Abgaswerte den Diesel noch
retten können - oder ob ihn die Amerikaner erfolgreich abgeschossen
haben, die mit großvolumigen Benzinern weiterhin hohe CO2-Werte in
die Gegend blasen.