Der Kfz-Versicherungen liebstes Kind sind die sogenannten Totalschäden. Derartige Abrechnungen dienen ihnen in erster Linie dazu, auf dem Buckel der Unfallopfer Geld zu sparen. Schon vor 30 Jahren hat der Oberste Gerichtshof im Urteil 8Ob82/85 klargelegt, dass sich der Geschädigte nicht mit einer derartigen Schadensliquidation zufriedengeben muss.
1985 ging es um einen Volvo 244 GL, Baujahr 1980, den der Kläger 1983 um 115.000 Schilling gekauft hatte. Aufgrund der niedrigen Fahrleistung von 34.167 Kilometern hatte das Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt einen Zeitwert von 100.000 Schilling, das Wrack wäre um 15.000 Schilling zu veräußern gewesen.
Die Versicherung schätzte die Reparaturkosten auf 130.000 Schilling, behauptete einen wirtschaftlichen Totalschaden und zahlte für diesen Sachschaden lediglich den Differenzbetrag von 85.000 Schilling. Der Autobesitzer hatte bei einer Fachwerkstätte jedoch eine Zeitwertreparatur veranlasst und dafür 100.950,48 Schilling bezahlt.
Geschädigter klagte Wertminderung ein
Die Versicherung wollte sich mit ihrer Abrechnung daher zulasten des Geschädigten 15.950,48 Schilling ersparen. Dieser klagte beim Kreisgericht Leoben die vollen Reparaturkosten und eine Wertminderung von 6.000 Schilling ein.
Der OGH gab ihm Recht. Der Kläger sei berechtigt gewesen, "auf tatsächlicher Reparaturkostenbasis abzurechnen, da die tatsächlichen Reparaturkosten einschließlich der Wertminderung den Zeitwert des Fahrzeugs nur unbeträchtlich überschritten haben". Der Minderwert sei positiver Schaden, der neben den Reparaturkosten zu ersetzen sei. Jene Geschädigten, welche fiktive Reparaturkosten fordern und die Reparatur wegen "Untunlichkeit" dann nicht durchführen lassen, wären mit dem Ersatz dieser fiktiven Kosten zweifellos bereichert. "Im vorliegenden Fall kann dem Kläger eine Bereicherung nicht angelastet werden, wenn erdurch eine sparsame Reparatur, die den eigentlichen Zeitwert des Fahrzeugs nicht übersteigt, vollen Naturalersatz erlangt habe."
Ungeachtet dieser höchstgerichtlichen Judikatur versuchen die Versicherungen seit Jahrzehnten, den Eindruck zu erwecken, dass die Zeitwertreparatur als Variante zur Totalschadensabrechnung unzulässig sei. Wenn sie doch akzeptiert werde, erfolge dies nur in "Kulanz". Dass der Geschädigte jedoch die freie Wahl hat, wie er sein Fahrzeug reparieren lässt, zeigte jüngst das Bezirksgericht Donaustadt (20C1764/11f).
Versicherung wollte Unfallopfer "abspeisen"
2011 wurde bei einem Unfall ein sieben Jahre alter Hyundai Santa Fe mit 136.519 Kilometern beschädigt. Die Neuwertreparatur hätte 10.205,60 Euro betragen. Der Wiederbeschaffungswert lag bei 8.300 Euro, der Restwert bei 2.710 Euro. Die Geschädigte musste daher befürchten, statt mit einer von ihr gewünschten Reparatur von der gegnerischen Haftpflichtversicherung mit 5.590 Euro abgespeist zuwerden. Sie beauftragte daher eine Kfz-Werkstätte entsprechend dem von ihr vorweg eingeholten Kostenvoranschlag mit einer Zeitwertreparatur um 8.733 Euro.
Da auch die Unfallsursache strittig war, kam es zum Prozess. Das Gericht bestätigte den Anspruch der Geschädigten, die Zeitwertreparatur voll ersetzt zu bekommen. "Stellt man den Wiederbeschaffungswert von 8.300 Euro in Relation zur fachgerechten Reparatur mit neuen Ersatzteilen mit zu erwartenden Reparaturkosten von 10.205,60 Euro, bedeutet dies, dass am Klagsfahrzeug Totalschaden eingetreten ist. In einem solchen Fall wird dem Geschädigten lediglich der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes des Fahrzeuges zugesprochen."
Allerdings ist beim Schadenersatzrecht -somit bei Haftpflichtschäden -der Grundsatz der Naturalrestitution zu beachten. "Der Geschädigte soll so gestellt werden, wie er ohne schädigendes Ereignis stünde. Die von der Klägerin beabsichtigte Zeitwertreparatur entspricht diesem Prinzip, da es nicht einzusehen ist, warum bei einem bereits sieben Jahre alten Kraftfahrzeug mit hoher Kilometerleistung anstelle der beschädigten alten Teile nunmehr neuwertige Ersatzteile eingebaut werden sollen. Eine Wiederherstellung in den vorigen Zustand wird viel eher dadurch erreicht, dass bei der Reparatur gebrauchte Teile verwendet werden." Der Zustand des Autos nach erfolgter Reparatur entspricht dann "eher jenem vor Eintritt des Schadens, als wenn nur Neuteile verwendet werden".
Aufklärungspflicht der Werkstätten
Abschließend stellte das Gericht klar: "Es erscheint daher keinesfalls angebracht, wenn eine solche Zeitwertreparatur möglich und vom Geschädigten beabsichtigt ist, den Geschädigten auf eine Totalschadensablöse zu beschränken."
Für Werkstätten bedeutet das, dass sie ihren Kunden gegenüber eine Aufklärungspflicht haben. Sie sind die Fachleute, welche die Schadensabwicklung genau so gut kennen wie die Schadensschätzer der Versicherungen. Sie müssen den Geschädigten im Falle einer von der Versicherung gewünschten Totalschadensabrechnung auf dessen Rechte bei der Schadensabwicklung aufmerksam machen.
Und natürlich auf sein Recht auf alternative Reparaturmethoden, mit dem sich im Interesse der Kunden derartige "Totalschäden" vermeiden lassen. Eine Beratung, die zweifellos auch zu einer besseren Auslastung der Werkstätte beitragen kann.
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