In der Vergangenheit war es stets so, dass den Gerichten beim Ausgleichsanspruch der Provisionsverlust als Bemessungsgrundlage diente. Mehr als eine Jahresprovision war für den Gekündigten nicht drinnen. Das war die Judikatur des deutschen Bundesgerichtshofes -und das ist auch die derzeitige Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (OGH) in Österreich.

Für die Händler bedeutet das: Je geringer die Spanne, die ihnen beim Neuwagenverkauf bleibt, desto geringer ist bei einer Kündigung ihr Ausgleichsanspruch. Insbesondere, da die Höchstrichter das Werkstättengeschäft mit dem -für die Hersteller lukrativen -Ersatzteilverkauf völlig unberücksichtigt gelassen haben. Die Hersteller haben somit ein vitales Interesse daran, ihre Händler beim Neuwagengeschäft nichts verdienen zu lassen. Die Murrenden wurden stets abgespeist, dass sie ihr Geld ja beim "after sale" lukrieren können. Diese Taktik ermöglichte es den Herstellern, gekündigte Händler für ihre oft jahrzehntelange Aufbauarbeit mit einem Butterbrot abzuspeisen.

Schallende Ohrfeige für die Justiz

Vor einigen Jahren kämpfte ein Berliner Tankstellenpächter gegen die Tamoil um seinen Ausgleichsanspruch. Die Libyer argumentierten, dass die Tankstelle nichts abgeworfen habe, dem Gekündigten daher auch nichts zu zahlen sei. Die Sache ging bis zum Europäischen Gerichtshof: Der verpasste der deutschen Justiz eine schallende Ohrfeige. Im EuGH Urteil C-348/07 wurde 2009 klargelegt, dass die vom Pächter erwirtschafteten Provisionen keinesfalls dessen Ausgleichsanspruch begrenzen. Artikel 17 der Handelsvertreterrichtlinie sei dahin auszulegen, "dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird". Vor allem, "wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind". Womit der EuGH die ganze bisherige deutsche Rechtslage über den Haufen warf.

Dann kam das Oberlandesgericht Düsseldorf erstmals zur Entscheidung (16 U 47/11), dass "die Provisionsverluste lediglich einen Gesichtspunkt der Billigkeit darstellen". Der ausgleichspflichtige Unternehmervorteil liege "weder in den vom Unternehmen infolge der Vertragsbeendigung ersparten Provisionen noch in dem vom Unternehmen überlassenen Kundenstamm". Das Oberlandesgericht Stuttgart legte klar, dass es um die Chance geht, "die vom Handelsvertreter geschaffene Kundenbeziehung in gleicher Weise zu nutzen wie bisher sowie in der Aussicht auf Unternehmergewinn ohne Provisionszahlungspflicht".

Auskunftüber sämtliche Deckungsbeiträge

Da stellte sich nun die Frage: Wie ist diese Chance in Euro zu bewerten? Wie soll ein kleiner Xerox-Partner wissen, was Xerox an den von ihm verkauften oder verleasten Geräten verdient? Nicht nur an den Geräten, sondern auch an den von Xerox angebotenen Wartungsleistungen für die Druck-und Kopiersysteme.

Dafür hat das Gericht dem Xerox-Partner nun ein Auskunftsrecht eingeräumt. Xerox wurde verurteilt, dem Kläger "Auskunft zu erteilen über die realisierten Deckungsbeiträge für die angeführten Verkäufe von Xerox-Geräten" -und für die mit diesen Geräten realisierten Deckungsbeiträge aus Ersatz- und Verbrauchsmaterialien und den für diese Geräte abgeschlossenen Wartungsverträge. Alle Unterlagen, die für die Entstehung, der Fälligkeit und Berechnung der Deckungsbeiträge wesentlich sind", sind vorzulegen.

Kommt händlerfreundliche Berechnungsmethode wieder?

Nach diesem Urteil geht es somit nicht mehr um den Deckungsbeitrag (Rohertrag) des Händlers, sondern um den Rohertrag des Herstellers, den er dank der Aktivitäten seines Händlers erwirtschaftet hat. Und zwar den gesamten Rohertrag, der aus der Geschäftsbeziehung mit dem Händler resultiert. Womit auch der Ersatzteilverkauf wieder ausgleichsfähig wird. Dieser Rohertrag des Lieferanten dient als Bemessungsgrundlage, die aus Billigkeitserwägungen vom Gericht reduziert werden kann.

Die Idee, beim Ausgleichsanspruch auch die Erträge aus dem Ersatzteilgeschäft zu berücksichtigen, hatte der OGH bereits vor Jahren in dem gegen Mazda ergangenen sogenannten "Teyrowsky-Urteil" (9 Ob 2065/96h). Unter Verweis auf die deutsche Judikatur ist er davon abgekommen. Vielleicht kommt die ursprüngliche händlerfreundliche Berechnungsmethode über den Umweg des Büromaschinenhandels wieder zum österreichischen Autohandel zurück. (KNÖ)