Alle Berufstätigen Österreichs sind -mit Ausnahme der Beamten -automatisch Mitglieder irgendeiner Kammer. Die Pflichtmitgliedschaft in den Wirtschaftskammern und Arbeiterkammern wurde sogar mit Verfassungsbestimmungen zementiert. Die meisten Österreicher haben sich auch daran gewöhnt. Allerdings nicht an die Höhe dieser Kammerumlagen. Deshalb steht die KU1 derzeit -wieder einmal -rechtlich am Prüfstand.

Die meisten Autohändler haben, wenn sie an die "Kammerumlage" denken, nur die Grundumlage im Kopf. Sie wird von den Innungen und Gremien selbst festgelegt und mit Zahlschein vorgeschrieben -und sie ist moderat. Daneben sind aber auch noch die Kammerumlage 1 und 2 zu bezahlen. Die KU1 orientiert sich an der Vorsteuer, die KU2 an den Lohnabgaben. Diese beiden Umlagen werden mit den Steuern direkt dem Finanzamt überwiesen - KU1 und KU2 werden daher von den Autohändlern nicht als "Kammerumlagen" beurteilt, sondern als Steuer, die mit der "Kammerumlage" nichts zu tun hat.

Wer addiert, erlebt eine (böse) Überraschung

Autohändler, die sich ihre Bilanz ansehen, müssen daher erst diese drei -an verschiedenen Stellen verbuchten -Zahlungen zusammenrechnen, um ihre gesamte "Kammerumlage" zu kennen. Wer das macht, kann vor allem bei der Höhe der KU1 echte Überraschungen erleben. Wie etwa Dr. Alexander Luger, der in Österreich die Finanzen der AVAG-Gruppe koordiniert. Er stellt sich -wie auch einige andere scharf kalkulierende Unternehmer -die Frage der "Verhältnismäßigkeit" dieser Kammersteuer.

Die KU1 beträgt -vereinfacht gesagt -0,3 Prozent der Vorsteuer eines Unternehmens, somit der Umsatzsteuer, die auf bezogene Leistungen anfällt. Das klingt nach wenig. Sie richtet sich jedoch nicht nach der Ertragskraft eines Unternehmens, sondern ausschließlich nach dem Umsatz. Sie wirkt daher wie eine nichtabzugsfähige Vorsteuer als voller Kostenfaktor. "Deshalb sind Branchen mit niedriger Handelsspanne durch die Kammerumlage benachteiligt", bringt DDr. Hermann Peyerl, Professor für Sozial-und Wirtschaftswissenschaften in Wien, den Frust der heimischen Autohändler auf den Punkt. "Besonders trifftdies Unternehmen, die in eine mehrstufige Absatzkette eingebunden sind, weil dadurch für das gleiche Erzeugnis mehrfach Kammerumlage erhoben wird."

Dennoch hat der Verfassungsgerichtshof diesen "Kaskadeneffekt" bisher akzeptiert. Peyerl verweist auf die Begründung: "Der Umsatz ist nur eines von mehreren Kriterien, nach denen sich die von den Kammermitgliedern insgesamt zu leistenden Beträge richten." Bei der vom VfGH vor 20 Jahren zu prüfenden Beschwerde betrug die KU1 25 Prozent der gesamten Kammerumlage -damit schien den Höchstrichtern diese Umsatzkomponente als eines der Leistungskriterien für die Bemessung der Kammerumlage durchaus angemessen.

Hohe Umlage trotz sinkender Erträge

Die geschröpften Autohändler haben nun die Wirtschaftskammer Österreich darauf aufmerksam gemacht, dass bei den Autohändlern die KU1 rund 60 Prozent des jährlichen Kammerbeitrages ausmacht. Einige haben daher bereits 2014 den Antrag gestellt, für die Autohändler die Bemessungsgrundlage der KU1 herabzusetzen. So habe die KMU Forschung Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer ermittelt, dass das EGT der Kfz-Betriebe im Schnitt der vergangenen fünf Jahre unter 1 Prozent liegt. Angesichts dieser "Ertrags"-Lage müssen viele Betriebe die rein an den Umsatz anknüpfende KU1-Steuer bereits aus der Substanz bezahlen. "Der Hebesatz von 0,3 Prozent der Bemessungsgrundlage ist daher für den gesamten Kfz-Detailhandel unverhältnismäßig", zieht Luger für die Branche nüchtern Bilanz.

Zehn Mal mehr als in Deutschland

ZurÜberprüfung der "Verhältnismäßigkeit" können auch vergleichbare Kammerumlagen in den Nachbarländer herangezogen werden. So rät Luger seinen Branchenkollegen den Blick nach Deutschland: Dort orientiert sich die Höhe des "Handwerkkammerbeitrages" am erzielten Gewerbeertrag. Ein deutscher Betrieb der AVAG-Gruppe mit einem Umsatz von rund 95 Millionen Euro hatte 2015 für diese Interessenvertretung 4.867,80 Euro zu bezahlen. Die mit 37 Millionen Euro wesentlich kleinere österreichische Schwestergesellschaft Bernhard Kandl GmbH in Wien musste 2014 allerdings 36.638,52 Euro an Kammersteuern berappen. Für AVAG-Chef Albert Still gibt es keine nachvollziehbare Begründung, weshalb die Kosten der Interessenvertretung in Österreich -bei durchaus vergleichbaren Leistungen -um mehr als den Faktor 10 höher sind als in Deutschland.

Kein Verständnis haben die kritischen Autohändler dafür, dass die Autohäuser der Autoimporteure für ihren Neuwagen-und Ersatzteilverkauf keine KU1 bezahlen müssen. Eine bisher wenig beachtete Tatsache, die von der WKO jedoch ausdrücklich bestätigt wurde. Eine Regelung, die bei einer Umfrage von "AUTO&Wirtschaft" im Jänner 2015 von allen Gremialobmännern als "ungerecht" beurteilt wurde. "Damit wird der Direktvertrieb von Neufahrzeugen durch den Importeur an Endkunden im Verhältnis zum Vertrieb über unabhängige Autohäuser wettbewerbswidrig begünstigt", sagen die Beschwerdeführer und verweisen darauf, dassmit der Eliminierung des KU1-Kaskadeneffektes automatisch auch diese Wettbewerbsverzerrung beseitigt wäre.

Der stets scharf kalkulierende Ford-Händler Wilhelm Weintritt mit Betrieben in Baden, Neusiedl und Eisenstadt hat sich auch die Kammerausgaben näher angesehen. Mit dem Ergebnis, dass ein Großteil ihrer überproportional hohen KU1 nicht der eigenen Interessenvertretung auf Landesebene, sondern der Finanzierung der Außenhandelsstellen zufließt.

Dies wurde jüngst dem Neos-Abgeordneten Sepp Schellhorn auf dessen Anfrage vom stellvertretenden Generalsekretär der WKO Herwig Höllinger bestätigt. "Das sind Ausgaben, deren Nutzen für den heimischen Autohandel strukturbedingt marginal klein sind", sagt Weintritt. Er sieht darin einen weiteren Grund, dieKU1 beim Neuwagenhandel der freien Autohäuser ersatzlos zu streichen.

Der nächste Anlauf zur Änderung folgt im April

Bisher sind alle derartigen Anträge von der WKO abgeschmettert worden. "Da es sich bei der KU1 um eine Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung handelt, ist zur Entscheidung über deren Höhe die jeweils zuständige Abgabenbehörde berufen", sagte Kammerpräsident Dr. Christoph Leitl im September 2015. Er versuchte, diese heißeKartoffel den Finanzämtern zuzuschieben. Vom Bundesfinanzgericht wurde sie jedoch prompt retourniert. "Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann beschließen, dass Teile der Bemessungsgrundlage außer Betracht bleiben", erläutert das BFG in einem Urteil vom 29. Dezember 2015 den Kammerjuristen die Rechtslage. "Derartige Beschlüsse sind aber dem Erweiterten Präsidium vorbehalten und können nicht von den Finanzbehörden beschlossen werden."

Mittels Säumnisbeschwerden wurde die WKO daraufhin im Jänner dieses Jahres gezwungen, die zwei Jahre lang unerledigten Anträge der Autohändler endlich ordnungsgemäß zu bearbeiten. Am 24. April läuft die ihr dafür gesetzlich eingeräumte Frist ab. Am 20. April stehen deshalb die Anträge der Autohändler auf der Tagesordnung des Erweiterten Präsidiums. Sollte dieses zu keiner für den Autohandel befriedigenden Entscheidung kommen, ist davon auszugehen, dass sich der Verfassungsgerichtshof erneut mit der "Unverhältnismäßigkeit" und "Gleichheitswidrigkeit" der KU1 befassen muss.