Individuelle Mobilität wird auch in Zukunft unverzichtbar sein. Für
den Autohandel bedeutet dies jedoch keine Entwarnung. Er wird sich
einem noch härteren Verdrängungswettbewerb stellen müssen, ist
Branchenvordenker Dr. Alexander Martinowsky überzeugt.
Ist das private Auto ein Auslaufmodell? Droht dem Fahrzeughandel das
"Ende mit Schrecken", das manche Grünpolitiker bereits genussvoll an
die Wand malen? Nein, meinte Dr. Alexander Martinowsky jüngst bei der
"Fabrikatshändlertagung" der deutschen Kfz-Gewerbevereinigung ZDK:
"Individuelle Mobilität wird auch in Zukunft nachgefragt werden. Das
Auto wird das einzig relevante Instrument zur Befriedigung dieser
Nachfrage bleiben." Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass Google
und Apple die Entwicklung eigener Fahrzeuge angekündigt hätten:
"Diese beiden Industriegiganten sind ja nicht gerade bekannt dafür,
in sterbende Branchen zu investieren."
"Wir preisen uns aus dem Markt"
Statt eines drastischen Einbruchs droht dem Fahrzeughandel jedoch ein
Szenario, das sichüberspitzt als "Schrecken ohne Ende" bezeichnen
lässt. Martinowsky, der neben seinen Aufgaben als Vorstand der
Autohandelsgruppe Wiesenthal als Ausschussmitglied im Bundesgremium
des Fahrzeughandels sowie als europäischer Mercedes-Händlersprecher
fungiert, verweist auf die gravierenden strukturellen Probleme der
Branche: "Unser heutiges Geschäftsmodell basiert auf der Annahme,
dass Verluste im Handel durch Gewinne in der Werkstatt kompensiert
werden können." Damit diese Kalkulation aufgehe, würde ein
klassisches Autohaus aber 15 bis 20 Prozent höhere Stundensätze als
eine Markenwerkstätte benötigen, rechnet Martinowsky vor. Der
Vergleich mit freien Werkstätten falle noch dramatischer aus: "Wir
preisen uns aus dem Markt."
Überproduktion auf Händlerkosten
Abhilfe könnten neue Geschäftsmodelle schaffen -etwa ein
"Restmargenmodell", bei dem der Hersteller die Rabattlast stärker
mittrage, oder ein einstufiges Vertriebsmodell, bei dem die Händler
mit Fixbeträgen für ihre Beratungsleistung und ihre Infrastruktur
entlohnt würden. Die Realisierungschancen seien jedoch gering, meint
Martinowsky: "Das heutige Geschäftsmodell, bei dem wir Markenhändler
für die Überproduktion bezahlen, ist für die Hersteller wesentlich
attraktiver als jedes andere System." Dass die Automobilkonzerne aus
eigenem Antrieb die Produktion drosseln, ist laut Martinowsky
ebenfalls nicht zu erwarten: "Bei einer Grenzbetrachtung machen aus
Herstellersicht sogar Geschäfte mit Preisnachlässen von 40 bis 50
Prozent Sinn."
Im Gegensatz dazu kämpft die Mehrzahl der selbstständigen Händler
hart um jeden Euro Ertrag. Vielerorts werden schon 1,5 Prozent
Umsatzrendite als "gutes Jahr" gefeiert. Dieser Wert reiche jedoch
bei Weitem nicht aus, sagt Martinowsky: "Wir benötigen eher 3 bis 4
Prozent in guten Jahren, um die Nullergebnisse derschlechten Jahre
auszugleichen."
"Besser als die anderen"
Ein Patentrezept für den Weg dorthin hat Martinowsky genauso wenig
parat wie sonst jemand in der Branche. Seine Strategie beruht daher
auf einer Optimierung aller Geschäftsbereiche -von schlanken
Prozessen über gut durchdachte Investitionen bis hin zu einem
Internetauftritt, der einerseits die Chancen der "neuen Medien"
berücksichtigt und andererseits darauf Bedacht nimmt, dass die
überwiegende Mehrzahl der Geschäfte nach wie vor im Schauraum
abgeschlossen wird.
"Um zu denÜberlebenden zu zählen, müssen wir uns besser aufstellen
als unsere Markenkollegen", bringt Martinowsky die Perspektive auf
den Punkt: Ein noch härterer Verdrängungswettbewerb im Fahrzeughandel
sei zwar alles andere als erfreulich, erscheine aber unausweichlicher
denn je.