Was wir jetzt brauchen, ist eine positive Stimmung. Dieser Satz ist derzeit in (fast) aller Munde. Mit diesem Placebo blicken Politiker und Kammerfunktionäre gleichermaßen zuversichtlich ins neue Jahr. "Wir können uns alle selbst aus dem Wirtschaftssumpf ziehen, indem wir einkaufen gehen", lässt sich Dr. Fritz Aichinger, Spartenchef Handel der Wirtschaftskammer Wien, mit erhobenem Daumen im eigenen Newsletter den Spaß nicht verderben. Verbale Inkontinenz als neues Geschäftsmodell! Vom Wirtschaftshorror der globalen Zockerwirtschaft lässt sich möglicherweise nur dann angemessen erzählen, wenn man den Mut aufbringt, den Zwangsoptimismus der Schönredner hinter sich zu lassen.

Blut und Tränen

Den meisten Wirtschaftstreibenden steht angesichts der ständig hereinbrechenden Weltnachrichten jedoch der Angstschweiß auf der Stirn. 30 Prozent aller heimischen Betriebe waren bis Jahresende 2008 mit den Sonderzahlungen für Weihnachten zumindest im Verzug und weiter treibt eine Horrormeldung die andere vor sich her: Autobauer verschärfen Sparkurs; Werkstattumsatz sinkt dramatisch; japanischer Automarkt vor historischem Einbruch; Sportwagenproduzent Porsche mit weniger Umsatz und Gewinn; Magna samt Styria-Cluster verlängert die Kurzarbeit; Autobauer XY macht ein Monat Pause; Zulieferer XY und Z kappen zu Tausenden die Mitarbeiterzahlen; Produktionsprozesse werden bis in den April 2009 verlangsamt und der ansonsten so selbstsichere VW-Chef Martin Winterkorn schwört sein Management zur Geschlossenheit auf kommende harte Zeiten im Autogeschäft ein. Angesichts dessen darf sich der/die Geschäftsmann/-frau auch auf der "Insel der Seligen" fürchten.

Immer mehr Dienstleister betroffen

Die Notenbank bangt um den Euro, weil die EU-Regierungen immer neue Milliardenbeträge in die Wirtschaft "pumpen", das nicht den Kleinund Mittelstand und leider gar nicht das Käufervolk erreicht. Ergo sind immer mehr Dienstleister von der Wirtschaftskrise betroffen. Und immer mehr Dienstnehmer schlittern in die Zahlungsunfähigkeit. Die uneinbringlichen Summen klettern auf über3 Milliarden Euro, die wiederum die Unternehmenspleiten in die Höhe treiben. Die Schulden drehen sich im Kreis und breiten sich wie ein Krebsgeschwür aus. Wie Metastasen haben sie inzwischen alle Teile der Wirtschaft befallen. Laut KSV hinken die Insolvenzen der aktuellen Wirtschaftslage hinterher, was nur bedeuten kann, dass 2009 mit einem weiteren Anstieg bei den Firmen-und Privatinsolvenzen zu rechnen ist. Dieser Zustand wirft die Bevölkerung mitten hinein in die Trümmerlandschaft der Wirtschaft "made in USA". Auf diesem Humus müssen die Geschäftserwartungen 2009 gedeihen. So gesehenist nicht verwunderlich, dass besonders der Autohandel und die nachgereihte Servicewirtschaft bei den Banken in Verruf geraten sind. Dieser Wirtschaftszweig hat schon die letzten 15 Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Schulden statt Rendite lautete die gängige Formel und "Wer nicht investiert,der stirbt!" Eine restriktive Kreditvergabe ist die Antwort der Geldverleiher auf jahrzehntelange Stückzahltreiberei.

Sie wollen nicht davon lassen

Apropos Stückzahltreiberei: Einzelne Importeure wollen weiterhin nicht davon lassen und planen 2009 mit Stückzahlwachstum, obwohl sie treuherzig den Gesamtmarkt alle nur noch auf ungefähre 280.000 Neuzulassungen einschätzen. "Ich betreibe ja kein Hobby", lässt sich Wilhelm Weintritt, Ford-Händler mit bundesweiter Ausdehnung, die Überproduktion nicht mehr so ohne weiteres aufs Auge drücken: "Das Angebot muss stimmen und ich will, nicht nur ich muss, im Handel ordentlich verdienen." Der "Stückzahlreflex Marktanteil =Erfolg" ist nicht so rasch aus den Hirnen der Marktmacher zu bekommen. Weder aufSeiten der Importeure, noch auf der der Händler. Zu groß ist inzwischen die Abhängigkeit voneinander. Voller Brutalität macht die Gier ihre Beute. Liquidität geht vor Ertrag! Die Rendite bleibt auf der Strecke. Erster Verlierer sind in der Regel die Händler-und Servicepartner, die Hersteller sowieso, wie man sieht.

Die Kraft der lokalen Partner

Was nicht bedeutet, dass der eine oder andere Handels-und Servicebetrieb nicht floriert. Jede Ausnahme bestätigt die Regel. Die "Auto Horror Picture Show" hat aber auch ihre guten Seiten. Zu glauben, dass ein Unternehmen, wenn es erst einmal zu den größten der Welt zählt, niemals untergehen kann, widerspricht GM, die schon die Totenglocken läuten hören, und auch Chrysler kennt die Krise bereits ausihrer Geschichte. Später, wenn wieder aller Ballast abgeworfen ist, treten sie wieder äußerst lebendig auf. Wie überhaupt in der Autowirtschaft nur wenige Theorien von Dauer sind.

Auch "Nein" sagen

Zwei Drittel der bestehenden heimischen Betriebe wird diese Kriseüberleben, viele Unternehmer müssen sich reformieren, der Rest wieder ganz von vorn anfangen müssen. Das Ziel für den Autohandel muss bei 2 Prozent Umsatzrendite liegen, alles andere ist betriebswirtschaftlicher Unfug. Die Hersteller müssen sich allerdings auch von ihren zweistelligen Umsatzrenditevorstellungen verabschieden, wollen sie das nicht weiter auf dem Rücken Dritter erreichen, wie das bis jetzt der Fall ist. Doch eine simple Tatsache gilt immer: Wenn ein Autounternehmen -ob groß oder klein -überleben will, muss es sich selbst und seine Kunden kennen. Solange sich Autounternehmen durch eine stark ausgeprägte Individualität -Stichwort Weintritt -auszeichnen und entschlossen sind, auf ihrem Terrain das Bestmögliche herauszuholen, werden sie weiter Geschäfte machen und bestehen. Der Handel wird sich 2009 ganz massiv zur Wehr setzen müssen, denn die regierungsgesteuerten Sanierungspakete der globalen Hersteller beinhalten auch saugrobe Eingriffe in die verzweigte Ertragswelt eines Autohandelsund/oder Servicebetriebes vor Ort beim Kunden. Wenn es blöd hergeht, kippen einige Vertriebsnetze und die Händler sind sich selbst überlassen. Ein teurer Spaß wird das jedenfalls, ist aber auch die Chance zum Reinigungsprozess. Die Zeit ist gereift, den Herstellern auch "Nein" zu sagen, um dennoch von den Konzernen ausgezahlt zu bekommen, was ihnen zum Erfolg an der Kundenfront überlebenswichtig zusteht. Unter dem Einfluss von Rezession, Depression oder sanfte Erholung steht das Kfz-Gewerbe vor der schwierigen Aufgabe, ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft zu schaffen. Zunächst wird jeder Unternehmer für sich selbst die richtigen Rahmenbedingungen einrichten müssen und sich erst dann auf die Interessenvertreter stützen können. Das in dieser Reihenfolge, denn auch den Verbänden steht der Reformschritt bevor. Eines wissen wir: Die Autobauer brauchen ihre lokalen Vertriebspartner wie den sprichwörtlichen Bissen Brot zum Überleben.