Die Konsequenzen werden erst später spürbar werden, wenn den Großhändlern der Finanzierungsdruck zu groß wird und der große Abverkauf stattfindet. Die Preise werden wieder purzeln und damit einmal mehr die Margen. Laut Prognosen vom deutschen Reifenverband BRV ist die durchschnittliche Umsatzrendite der Reifenfachbetriebe bereits negativ. BRV-Vorsitzender Peter Hülzer fordert daher die Industrie auf, bei ihren Partnerschaften mit Großhändlern betriebswirtschaftliche Vernunft vorzuschreiben. Ein guter Ansatz, der vermutlich genau so illusorisch ist wie die Hoffnung, dass die Reifenindustrie ihre Überproduktion zugunsten vernünftiger Verkaufspreise herunterfährt. Der Grund dafür ist ebenso einfach wie problematisch.

Genauso wie die Kurzzulassungen den Neuwagenmarkt verfälschen, zeigt der Sell-in ein falsches Bild der Reifenverkäufe. Der Konzernstratege sieht lediglich die -bei uns auf Seite 6 veröffentlichten -Pool-Zahlen, die zwar erfreulich, aber bekanntlich weit von den tatsächlichen Verkäufen an Endkunden entfernt sind. Unbedeutend ob er mit diesen Sell-in-Zahlen zufrieden ist oder nicht, nächstes Jahr muss es selbstverständlich "mehr" werden. Auf Basis dessen werden schließlich die Produktionszahlen festgelegt. Die Landesverantwortlichen spielen mit, sonst wären sie die längste Zeit Landesverantwortliche gewesen. Die Wahrheit vom Markt möchteman in der Zentrale nicht hören.

Nachdem die Lager noch voll sind, erhöht sich die Differenz zwischen Sell-in und Sell-out erneut, bis es wieder zu einem Crash kommt. Der Preisund der Margendruck werden dabei jedes Mal höher.

Der Reifenfachhändler kann nichts davon beeinflussen. Seine Aufgabe ist es, seinen Markt richtig einzuschätzen. Er kann sich nur "um seinen Betrieb und um seine Region kümmern", wie VRÖ-Obmann James Tennant richtig ausführt. Und er muss sein Geschäft so gut wie möglich betreiben.

Die Voraussetzungen sind -auch wenn es für die gebeutelten Reifenbetriebe zynisch klingen mag -gut wie schon lange nicht. Noch nie war ein Reifenwechsel aufgrund von RDKS so kompliziert, noch nie waren so viele verschiedene Automodelle, Reifen, Felgen und Sensoren auf dem Markt. Nur der Spezialist kann diese Produkte für den Konsumentenrichtig zusammenführen.

Die Automobile waren noch nie so komplex, es wäre schade, wenn man das moderne Fahrerlebnis mit dem falschen Gummi zerstört. Es braucht echte Spezialisten und deren Arbeit muss auch etwas wert sein. Wie unser Klosterneuburger Nachbar und Reifen-Routinier Wilfried Fleischmann richtig sagt: "In den meisten Branchen kostet die Dienstleistung mittlerweile deutlich mehr als das Produkt." Nur im Reifengeschäft schämt man sich noch immer, adäquate Preise für die Dienstleistung zu verlangen.

Die Leistung muss etwas kosten, aber es muss dem Kunden auch etwas geboten werden. Das Einkaufserlebnis ist heute selbstverständlich, egal ob man das Möbelhaus, den Elektronik-oder nur den Supermarkt besucht. "So möchte der Kunde auch betreut werden, wenn er 18-Zoll-Räder für sein SUV kauft", ist Christian Thaller von Alcar Heringrad überzeugt. Mit Beratung, Betreuung, Auswahl, etwas Emotion und natürlich mit perfekter, fachmännischer Arbeit kann der Reifenfachhandel überleben. Nur mit dem billigsten Reifen kann er das nicht.