Gleich eine gute Nachricht: Für die nächste Reifenmesse in Essen vom 1. bis 4. Juni 2010 haben sich, glaubt man ungefiltert dem Messedirektorium, bereits zahlreiche Aussteller für die "Weltleitmesse der Reifenbranche" angemeldet. Die nächste positive Nachricht bot der Verband der Reifenspezialisten (VRÖ), der mit Ausnahmeder Lkw-Reifen ein gutes Absatzjahr 2008 erkannte. Nun melden sich die etablierten Werkniederlassungen mit ihren Poolzahlen 2008 (Statistik links) und machen die Branche mit ihrem Ergebnis glücklich. Mit den auf rund 1 Million Stück geschätzten Randmarken und Noname-Anbietern lässt sich der Reifenmarkt -über alle Produktlinien betrachtet -locker auf 6,5 Millionen Einheiten hochrechnen. Passabel!

Der anerkannte Reifenhändler und Reifenmarktexperte Herbert Varga (point S) spricht von zwei Drittel M+S-und einem Drittel Sommerreifen-Geschäft. "Wir erleben alle 3 bis 4 Jahre bei Winterqualitäten diese besondere Bedarfsspitze, 2008 war das wieder der Fall. "Mit der Winterreifenpflicht hat das nichts zu tun."

Ambivalentes Sellin/Sellout

Die Abwägung vom Hineinverkauf in den Handel zum Hinausverkauf an die Konsumenten gestaltet sich schwierig. Der Großhandel baute zunächst seine 2007 überfüllten Lager ab, sodass im Jänner und Februar 2009 in mehreren Fällen nachgekauft werden musste, weil 2008 keiner seine Bevorratung übertrieben hatte.

Im Winter dominierten die Traditionsmarken das Geschäft, während sich im Sommerangebot unzählige Marken zwischen Premium-und Billigware angesiedelt haben.

Zudem haben sich die Einkäufer oft mit der Preispolitik der heimischen Lieferanten herumgeärgert, hört man landauf und landab. Abgesehen von nachgefragten Dimensionen in einem vergleichbaren Preiskorridor zum internationalen Angebot, seien weniger nachgefragte Dimensionen bis zu 300 Prozent ausgerissen. "Da applaudiertenImporteure jedem Reifen, der auf diese Weise sein Lager verließ", ätzt Varga und tadelt diese Strategie als kurzsichtig, weil Käufer via Internet rasch herausbekommen, was sie von einem Angebot in ihrem Einzugsgebiet zu halten haben. "Die Randdimensionen passen nicht und die Poolzahlen reflektieren nicht die wahren Marktverhältnisse." Für Varga sind die Preise bei Breitreifen mehr als überdenkenswert. Die im Pool angeführten Sommerreifen-Verkäufe dienen laut Varga den Lieferanten ohnedies nur als Feigenblatt, um den Zentralen ihre Existenzberechtigung zu dementieren.

Krisenhafter Ausblick 2008

Ein allfälliger Mehrverkauf durch die längere Behaltedauer der Fahrzeuge wird auch 2008 vom Winterreifen gestaltet werden, sind sich die Branchenvertreter einig. Jedoch über den Sommer hinaus blicken möchte angesichts herrschender Branchennot niemand. "Neue Autos vernünftig kalkuliert verkaufen und nicht alles dazu schenken", hofft Varga als Ergebnis der Krise wieder mehr Wahrheit in die Produktkalkulation zu bekommen. "Dann kommt auch der Reifenhandel wieder in Schwung." Tatsächlich sah der Hofverkauf schon lange keinen Neuwagen mehr, um dem neue Reifen aufzustecken. Inzwischen rücken in verschiedenen Konstellationen die heimischen Großhändler zusammen, um sich europäischen Einkaufspreisverhältnissen zu näheren. Ob "United Tyre Group", Profi, Forstinger, John, Bruckmüller usw. in Eigenständigkeit -jeder sucht sich seinen Weg, sich von den Landesrepräsentanzen zu emanzipieren. "Die Uneinigkeit untereinander bei den Großhändlern könnte jedoch wieder die Existenzberechtigung der Lieferanten sichern. Der VRÖ unter den Fittichen des deutschen BRV kultiviert sich zur Lobbyingagentur. Ob sie letztlich zur Vertretung des Reifenhandels taugt, lässt Varga unbeantwortet. Bleibt der Autohausvertrieb, zu dem sich Continental deklariert hat und andere Markenkaiser mehr und mehr auf diesen Zug aufspringen, auch wenn die Krise der Autobauer dem Wachstum zur Zeit einen Riegel vorschiebt. Ketten wüssten nicht das Morgen und würden permanent der Insolvenzgefahr ins Auge blicken.Werkeigene Vertriebsorganisationen dienen lediglich der Marktabsicherung. Varga: "Anteile halten, mehr ist logisch betrachtet nicht drinnen."