Wie, wo und mit wem kann ein geschädigter Lastwagenkäufer am besten
seine Ansprüche gegen das Lkw-Kartell geltend machen? Das war das
Thema einer Informationsveranstaltung, zu der Alexander Klacska,
Spartenobmann Transport und Verkehr, im Jänner alle Betroffenen in
die Bundeswirtschaftskammer eingeladen hatte. Zu den bisher
aufgezeigten Möglichkeiten ergaben sich interessante Alternativen.
Wir schätzen die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der
Fahrzeugindustrie. Aber wir haben zu informieren", sagte Alexander
Klacska und war als "Hausherr" um strikte Neutralität bemüht.
Einigkeit herrschte jedenfalls darüber, dass es eine Absprache der
Bruttopreise gegeben hatte und dass die Kartellbuße von 2,93
Milliarden Euro einen neuen EU-Rekord brachte. Unklar blieb, wie hoch
der durch die Absprachen verursachte Schaden ist.
"Was die da einfordern, haben wir nie verdient"
"Wir sehen gar keine Schädigung. Wir hatten im Wettbewerb dazu gar
keine Möglichkeit", meinte MAN-Prokurist Mag. Franz Weinberger als
Sprecher der Lkw-Produzenten und verwies auf die mehr als 200
Lkw-Verkäufer, "die sich täglich gegenseitig die Aufträge abgejagt
haben". Die von den Rechtsanwaltskanzleien kolportiertenSchadenssummen müssten aus seiner Sicht auch als Bilanzgewinne der
Kartellanten aufzufinden sein. "Was die da einfordern, haben wir nie
verdient." Aus seiner Erfahrung spielten die von den
Wettbewerbshütern angeprangerten Bruttopreislisten in der Praxis
überhaupt keine Rolle. Er sieht daher auchkeine Anzeichen, dass sich
das Preisniveau seit Ende des Kartells signifikant geändert hat.
"Jeder Käufer ist gegen jeden Kartellanten zum Schadenersatz
berechtigt." Der Ulmer Kartellrechtsspezialist Prof. Christian
Langbein brachte die rechtliche Ausgangslage auf einen kurzen Nenner.
Es sei daher ohne Relevanz, ob der Lieferant ein Großhändler bzw.
direkt eine Konzerntochter gewesen sei oder ob es sich um ein
Leasinggeschäft gehandelt habe. Alle Spezialisten sind sich auch
einig, dass aufgrund der neuen EU-Kartellschadenersatzrichtlinie ein
Nachweis eines Verschuldens der Kartellanten nicht mehr erforderlich
ist. Die Käufer brauchen sich nur auf den EU-Bußgeldbescheid berufen,
der vonder Kommission noch im Februar veröffentlicht werden dürfte.
Bis Mitte des Jahres aktiv werden
Ab diesem Zeitpunkt beginnen auch die Verjährungsfristen zu laufen.
Insgesamt war das Kartell von 1997 bis 2011 aktiv. Für
Kartellrechtler Langbein ist es daher wichtig, bereits bis spätestens
Mitte des Jahres aktiv zu werden.
Denn der beliebteste Einwand aller Kartellanten ist, dass der
Anspruch bereits verjährt sei, weshalb diese auch immer versuchten,
Klagen der Geschädigten so lang wie möglich durch Verhandlungen und
Vertröstungen zu verzögern. Für seinen Wiener Anwaltskollegen Dr.
Stephan Polster wird die Sache nicht so heiß gegessen wie gekocht.
Für die in Österreich eingeklagten Kartellschäden gelte
österreichisches Recht. Da beginnt die dreijährige Klagsfrist erst
mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers zu laufen. Eine Schaden
müsse daher erst binnen drei Jahren ab Veröffentlichung des
EU-Bußgeldbescheides eingeklagt werden.
Heikel ist jedenfalls die individuelle Schadensberechnung. Aus
deutscher Sicht muss dafür eine ökonometrische Berechnung vorgenommen
werden. Mit der wird anhand einer von einem Sachverständigen zu
erstellenden Datenbank der hypothetische Einkaufspreis ohne Kartell
dem damals tatsächlich bezahlten Preis abzüglich aller Rabatte
gegenübergestellt. "Da sind dann auch versteckte Rabatte beim
Eintausch des Gebrauchten zu berücksichtigen", sagt Weinberger. Er
glaubt, dass bei einer exakten Berücksichtigung aller
Rabattkomponenten ein Gutachten in vielen Fällen zum Ergebnis
gelangen wird, dass "gar kein Schaden eingetreten ist".
Wie hoch ist eigentlich der Schaden?
Anwalt Polster beurteilt dies naturgemäß optimistischer. Denn die
neue EU-Rechtslage sieht ausdrücklich eine richterliche
Schadensschätzung vor. Und dieses Ermessen wird von Österreichs
Gerichten erfahrungsgemäß einer peniblen Erörterung jedes einzelnen
Lkw-Einkaufes vorgezogen. Sinnvoll sei es daher, vorerst Erfahrungen
eines deutschen Musterprozesses abzuwarten. Danach können die
österreichischen Kläger und die vom Gericht zu ernennenden heimischen
Sachverständigen die Gutachten der deutschen Verfahren
berücksichtigen.
Wohlwollen nicht verscherzen
Der Wiener Anwalt Mag. Eric Breiteneder geht da noch einen Schritt
weiter. Er nützt die Solidarhaftung aller Kartellanten, um mit
Unterstützung eines holländischen Kollegen alle Kartellschäden -
unabhängig vom jeweiligen Lieferanten -gegen DAF in Holland
einzuklagen.
"Die können sich dann untereinander regressieren", sagt er. Diese
Variante habe den Vorteil, dass sich dadurch kein österreichischer
Lkw-Käufer das Wohlwollen seines heimischen Stammlieferanten
verscherzt. Von dieser Solidarhaftung ist nur MAN ausgenommen. Als
"Kronzeuge" des Kartellverfahrens genießen die Deutschen das
Privileg, ihre Fälle ganz individuell lösen zu können, ohne für die
Kartellschäden der anderen Kartellanten zu haften.