Seit Juli 2013 arbeitet die spanische Wettbewerbsbehörde CNMC an der Aufklärung eines 2006 gegründeten Kartells, in dem faktisch alle führenden Automarken vertreten waren. Begonnen haben die Franzosen (Peugeot, Citroën, Renault), die bereits 2006 ihre sensiblen Marktinfos mit den Italienern (Fiat Group) und Spaniern (Seat) auszutauschen begannen. Die beiden Kfz-Beratungsfirmen "Snap-On" und "Urban Science" dienten als Datendrehscheibe und Gremien, wo die angepeilten Marktanteile und Preise abgesprochen wurden.

Wann gehen die Preise rauf, wann runter?

2009 wurde von der Industrie der "Brands Club" gegründet, in dem Snap-On die von den Mitgliedern gelieferten modellspezifischen Marktinfos zu Preisempfehlungen verarbeiteten. Gemeinsam wurde festgelegt, wer zu welchem Zeitpunkt mit seinen Preisen rauf und runter gehen soll. Das fanden auch die amerikanischen Kollegen (GM/Opel, Ford und Chevrolet) praktisch. Worauf sich noch im selben Jahr Toyota dieser illustren Tafelrunde anschloss.

In der Folge wurde beschlossen, mit Urban Science als zweitem Berater das Geschäftsmodell mit dem "Program for Exchange of Information" auf das Werkstättengeschäft auszuweiten. In "After-Sales-Director-Meetings" wurden die Rabattrichtlinien für die Markenwerkstätten fixiert. Letztlich wurden auf separaten "Constructor Days" diese Informationsplattformen mit den Händlernzu einer markenübergreifenden gemeinsamen Marketingstrategie verschmolzen. Da sich damit die Marktpreise stabilisierten, schlossen sich sukzessive alle anderen Marken diesem Datentransfer an.

Resultat: geringere Rabatte für die Kunden

Durch das koordinierte Marketing haben sich die Hersteller zumindest jene "Sondermodelle" erspart, deren Diskontpreise in anderen Ländern -so auch in Österreich - das "normale" Preisgefüge ruinieren. "Damit war es auch möglich, den Kunden geringere Rabatte zu geben." Daher konnte nach dem Urteil der CNMC der Markt komplett reguliert werden. Für alle Autos und das damit zusammenhängende Werkstattgeschäft wurden überhöhte Preise verlangt - und bezahlt. Angeblich wurde jeder Käufer um 1.000 bis 1.500 Euro geschädigt. Den daraus resultierenden "Profit" möchte die CNMC bei Herstellern und Händlern mittels hoher Kartellstrafen abschöpfen.

"Jeder will aus dem Geschäft raus"

Zusätzlich zu diesen Kartellstrafen hat die CNMC die Konsumenten aufgefordert, Händler und Hersteller auf Schadenersatz zu klagen. Viele Händler sind nach der gerade erst überwundenen Wirtschaftsdepression und den hohen Standardvorgaben der Hersteller aber wirtschaftlich kaum in der Lage, auch nurdie Kartellstrafen zu stemmen. "Die VW-Partner stehen jetzt gleich vor zwei Tsunamis: Einmal wegen des Kartellverfahrens und ein zweites Mal wegen der Abgasmanipulationen", verweist der spanische Händleranwalt Alfredo Briganty auf die katastrophale Lage der Händlernetze. "Jeder will aus dem Geschäft raus- aber wohin? Es gibt keine Käufer", sagt er. Daher sind für ihn die Händler Opfer einer verfehlten Politik der Wettbewerbsbehörden in Brüssel.

Diese Meinung vertritt auch sein holländischer Kollege Peter Lodestijn, ebenfalls Mitglied des Händleranwaltsnetzwerkes EDL. Er geht davon aus, dass das in Spanien erfolgreich praktizierte System von den Herstellern auch in andere Märkte "exportiert" wurde. Nur durch die Stärkung der Händlerrechte kann die Unabhängigkeit des Wettbewerbs gesichert werden. Durch das von Brüssel veranlasste Ende einer branchenspezifischen Gruppenfreistellungsverordnung sind die Händler schutzlos den Vorgaben der Hersteller ausgeliefert - und werden dafür jetzt mit Kartellstrafen belegt.

Wo bleibt der versprochene "Code of Conduct"?

Statt der 2013 abgeschafften Kfz-GVO haben die Kfz-Hersteller der Europäischen Kommission und den Händlern einen "Code of Conduct" - eine Art "Verhaltenskodex" -versprochen. In diesem sollten die Branchenregeln für Europas Markenhändler neu fixiert werden.

Komm.-Rat. Mag. Dr. Gustav Oberwallner,Österreichs Vertreter im europäischen Kfz-Gewerbeverband CECRA, verweist neben den in den USA gesetzlich geregelten Einschränkungen des Hersteller-Direktvertriebes auf Mindestvertragsklauseln wie die Sicherung des Mehrmarkenvertriebes, den unbehinderten Verkauf von Markenbetrieben und den Investitionsersatz bei Vertragskündigungen. Nach zwei Jahren sind die Verhandlungen mit den Herstellern und ihren Verbänden (wie etwa die ACEA) Mitte November 2015 endgültig gescheitert.

Wurden Wettbewerbshüter"über den Tisch gezogen"?

Für Lodestijn erweckt das den Eindruck, dass das Oligopol der Autoindustrie die EU-Wettbewerbshüter 2012 bei der Neuregelung des Kfz-Vertriebs über den Tisch gezogen hat. Brüssel könne das Hersteller-Kartell nicht als "spanisches Problem" unter den Tisch kehren. Es sei höchste Zeit für die Kartellwächter, sich einmal in den USA umzusehen. Dort gibt es dank der gesetzlichen Einschränkung der Herstellermacht auch tatsächlich freie Autohändler - und damit zugunsten der Konsumenten auch einen freien Kfz-Markt.