"Hätten wir keine Handwerker mit Migrationshintergrund, könnten wir
zusperren", bringt Markus Fuchs, Direktor der
Siegfried-Marcus-Berufsschule für Kfz-Technik, die Situation des
gesamten Gewerbes auf den Punkt.
In manchen Branchen gibt esüberhaupt keine Lehrlinge mehr. Manuelle,
zeitlich intensive und anstrengende Arbeit ist beim heimischen
Nachwuchs immer weniger gefragt. Auch die Kfz-Branche ist daher mit
einem drastischen Sinken der Lehrlingszahlen konfrontiert. Eine
Lücke, die zunehmend mit Migranten der zweiten Generation gefüllt
wird.
Mehr Fahrzeuge, aber weniger Nachwuchs
"Vor 25 Jahren hatten wir 2.400 Lehrlinge. Jetzt maximal 1.300 und
davon ein Drittel ohne Lehrvertrag." Das liegt in den Augen von Fuchs
nur sekundär am rückläufigen Reparaturbedarf der Fahrzeuge. Denn
zwischenzeitig hat sich der Fahrzeugbestand massiv erhöht. Einerseits
sind die Anforderungen an die Lehrlinge in der Ausbildung stark
gestiegen, anderseits drängen immer mehr Jugendliche aus Imagegründen
in höhere Schulen. "Die sind fürdie Lehre vielfach schon fast
verloren." Fuchs geht es darum, Lehre und Matura kombiniert
anzubieten.
Hinzu kommt, dass das Qualitätsniveau der Schulabgänger nach der
achten Schulstufe generell merklich gesunken ist. So gibt es viele,
die nach Absolvierung der Schulpflicht keinen positiven Abgang
vorweisen können. Voraussetzung für einen Lehrbeginn ist jedoch
"Ausbildungsfähigkeit&Arbeitsfähigkeit". Nach einer Studie der
Robert Bosch Stiftung sind 50 Prozent der Pflichtschulabsolventen
nicht ausbildungsfähig.
Dafür gibt es eine Vielfalt von Gründen: Neben mangelnden schulischen
Qualitäten fehlt es an der notwendigen schulischen Einstellung.
Zusätzlich hemmen starke soziale Einflüsse die Ausbildungsfähigkeit
und es gibt es auch zu wenige niedrig qualifizierte Berufe, in denen
Schwächere doch noch denAusbildungserfordernissen entsprechen
könnten. Das ist auch ein Problem der Kfz-Branche, in der die
Ausbildungsanforderungen weiter im Steigen sind.
Unternehmen suchen natürlich die Besten
Verständlich, dass sich die Unternehmen unter diesen Umständen in
erster Linie jenen Nachwuchs aussuchen, der ihnen brauchbar
erscheint. Nur mehr wenige können sich für die Ausbildung eigene
Lehrwerkstätten leisten. "Großbetriebe wie Porsche, Denzel,
Beyschlag, Pappas oder Wiesenthal", das sind laut Fuchs jene
Lehrplätze, um die sich nach wie vor alle Lehrlinge reißen.
Für eine Differenzierung zwischen Einheimischen und Migranten sieht
er im Kfz-Gewerbe keinerlei Veranlassung. Das gilt nicht nur für die
Schule, sondern auch für die Betriebe, in denen die Lehrlinge
arbeiten. "Wir haben keine Scheu, ein Auto zu kaufen, von dem keine
Schraube aus Österreich stammt", sagt er. Der Migrationshintergrund
spiele nur bei Menschen eine Rolle: "Und das ist unfair." Immerhin
haben laut der Erfahrung von Fuchs viele Autofahrer auch keine Scheu,
ihre Autos im Ausland reparieren zu lassen.
Vom Volksschulniveau bis zum HTL-Abschluss
Für Fuchs ist die Eroberung der Kfz-Werkstätten durch Migranten ein
ganz natürlicher Prozess. In der Vergangenheit haben diese die
einfacheren Geschäftsbereiche wie Gemüsehandel, Friseur oder
Gastronomie besetzt. "Bei den Werkstätten dauert es halt länger. Da
habe ich höhere Ausbildungskriterien und höhere Kosten." Er zieht den
Begriff "Vielfalt" dem Begriff "Migrationshintergrund" vor. Diese
"Vielfalt" sieht er auch beim Image der Automarken - den Franzosen,
Schweden, Italienern oder Asiaten. "Vielfalt ist positiv, Migration
derzeit bereits negativ besetzt", verweist er auch auf die nationale
Vielfalt in seinem Lehrkörper.
Die Schwierigkeiten liegen für ihn nicht in der Völkervielfalt,
sondern in den unterschiedlichen Startbedingungen beim
Ausbildungsbeginn. "Da gibt es in einer Klasse Schüler mit
HTL-Abschluss und gleichzeitig welche mit Volksschulniveau. Das ist
eine echte Herausforderung." Daher müssen seine Lehrer neben
Fachkenntnissen auch über ausgeprägte pädagogische Fähigkeiten
verfügen. Dazu kommt noch ein auch weiterhin rasant steigender
Lehrstoff.
Fuchs blickt dabei auf seine eigene Ausbildung vor 40 Jahren zurück.
"Die Lehrzeit ist gleich geblieben, die Lehrinhalte haben sich
vervielfacht." Dennoch ist er mit den Ergebnissen der dualen
Ausbildung der Jugendlichen zufrieden. "Von den letzten 4. Klassen
hat ein Viertel aller Lehrlinge mit Auszeichnung abgeschlossen und
auch davon war wieder ein Viertel mit Migrationshintergrund. Das sind
jene, die in einem Betrieb langfristig Karriere machen."