Die Reifenindustrie ist mit den Ertragsprobleme ihrer Händler
konfrontiert. Wir haben die Verantwortlichen nach ihrer Einschätzung
und ihren Strategien gefragt.
AUTO&Wirtschaft: Welche Erwartungen haben Sie für das Geschäft in
der heurigen Sommersaison?
Appel, Semperit: Der späte Winter hat die Lagersituation beim Handel
noch positiv beeinflusst. Die Einlagerungsphase ist gut gestartet und
das Tagesgeschäft wird noch wesentlich zu einer guten Sommersaison
beitragen. Aufgrund von Händlerinformationen erwarten wir eine
leichte Steigerung zum Vorjahr.
Körpert, Apollo Vredestein: Wir erwarten dieselben Mengen wie 2014,
also einen stabilen Markt.
Schramm, Goodyear Dunlop: Dieökonomischen Rahmendaten weisen derzeit
stabile, weitgehend positive Trends für Österreich aus. Auch die
Anzahl an registrierten Fahrzeugen sowie die Zahl der Neuzulassungen
bewegen sich auf historisch hohem Niveau. Bedingt durch die Vielfalt
der Fahrzeugmodelle in Österreich dürfen wir eine weiterhin steigende
Nachfrage nach "High-End-Produkten" erwarten. Das Reifengeschäft im
Speziellen darf, auf einer konstanten Nachfrage basierend, auf der
letzten Sommersaison sowie den Vorjahren aufbauen. Die Lagerbestände
an Sommerreifen im Handel sind moderat und Potenzial bieten die
eingelagerten Sommerreifen, deren Restprofil nach unseren Analysen
mit mehr als 20 Prozent geringer als 3 mm ist. Außerdem gehen wir
davon aus, dass das Reifenlabel mittlerweile vermehrt in den
Kaufentscheidungsprozess einbezogen wird.
Giraud, Michelin: Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen der letzten Jahre
sowie das Abverkaufsniveau des Jahres 2014 deuten darauf hin, dass
der Sell-out 2015 im Vergleich zum Vorjahr zumindest stabil sein
sollte. Die Nachfrage der Endverbraucher nach Winterreifen wird heuer
um rund 3 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr wachsen, was sich
durch den aufgeschobenen Bedarf der Vorjahre sowie durch die
zunehmende Anzahl von Winterreifen-Durchfahrern begründet.
Gmeiner, Bridgestone: Da der Sell-out im Sommerbereich 2014 ziemlich
stabil war, können wir davon ausgehen, dass die Sell-in-Nachfrage für
den Sommer 2015 wieder steigen wird. Auch hier erwarten wir erneut
ein Wachstum im 4x4-Bereich.
Gößler, Nokian: 2015 wird bestimmt für Handel und Industrie eine
große Herausforderung darstellen. Dennoch gehen wir sehr optimistisch
in die Sommersaison.
Mielacher, Pirelli: Es wird ein positiver Trend zu erkennen sein.
Aufgrund der schleppenden Winterverkäufe ist zu erwarten, dass das
Umrüstgeschäft im Sommer stärker wird. Die Schwierigkeit wird mehr in
der preislichen Vermarktung liegen als in der Nachfrage.
Gömmel, Hankook: Unsere Erwartungen für das Sommergeschäft in
Österreich sind durchaus positiv. Wir haben in den beiden letzten
Jahren den Grundstein für kontinuierliches, nachhaltiges Wachstum
gelegt. Mit der Verstärkung unseres Außendienstes, der Definition
unserer Key-Vermarkter und einer konsequenten Neukundenakquise haben
wir wichtige Schritte unternommen, so dass wir für 2015 in Österreich
breiter aufgestellt sind und den Markt noch besser bedienen können.
Positive Impulse erwarten wir auch durch unsere Erfolge im
OE-Geschäft bei namhaften Automobilherstellern in Kombination mit
verschiedenen Marketingmaßnahmen, die unsere Visibilität im Markt
weiter steigern.
Riepl, Falken: Die Sommersaison sehen wir optimistisch, da die
Restlagersituation moderat ist. Dennoch werden die Herausforderungen
weiter hoch sein, weil sich die Umrüstung auf Sommerreifen auch immer
mehr zu einem Saisongeschäft entwickelt.
Ringhofer, Yokohama: Durchaus gedämpft. Im derzeitigen ökonomischen
Umfeld werden keine Höhenflüge möglich sein, Übermengen und
durchwachsene vergangene Saisonen verschärfen die Situation noch
weiter.
Wohlgemuth, Aeolus: Wir gehen sehr optimistisch in die neue
Sommerreifensaison, da wir wieder mit Neuheiten am Markt antreten
können und gemeinsam mit unserem Importeur Reifen Straub im
Pkw-Segment für eine gute Margensituation im Reifenfachhandel sorgen.
Damit belegen wir dem Reifenfachhandel, dass wir unser
Qualitätsversprechen einhalten und auch weiter vorantreiben werden.
Für den Reifenfachhandel wird es immer wichtiger, sich für
verlässliche Partner und auch Produkte zu entscheiden.
Von welchen Neuheiten bei Produkten, Dienstleistungen bzw. beim
Marketing können Ihre Händler profitieren?
Gmeiner, Bridgestone: Für diesen Sommer bringen wir zwei neue Reifen
für die Klein-und Kompaktwagen-Klasse auf den Markt: den Bridgestone
B280 und den Firestone Multihawk2. Bei unseren wichtigen Partnern
bieten wir maßgeschneiderte, Sell-out unterstützende Maßnahmen an wie
unter anderem die Test our Best-Aktion, beider Käufer von
Bridgestone Sommerreifen eine Prepaid MasterCard erhalten können.
Ringhofer, Yokohama: Der klassische Reifenhandel muss sich noch
weiter um das Image des "Fachbetriebes" bemühen. Einfach nur Reifen
zu verkaufen, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren, vielmehr muss
man -je nach Möglichkeiten -über Zusatzangebote nachdenken. Dass sich
die Konsumenten immer mehr hin zu "Geiz ist geil" entwickeln, darf
nicht als Übel, sondern muss als Chance gesehen werden. In dieseRichtung muss das Marketing gehen, um Kunden zu halten und neue zu
gewinnen.
Wohlgemuth, Aeolus: Wir bieten mit unserem Importeur für ausgewählte
Kunden -wir nennen diese Service-Value-Partner (SVP) -ein
Shop-in-Shop-System an, welches unsere Markenwelt in sympathischer
und attraktiver Weise repräsentiert. Neben digitalen und gedruckten
Informationen haben die Kunden unserer Partner die Gelegenheit, in
einer Lounge-Atmosphäre und damit in einer angenehmen Umgebung auf
ihr Fahrzeug zu warten. Hiermit schaffen wir für den Reifenfachhandel
eine Umgebung, die es ermöglicht, unsere Produkte auf hochwertige
Weise vorzustellen und mit dem so dringend benötigten Rohertrag
vermarkten zu können.
Riepl, Falken: Wir stellen heuer zusätzliche Dimensionen in den
bewährten Profilen zur Verfügung. Ebenso wurde die
Runflat-Dimensionspalette erweitert. In Sachen Service wird in Kürze
eine Customer Specific Hotline eingerichtet, unter der sich unsere
Mitarbeiter gezielt um Kundenanfragen aus Österreich kümmern können.
Auch wirdunsere erfolgreiche Kampagne "Falken sagt Tanke"
fortgesetzt, bei der wir den Endkunden mit einem Tank-und
Warengutschein belohnen. Um mehr Präsenz in Sachen Retail zu zeigen,
wird es verstärkt verkaufsbildende Maßnahmen für Händler geben, die
den Abverkauf fördern.
Appel, Semperit: Für die Sommersaison erscheint mit dem "Semperit
Speed Life 2" erstmalig ein Reifen mit innovativen
Abnutzungsindikatoren auf der Lauffläche. Diese Indikatoren helfen
dem Endverbraucher, mögliche Achsfehlstellungen zu erkennen bzw.
zeigen die Verringerung der Nässe-Performance durch Abnutzung. Mit
einer Dimensionsausweitung im oberen Zoll-Segment erreichen wir eine
über 90-prozentige Marktabdeckung. Unser gesamtes Produktportfolio
aller Marken ist somit noch breiter aufgestellt als zuvor.
Gömmel, Hankook: Wir werden unseren Händlern ein um zusätzliche
attraktive Dimensionen erweitertes Line-up im
Ultra-High-Performance-Bereich anbieten. Damit können unsere
Handelspartner die Kundennachfrage nach Produkt-Highlights noch
besser bedienen. Auch das Hankook-Master-Programm, mit dem wirunseren Kunden in unseren Partnerwerkstätten Premiumservice rund um
ihre Hankook-Reifen anbieten, wird im österreichischen Markt weiter
ausgebaut,
Mielacher, Pirelli: Pirelli führt einen All-Season-Reifen ein,
welcher auch mit einer Snow-Flake-Markierung qualitativ mehr als
entsprechen wird. Uns ist es wichtig, den Sell-out der Händlerschaft
zu unterstützen und wir führen aus diesem Grund auch in dieser
Sommersaison unsere mehr als erfolgreiche "Tyre-Life"-Aktion weiter.
Schramm, Goodyear Dunlop: Unsere beiden Premiummarken Goodyear und
Dunlop bieten mit dem EfficientGrip Performance sowie dem Sport
BluResponse erstmals Ausführungen mit A/A Labelwerten in gängigen
Größen. Insgesamt verfügt das Sommersortiment über eine
Top-Label-Performance, was den Sell-out gemeinsam mit hervorragenden
Testergebnissen unterstützt. Im UHP-Bereich punkten wir mit
Top-Produkten wie dem Goodyear Eagle F1 Asymmetric 2 oder dem Dunlop
Sport Maxx RT. Darüber hinaus bieten wir bei beiden Marken attraktive
und bewährte Prämienaktionen.
Körpert, Apollo Vredestein: Wir haben unser Produktportfolio
erweitert, es wird für den Sommer kein neues Profil geben. Uns steht
der erst im letzten Herbst neu eingeführte Ganzjahresreifen Quatrac 5
zur Verfügung. Der vorsichtigen Einlagerung tragen wir durch erhöhtes
eigenes Lager Rechnung.
Gößler, Nokian: Zu unserer sehr aktuellen Produktpalette bieten wir
heuer viele Produktneuheiten (zLine SUV, Line SUV, Rotiiva AT Plus,
cLine) mit besonderen Eigenschaften. Um den Point of Sale zu
unterstützen, setzen wir auf "Zufriedenheitsgarantie" und Marketing
in neuen und traditionellen Medien.
Im klassischen Reifenhandel wird die Ertragslage immer schlechter.
Welche Strategien helfen aus der Krise? Was können Sie als Industrie
zur Verbesserung der Situation beitragen?
Körpert, Apollo Vredestein: Wir haben eine paneuropäische Preisliste
mit entsprechend abgestimmten Preisen und Konditionen. Wir achten
besonders darauf, dass mit unseren 2 Marken möglichst hoher Profit
erzielt werden kann.
Wohlgemuth, Aeolus: Wir von Aeolus Tyres sehen, dass der
Reifenfachhandelüber ein enormes Reifenwissen verfügt. Leider findet
aus unserer Sicht die Transformation von diesem Wissen in Beratungen
noch viel zu wenig statt. Hier sehen wir ein riesiges Potenzial für
den Reifenfachhandel. Leider ist die Verführung, die Produkte stark
über einen niedrigen Preis zu vermarkten, weiterhin und zunehmend
sehr groß. Ich möchte den Reifenfachhandel wirklich anregen, die
eingetretenen Wege zu verlassen und damit ein Umdenken in der
Vermarktung zu starten. Beispielsweise könnte man die "geübten"
Begrifflichkeiten wie: Segment Premium, Quality und Budget ganz aus
der Argumentation entfernen und lieber die Kunden da abholen, wo
diese einen messbaren Nutzen erfahren können. Klar, diese
Denkstrukturen abzulegen, das geht nicht von heute auf morgen. Nur
wenn ich heute nicht damit starte, sitze ich morgen immer noch im
selben "Hamsterrad" und wundere mich, warum mir dieMarge durch die
sogenannten Premiumprodukte nicht ausreicht.
Schramm, Goodyear Dunlop: Generell ist das allgemeine Handelsumfeld,
nicht nur im Reifenfachhandel, in den letzten Jahren mit immer
stärkerem Preisdruck und mit hoher Preistransparenz konfrontiert
worden. Eine zunehmend schwierigere Differenzierung der Produkte
sowie die extrem hohe Erwartungshaltung der Endverbraucher kommen
erschwerend hinzu. In einer solchen Situation gilt es, gemeinsame
strategische Partnerschaften aufzubauenund in Allianzen zu arbeiten.
Von Seiten der Industrie unterstützen wir vor allem mit qualitativ
hochwertigen Produkten, entsprechenden Schulungsmaßnahmen und
Endverbraucheransprache über verschiedene Medienplattformen.
Ringhofer, Yokohama: Die Ertragslage wird zusehends schlechter und
eine Erholung ist derzeit nicht in Sicht. Daher ist verstärkt
unternehmerisches Denken und Handeln gefragt, simple
Aufschlagskalkulationen funktionieren nicht mehr. Der Reifenhandel
muss sich klar darüber werden, wer aus der anbietenden Industrie der
Partner für die Zukunft sein kann.
Gömmel, Hankook: Der Preisdruck wird ja nicht unwesentlich vom
Plattformgeschäft forciert, hier muss auch der klassische
Reifenhandel seine Hausaufgaben machen. Meiner Meinung nach hilft
hier nur eine beidseitige Erklärung für eine konsequente
Partnerschaft, welche dann aber auch unbedingt beiderseits gelebt
werden muss und sich nicht auf eine einseitige Vorteilsannahme
beschränken darf.
Mielacher, Pirelli: Als Industrie müssen wir sehr an der
internationalen Preisstellung arbeiten. Dies ist jedoch nicht die
einzige Lösung bzw. Ursache. Schulungen müssen mehr Platz finden und
Dienstleistung dem Endverbraucher bewusster gemacht werden. Giraud,
Michelin: Der Reifenfachhandel hat deutlich erkannt, dass der
Servicebereich die entscheidende Komponente geworden ist, um die
Ertragslage zu verbessern. Wir haben mit der Michelin
Qualitätspartnerschaft und den dort zur Verfügung gestellten
Standardprozessen im Reifenfachhandel eine Unterstützung im Angebot,
das ein sehr starkes Unterscheidungsmerkmal ist. Der zertifizierte
Fachbetrieb kann mit dem Label gegenüber dem Endverbraucher auf seine
besondere Qualifizierung hinweisen.
Appel, Semperit: Wir befinden uns in einer stagnierenden
Marktsituation. Es wird nötig sein, neue Angebote für den Verbraucher
zu konzipieren. Kosten und Prozessmanagement werden in Zukunft noch
wichtiger werden. Die steigende Markttransparenz verändert viele
wichtige Funktionen der Vergangenheit. Die mittel-bis langfristige
Ausrichtung unterstützen und begleiten wir aktiv.
Riepl, Falken: Wir werden unseren Weg weiter konsequent fortsetzen
und stehen für faire länderübergreifende Abgabepreise, eine
Vermarktung mit Augenmaß. Mit guter Verfügbarkeit und entsprechender
Logistik wird zusätzlich unterstützt.
Gmeiner, Bridgestone: Wettbewerbsfähige Einkaufspreise wie die
MasterCard Aktion können dazu beitragen, im Sell-out einen positiven
Ertrag zu bewirken. Bridgestone investiert zudem in
markenunterstützende Maßnahmen, wie zum Beispiel das Sponsoring des
FIS Ski-Weltcup oder das Engagement in der MotoGP-Rennserie, um die
Markenbekanntheit und -akzeptanz zu erhöhen.
Gößler, Nokian: Wichtig zur verbesserten Ertragslage sind
Topprodukte, die wir bieten, mit sehr guten Testergebnissen und
besonderen Innovationen. Ebenso unterstützen wir den Großhandel mit
unserem Partner Konzept NAD. Diese Innovationen müssen allerdings vom
Handel angenommen/umgesetzt werden,damit dieser sich nicht
ausschließlich auf den Preis reduzieren lässt. (RED)