In der Kfz-Branche sind die "Restwertermittlungsplattformen" der Versicherungen seit langem ein heißes Eisen. Kürzlich wurde das Thema aber auch dem Durchschnittsbürger nähergebracht: Ing. Mag. Hubert Aichlseder, der Kärntner Landesgremialobmann des Fahrzeughandels, griff im ORF den Anlassfall des geschädigten Architekten Hannes Pilgram auf. "Die Wrackbörse ist eine Einrichtung der Versicherungen, damit sie sich im Schadensfall Geld sparen können", lautet die eindeutige Kritik von Aichlseder. Wenn Restwerte von Online-Bietern in die (manchmal völlig unplausible) Höhe getrieben werden, liegen die Folgen für Konsumenten wie Pilgram auf der Hand: "Der Kunde bekommt meistens den Zeitwert, kann aber kein gleichwertiges Auto dafür bekommen."
Verhängnisvolle Definition
Der Grund für den Ärger, den immer mehr Autofahrer nun offen artikulieren, liegt im Kleingedruckten. Beim Haftpflichtschaden hat der Geschädigte die Sicherheit, Reparaturen bis 110 Prozent des Zeitwertes seines Autos ersetzt zu bekommen. Nicht jedoch beim Kaskovertrag: In dem versteckt der Versicherer, wieer einen Totalschaden definiert, wobei es ausschließlich darum geht, im Schadensfall möglichst wenig zahlen zu müssen.
Laut den vomÖsterreichischen Versicherungsverband herausgegebenen allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Kaskoversicherung liegt ein Totalschaden vor, wenn "die voraussichtlichen Kosten der Wiederherstellung zuzüglich der Restwerte" den "Wiederbeschaffungswert" übersteigen. Eine Definition, mit der es möglichist, fast jeden Kasko-Schaden zum Totalschaden zu erklären. Vor allem, wenn die Versicherung den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs möglichst niedrig und den Restwert möglichst hoch ansetzt.
Damit das funktioniert, haben die Versicherer die Wrackbörse erfunden. Der dort für das beschädigte Fahrzeug erzielte Höchstpreis wird von den Versicherungen zum "Marktwert" erklärt. "Aber nur, wenn der Höchstpreis nicht absurd ist", schränkt Dr. Erik Eybl, Schadenschef der Generali Versicherung, ein.
Preis oder Wert?
Im Hintergrund steht die Frage, ob bei der Schadensbemessung im Totalschadensfall der nach objektiven Kriterien ermittelte Restwert im Sinn eines durchschnittlich zu erwartenden Schätzwertes heran zu ziehen ist - oder aber ein konkretes Preisanbot eines bestimmten Interessenten, das im Rahmen der Wrackbörse abgegeben wurde, was dem Interesse der Versicherungen als Erfinder der Wrackbörsen entspricht.
Der Preis ist ein Geldbetrag, der zufällig für ein bestimmtes Wirtschaftsgut geboten wird. Der Wert ist hingegen ein repräsentativer Durchschnittspreis - als Mittelwert - von mehreren konkreten Preisen. Der in den Versicherungsbedingungen angeführte "Wiederbeschaffungswert" wird mit automatisierten Marktbeobachtungsprogrammen marktkonform ermittelt. Im Gegensatz dazu wird von den Versicherungen für das beschädigte Fahrzeug jedoch kein Mittelwert erhoben, sondern das höchste Wrackpreisangebot der Schadensregulierung zugrunde gelegt. Zur Feststellung der richtigen Wertdifferenz kann allerdings immer nur Gleiches mit Gleichemin Beziehung gesetzt werden. Die von den Versicherungen vorgenommene Unterscheidung in Durchschnittspreis für die Fahrzeugwiederbeschaffung und Höchstpreis für die Wrackbewertung ist daher methodisch bedenklich. Das führt dazu, dass bei der Schadensbemessung Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Richterin bezweifelt Sinn
Dr. Anneliese Kodek, Richterin am Oberlandesgericht Wien, hat sich zu diesem Thema schon vor drei Jahren in der "Richterzeitung" zu Wort gemeldet. "In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Schadenersatzrecht weder der Haftpflichtversicherung des Schädigers noch dem Sachverständigen die Pflicht auferlegt, einen Käufer für das Wrack zu suchen oder den Verkauf zu vermitteln oder gar abzuwickeln", bezweifelt Kodek den Sinn einer derartigen Wrackbörse. "Bei der Schadensbemessung ist nur der vom Sachverständigen nachvollziehbar ermittelte objektive Restwert im Sinne eines durchschnittlich zu erwartenden Verkaufserlöses der Schadensberechnung zugrunde zu legen."
Neue Wege zur Wertermittlung
Dafür gibt es bereits konkrete Kalkulationssysteme. "Dabei wird überlegt, zu welchem Preis ein durchschnittlicher inländischer Händler das beschädigte Fahrzeug gerade noch einkaufen kann, um unter Berücksichtigung allfälliger Erträge aus der Ersatzteilverwertung noch einen ausreichenden Gewinnzu erwirtschaften", erläutert der Innsbrucker Sachverständige Wolfgang Ottlyk die Zukunft einer wirtschaftlich nachvollziehbaren Ermittlung von "Restwerten".
Sein Tiroler Kollege Ludwig Gwercher sieht in dieser objektiven Methode auch Vorteile für die Versicherungen. "Damit kann die Restwertermittlung sehr schnell erfolgen; die mit den Wrackbörsen verbundenen Kosten, die langen Wartezeiten und auch die Gewährleistungsprobleme entfallen. Rechtssicherheit und Transparenz der Abrechnung werden dadurch deutlich erhöht", meint der Sachverständige.
Fragwürdige Schadensminderungspflicht
Eine Differenzierung zwischen Preis und Wert scheint Eybl freilich nicht erforderlich: "Das ist für uns kein Thema". Vor allem, da auch die meisten Richter diesen Unterschied nicht berücksichtigen - und was den Richtern recht ist, kann den Versicherern nur billig sein.
Darüber hinaus verweist Eybl auf die "Schadensminderungspflicht". Nach dieser von den Versicherungen propagierten "Pflicht" forschen Juristen im dafür zuständigen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch allerdings vergeblich. Es handelt sich um eine "Pflicht", nach der sich Betroffene mit zufälligen Höchstpreisen für ihr von der Versicherung eigenmächtig in die Wrackbörse gestelltes Auto zufrieden zu geben haben -Höchstpreise, die lediglich dem Zweck dienen, den vom Sachverständigen kalkulierten Schaden zu reduzieren. Diese "Pflicht" kann allerdings die im ABGB verankerte Vorschrift zu einer kalkulierten Wertermittlung nicht aushebeln.
Objektives Urteil statt "Ausreißern"
Für Kodek würde ein konkretes Kalkulationsschema zur Objektivierung der umstrittenen Restwertermittlung beitragen: "Einzelne wenige Preisangebote in Wrackbörsen stellen ungeachtet ihrer Regionalität statistisch gesehen lediglich Ausreißer dar, die nicht dem Wertbegriff entsprechen", lautet ihr Fazit. Daher sollten diese Angebote in Zukunft "weder in ihren Extremausprägungen noch in Form von Mittelwertbildungen der Schadensabrechnung zugrunde gelegt werden." Das würde den Kfz-Versicherungen auch viele negative Schlagzeilen ersparen.
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