Da können Sie sagen, was Sie wollen: Beim Alex piept es. Kaum hat er sich sorgfältig hinters Steuer geschlichtet und die Startprozedur des Defenders eingeleitet, die von einem herzigen Countdown des Drehzahlmessers begleitet wird, beginnt schon das eindringliche Fiepen. Und der Drehzahlmesser ist garkein Drehzahlmesser, zumindest stehen da Kilowatt als Einheit. Irgendwie komisch, gell. Ebenso wie das Knopferl für die Hill Descent Control neben dem Terrain Response System. "Echt jetzt?", werden Sie vielleicht fragen und "Echt jetzt!", würden wir antworten. Seit Jahrzehnten ist der Defender zwar nicht als SUV, aber zumindest als UV bekannt, ganz im Sinne von Winston Churchill: No Sports. Just Utility Vehicle. Außer, man betrachtet das Vorschlagen einer Fahrtrichtung mittels Lenkrad bereits als körperliche Ertüchtigung. (Wofür es handfeste Argumente gäbe.) Als Basisfahrzeug für Expeditions- und Feuerwehrfahrzeuge glänzen Defender ebenso wie als Geräteträger oder mobiler Stationärantrieb. Kreissägen, Pflüge. Er rangiert Eisenbahnwaggons. Und so weiter. Und jetzt auch mit Strom.

Exakt 7 Defender hat Land Rover zu einem "All-Terrain Electric Research Vehicle" umgebaut und in einem davon sitzen wir jetzt, als letzte Gäste des Tages. Einige Stunden Betrieb hat der Wagen schon hinter sich, eine allerletzte Runde noch vor sich. Ein Alex fährt, ein zweiter fährt bei und Petr von der tschechischen Land-Rover-Experience-Truppe schickt Stoßgebete zu Fiacrius von Meaux, dem Schutzpatron der Fuhrwerker. Denn die Piepserei kommt nicht vom Gurtwarner, die Piepserei kommt vom Akkustand: Bedrohlich klebt der Zeiger am roten Strich, ein gelbes Lamperl mahnt zum Einkehrschwung an die rettende Steckdose. So verlassen wir den Parkplatz, unbekümmert, voll frischen Mutes. Wir beide vorn zumindest, Petr am Rücksitz weniger.

Rund 70 Kilometer beträgt die Reichweite des Versuchsträgers, "Prototyp" wäre weit übertrieben. Es ist ein rollendes Labor für härteste Offroad-Bedingungen, bei denen dennoch kein Auspuff aufsetzen wird. Weil keiner da ist. An eine Serienfertigung ist nie und nimmer gedacht, nachdem zwischen Atacama und Kalahari ebenso selten Steckdosen zu finden sind wie im Darién Gap. Einer der glorreichen Sieben parkt beim am längsten amtierenden Thronfolger der Welt. Er (vermutlich eher einer seiner Lohnempfänger) nutzt den Wagen im Rahmen der ausgedehnten biologischökologischen Schrebergärtnerei in Cornwall ("The Prince"s Countryside Fund", www. princescountrysidefund.org.uk). Der grüne Singlecab-Pickup, den wir letztes Jahr anlässlich Land Rovers Geburtstagsfeier auf Packington Estate fahren durften, verdingt sich als Bummelzug-Lokomotive beim Eden Projekt (www.edenproject.com). Dass er das Zeug dafür hat,war nach einem ersten Test klar: Da zog der E-Defender einen 12 Tonnen schweren Anhänger eine 13-prozentige Steigung hinauf. Ein weiterer Electric Defender wird auf einer südafrikanischen Farm bei Gästesafaris eingesetzt. Damit die sensiblen, scheuen Wildtiere nicht vom nagelnden Diesel in die Flucht getrieben werden. Elektromobilität ist ja bekanntlich lautlos.

Guter Witz! Wer so was behauptet, ist noch nie mit einem Electric Defender gefahren. Unter der Haube hat sich statt des Dieselmotors ein 410 Kilogramm wiegender 300-Volt-Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 27 kWh breitgemacht. Damit ist der Wagen knapp rund 100 Kilogramm schwerer als das Serienmodell eines 110ers (je nach Karosserievariante beträgt das Leergewicht jetzt 2.055 bis 2.162 Kilogramm). Der Elektromotor mit 70 kW bzw. 95 PS Leistung ist vergleichsweise bescheiden dimensioniert. Undja, zugegeben, beim Umdrehen des Schlüssels hörst du (so die Batteriewarnung einen Frieden gibt) genau nix, aber wenn sich der nominell nur 330 Nm hohe Drehmomentberg (allerdings, wie bei Elektromotoren üblich, ab Drehzahl Null) anschickt, den Defender in Bewegung zu setzen, ist the sound of silence schnell Geschichte. Der elektrische Defender besitzt statt des langen Hebels, mit dem man üblicherweise die Zahnräder durchs Öl schiebt, ein einstufiges, mit dem Faktor 2,7 fix untersetztes Getriebe und dessen Zahnkränze singen unbekümmert ihr Lied (nur wird halt selbiges nicht vom akustisch in jeder Betriebssekunde dramatisch überlegenen Dieselmotor vernagelt). Auch der Allrad-Antriebstrang, samt Mittelsperre ganz naturbelassen aus der Serie übernommen, trägt das Seine zur Geräuschkulisse bei.

Im Schiebebetrieb, wenn kinetische Energie wieder in elektrische Ladung zurückgemodelt wird, ändert sich die Tonlage im Unterbau. Bis zu 80 Prozent beträgt der Rekuperationsfaktor, entsprechend überzeugend ist die Motorbremswirkung. Sorry, Generatorbremswirkung natürlich. Auch per Hill Descent Control kann die zwischen 2 Höhenschichtlinien liegende Potenzialdifferenzelektrischen Vorrat erzeugen - bis zu 30 kW können damit rückgespeist werden. Der Akku selbst lässt sich übrigens mit seiner doppelten Kapazität, also bis zu 54 kW Leistungsaufnahme, laden, ohne dass dadurch seine Lebensdauer beeinträchtigt wird. Sagt Land Rover zumindest. Alles in allem kommt der Strom-Defender im Kriechgangs-Optimalfall auf satte 8 Stunden Einsatzdauer, bevor er wieder ans Kabel muss. Ein 7-kW-Schnellladegerät erlaubt die Aufladung des Akkus in 4 Stunden, während mit einem 3-kW-Standard-Ladegerät gute 10 Stunden benötigt werden.

Aber von Kriechgang ist wenig Rede, wenn Motorjournalisten ans Volant gelassen werden. Die geben gern Vollgas, sorry, Vollstrom natürlich. Bis zu 65 km/h sind machbar, wenn du nur einen kurzen Weg, den dafür aber zügig, zurücklegen möchtest. Und darum drehen wir nach ein paar Fotos mit rapsgelbem Hintergrund schnell wieder um, es geht auf direktem Weg ins grobstollige Gelände. 80 Zentimeter Wasser schafft der Defender dank der Abdichtung der Stromabteilung, 30 mehr als beim Fossilverbrenner-Serienmodell und theoretisch ginge da noch was. Akku, Wechselrichter und Motor werden luftgekühlt. Probleme bekommt ohne Zusatztuning aber die Standheizung, die notgedrungen an Bord ist (und für die auch ein Treibstofftank benötigt wird).

Auf einem moderaten Bergaufstück stoppt Alex plötzlich und schaut verlegen in die Runde. Was heißt bloß "rien ne va plus" auf tschechisch? Nur das Piepserl hat noch Saft. Zurück rollen wir mithilfe der Schwerkraft, das Umdrehen geht sich auch noch aus und mit einer kreativen Kombination aus Schwung, Restkapazität und origineller Interpretation von Vorrangregeln schaffen wir es, die wenigen hundert Meter bis zum Basislager, dem Hotel Agnes in Bohdaneč. Knapp vor der Steckdose rollt der Electric Defender aus. Auf liniengetreues Einparken wird verzichtet, den Rest macht die Kabeltrommel. Apropos Einparken: Der Electric Defender schafft die 65 km/h auch im Rückwärtsgang. Aber erst morgen, wenn der Akku wieder voll ist.