Das Thema "Connected Mobility -The Automotive Revolution" der Autocontact 2015 (29.-30.9., Graz) passte perfekt zumübergeordneten Anlass, hatte sich das Land und die steirische Industrie unter der Schirmherrschaft des Autoclusters ACStyria doch nur einen Tag zuvor als Testregion für autonom fahrende Autos beworben. "Mit der Entwicklung des autonomen Fahrzeugs entsteht für unsere Zulieferbetriebe ein Markt mitmehreren Milliarden Euro", ist sich ACStyria-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Franz Lückler sicher. Um dies Realität werden zu lassen, sei allerdings die Politik gefragt. So verlangt Magna-Steyr-Vorstand Gerd Brusius Anpassungen, "damit die Möglichkeit besteht, autonomes Fahren im rechtlichen Rahmenhierzulande testen zu können". Der Autocluster ACStyria fordert den Verkehrsminister auf, den Artikel 8 des internationalen Wiener Übereinkommens von 1968 zu überarbeiten und "eine Ausnahmeregelung für autonomes Fahren in der Steiermark zu ermöglichen".

Noch weitere Probleme zu lösen

Ganz abgesehen davon hat die Autoindustrie selbst noch einige Hausaufgaben zu machen. So geht etwa ACStyria-CEO Lückler davon aus, das sich die Autoindustrie bis ins Jahr 2030 gravierend verändern wird. Neben "hocheffizienten Antrieben" werde auch "die fortschreitende Digitalisierung" - und mit ihr auch das autonome Fahren -"massiv an Bedeutung gewinnen". Martin Hauschild, Leiter des Verkehrsmanagement bei der BMW Group, formuliert es noch deutlicher: "Wir werden nicht überleben, wenn wir uns nicht verändern!", da auf die Automobilindustrie "in den nächsten Jahren mehr Neuerungen als in den letzten 100 Jahren" zukommen würden.

Dienstleistungen werden wichtiger

So lautet die Kernfrage für die Autoindustrie: Können sich die Hersteller von Produzenten zu Mobilitätsdienstleistern wandeln? Der Grund: Ist das Auto erst mal Teil des Internets-der-Dinge, kommuniziert mit anderen Fahrzeugen, der Infrastruktur und kann wie ein Smartphone mit Apps und Programmen ausgestattet werden, sindvöllig neue Produkte und Services gefragt. Oliver Bahns, Global Director Automotive bei Hewlett-Packard, mahnt deshalb: "Die Entwicklung der Sharing Economy zwingt die Hersteller dazu, die Verschiebung von Käufern zu Nutzern akzeptieren und bedienen zu müssen". Die Industrie müsse an der "Neudefinierung der Hersteller-Besitzer-Verknüpfung" arbeiten: "Es entstehen durch die Vernetzung mehr Berührungspunkte zum Kunden, da er Apps kaufen oder Concierge-Services nutzen wird".

Neue Geschäftsfelder etablieren

Start-ups oder andere Konzerne würden sich bei den neuen, digitalen Dienstleistungen und im Kundenkontakt einfacher tun, sagt Hauschild mit Blick auf Google, Apple&Co. So hat etwa die Sharing Economy schon in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl von neuen Mobilitätsdienstleitungen (z. B.: Mitfahrzentralen, CarSharing, MyTaxi, ParkNow, Moovel, Uber etc.) geführt, die auch von den etablierten Herstellern bespielt werden. Dennoch ist die Branche laut Volks-und Betriebswirt Helmut Becker, der über 40 Jahre für BMW tätig war und nun Institutsleiter des IWKMünchen ist, "nach wie vor auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell".

Er ist sich sicher: "Schlussendlich wird allein der Kunde entscheiden, welche Technologien sich durchsetzen werden oder nicht." Und da gelte der Grundsatz: "Alles, was gegen den Markt -die Natur -ist, hat auf Dauer keinen Bestand." Für ihn ist die Angst der Autoindustrie vor Google und Co. jedoch überzogen: "Es kann keiner kommen und sagen: Ich hab da ein Handy und häng da jetzt ein Auto ran." Gute Autos zu bauen sei keine Kleinigkeit, "dafür brauche man mehr als ein paar abgeworbene Ingenieure".

Offene Fragen

Dass die Autoindustrie ihre Aufgabe und Konkurrenten ernst nimmt, merkt man auch daran, dass in der Diskussion bisher wenig beleuchtete Aspekte auftauchen. So stellte Jens Lagenberg, Projektleiter bei der Volkswagen Konzernforschung, die "Auto-Mensch-Schnittstellen" in den Fokus: "Wenn der Lenker das vollautomatisierte Fahrzeug in schwierigen Situationenüberwachen muss, welche Tätigkeiten erlauben wir ihm dann und wie überwachen wir ihn? Geben wir ihm nur Tätigkeiten im Auto, die wir ihm jederzeit auch wieder wegnehmen können?"

Auch hier spiele die derzeitige Rechtsunsicherheit eine große Rolle, schließlich sei völlig unklar, wer für den Schaden an Leib und Leben hafte, wenn etwa "dem Fahrer seine Laptop-Tastatur bei einem Crash ins Gesicht tätowiert wird". Im Zuge des laufenden Volkswagen-Projekts "AdaptIVe" wird laut Lagenberg gerade an einem Katalog gearbeitet, der diese offenen Punkte klären soll.

Unfälle akzeptieren

Für Hanno Miorini, Vice President Sales bei der Robert Bosch AG, ist die Entwicklung hin zum unfallfreien Fahren "eine gesellschaftliche Verpflichtung", dennoch müsse man sich auch auf Unfälle von selbstfahrenden Fahrzeugen einstellen: "Man wird solch tragische Einzelfälle akzeptieren müssen, weil der gesamtgesellschaftliche Nutzen (Anm.: weniger Verkehrstote) überwiegt." Bis dieser Fall jedoch erstmals eintritt, werden aber ohnehin noch mindestens zehn Jahre vergehen.