Ein neues EDV-Programm des Kfz-Sachverständigen Dr. Wolfgang Pfeffer
errechnet die bei Unfallschäden von den Autohäusern zu
berücksichtigenden Minderund Restwerte. Die rechnerischen Varianten
basieren auf der derzeitigen Judikatur des Schadenersatzrechtes.
Darüber hinaus gibt es in der Software, über die wir schon im
Vormonat berichtet haben, die Möglichkeit, weitere Schätzwerte wie
Stehzeit, Preisminderung oder Nutzungsentgelt im Gewährleistungsfall
objektiv nachvollziehbar zu quantifizieren.
Totalschaden, kostensparende Reparatur
Aus der Sicht des Obersten Gerichtshofes (OGH) ist eine Reparatur
rechtlich dann "tunlich", wenn die dafür erforderlichen Kosten den
Wiederbeschaffungswert um maximal 10 Prozent übersteigen. Bis dorthin
hat der Geschädigte einen Reparaturanspruch. Eine starre
110-Prozent-Grenze gibt es dafür aber nicht. Über dieser
Tunlichkeitsgrenze qualifiziert der OGH einen derartigen Unfall als
wirtschaftlichen Totalschaden. Unter Berücksichtigung der heutigen
Fahrzeugtechnik muss dies jedoch durchaus nicht der Fall sein. Der
deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb schon längst die Grenze
für den wirtschaftlichen Totalschaden bei 130 Prozent angesetzt. Die
österreichische Rechtssprechung hat diese Entwicklung einstweilen
noch verschlafen -oder im übergeordneten Interesse der
Versicherungswirtschaft ignoriert. Aus wirtschaftlichen Überlegungen
werden von Autohäusern deshalb auch Unfallfahrzeuge eingetauscht, bei
denen die vollen gewerblichen Reparaturkosten um 25 bis 30 Prozent
über dem ursprünglichen Zeitwert liegen. Sie beabsichtigen dabei
nicht den Verkauf des Wracks, sondern seine kostengünstige
Instandsetzung. Bei der Ermittlung des "objektiven Minderwertes" ist
dann zu berücksichtigen, wie ein durchschnittlicher Wrackhändler
kalkuliert. Der BGH akzeptiert dabei eine Restwertermittlung auf
Basis dreier Anbote regionaler Autohändler. "Die Auswahl der
regionalen Händler quasi als Schätzgehilfen des Sachverständigen
garantiert noch nicht, dass in die Anbotskalkulation keine unseriösen
Handlungen involviert sind", kommt es aus der Sicht Pfeffers dabei
leicht zu Schätzverzerrungen. "Schließlich sind diese selbst am
Einkauf des Wracks nicht uninteressiert. Durch die überregionale
Weitervermarktung an den Höchstbieter ist die Möglichkeit gegeben,
dass das Unfallfahrzeug über eine Subwrackbörse wieder auf unseriöse
Wege gelangt." Der "seriöse Markt" kann aus Pfeffers Überzeugung
daher mit dieser Methode nicht abgebildet werden. Es kommen nach wie
vor nur Zufallswerte zustande. Eine Alternative ist daher
erforderlich: Bei noch instandsetzbaren Totalschäden hat der
Sachverständige bei seiner Berechnung von einem durchschnittlich
seriösen Interessenten als Wrackkäufer auszugehen. Dieser muss über
die Möglichkeit verfügen, zu regionalen Konditionen das Fahrzeug
kostengünstig zu reparieren. Er wird bereit sein, für das Wrack die
Differenz zwischen dem Zeitwert des unbeschädigten Autos und seinen
reduzierten Reparaturkosten zu bezahlen.Dazu muss noch eine
handelsübliche Spanne mit einkalkuliert werden. Pfeffer
berücksichtigt in einem ersten Schritt das mit einer Eigenreparatur
für die Werkstätte verbundene Ertragspotenzial. Deshalb werden von
den Mechanikerkosten 50 Prozent und den Lackiererkosten 20 Prozent
als "Einsparungspotenzial" der Werkstätte in Abzug gebracht. Bei den
Kosten der Ersatzteilbeschaffung lässt sich im Programm stufenlos ein
Abschlag von 0 bis 30 Prozent einstellen. Danach wird eine
Mindest-Wrackhändlerspanne von 5 Prozent dazu gerechnet. Diesen Wert
kann der Sachverständige mit verbindlichen Anboten aus der Wrackbörse
vergleichen. Im Streitfall liegt es dann am Richter, welche
Anforderungen er an die Schadensminderungspflicht des Geschädigten
bei der Annahme eines Anbotes aus der Wrackbörse stellt.
Totalschaden, doch keine Reparaturabsicht
Wenn die Reparaturkosten den Zeitwert um mehr als 30 Prozentübersteigen, ist selbst eine Billigreparatur unwirtschaftlich.
Seriöserweise kann der Verkauf einer derartigen Havarie nur an einen
Altteileverwerter erfolgen. Dann wird der Wrackwert nach einem von
Pfeffer neu entwickelten "Top-Down-Verfahren" geschätzt.
Ausgangspunkt des Programms sind die "theoretischen
Ersatzteilkosten", die den "theoretischen Ersatzteilwert" des
Neufahrzeuges ergeben. Je nach Marke und Segment liegt dieser Wert
beim 1,5-bis 3-fachen des Neuwagenpreises, wobei im Programm
Referenzfahrzeuge zur leichteren Klassifizierung eingespeichert sind.
Danach ist entsprechend dem Alter die Fahrzeugabwertung zu
kalkulieren. Daraus ergibt sich der theoretische Altteilewert des
kompletten Autos vor dem Unfall. Dann hat der Sachverständige
entsprechend dem Schadensbild die unbrauchbaren Teile auszuscheiden.
"Dafür muss der Anwender die betroffenen Schadenszonen und die
dazugehörigen Verformungen im Programm definieren", reduziert sich
laut Pfeffer automatisch der Umfang der unbeschädigten Teile. Beim
verbleibenden Rest ist die Wettbewerbssituation am lokalen
Altteilemarkt mittels "Marktgängigkeitsfaktor" zu berücksichtigen.
Das ergibt letztlich den objektiven Wrackwertnach dem Unfall.
Objektiver Kaskoschaden
Mit den objektivierten Berechnungsmethoden des Programms sollten in
Zukunft Diskussionen mit den Versicherungen vermeidbar sein. Das gilt
auch für Kaskoschäden. Auch bei diesen muss der Sachverständige
seiner Kalkulation von Rest-und Minderwerten jenen Wrackkäufer
zugrunde legen, der im Inland über die Möglichkeit verfügt, das
Fahrzeug kostengünstig instand zu setzen. Dies gilt auch für die
Verwertung schwer havarierter Fahrzeuge als "Organspender" für
Zeitwertreparaturen. Die Wrackbörse gehört damit der Vergangenheit
an.