Tatsächlich geht es um die Mobilität aller EU-Bürger, was nunmehr auch bei den Autofahrerorganisationen die Alarmglocken schrillen ließ. Damit zeichnet sich ein sinnvolles Zweckbündnis mit dem Autohandel ab.

Die Kartellrechtspuristen unter den europäischen Wettbewerbshütern verlangen seit Jahren die Abschaffung aller derzeitigen Sonderbestimmungen für den Kfz-Vertrieb. Der freie Markt sei das beste Regulativ des Wettbewerbs. Deshalb sollte die Kfz-GVO Ende Mai 2010 ersatzlos auslaufen. Seit Monaten haben Fachjuristen aus dem Kfz-Handel -soauch meine Kollegen der EDL (European Distribution Lawyers) -gepredigt, dass damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Was die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und ihre Brüsseler Kartellbastler nicht besonders beeindruckt hat. So setzten wir unsere Hoffnung auf die Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva, die bereits Anfang 2007 eine komplette Überarbeitung der Verbraucherschutzbestimmungen angekündigt hatte. Dazu zählen selbstverständlich auch Regelungen über den grenzüberschreitenden Fahrzeugverkauf und über europaweite Herstellergarantien. Leider hat sich Frau Kuneva dafür als nicht zuständig erklärt. Dies falle in die Kompetenz ihrer Kollegin Kroes, die jedoch keinen Regelungsbedarf sieht. Die Folge: Weder die eine noch die andere Generaldirektion in Brüssel ist für die Mobilität der europäischen Autofahrer zuständig. Diese Sorge überlässt man offenbargetrost den Kfz-Herstellern und dem "freien Markt".

Nun haben sich erstmals die tatsächlich Betroffenen, die Autofahrer, zu Worte gemeldet. Als deren Sprachrohr hat der ÖAMTC in Abstimmung mit den anderen europäischen Autofahrerclubs gegen ein ersatzloses Auslaufen der Kfz-GVO protestiert. Derzeit werde nur durch die Kfz-GVO ein europaweites Service mit ausreichender Netzdichtesicher gestellt. Erforderlich sei auch eine europaweit einheitliche Kfz-Garantie, um auch außerhalb des Neuwagen-Ankaufstaates in jeder Vertragswerkstätte diese (nationalen) Garantieansprüche einlösen zu können.

Ein weiteres Anliegen der Autofahrer ist es, bei Servicearbeiten preisgünstigere Nachbauersatzteile verwenden zu dürfen, ohne dadurch den Garantieanspruch zu verlieren. In der Frage 37 des Leitfadens zur Kfz-GVO gibt es dazu eine klare Regelung -ohne entsprechendes Pendant in der "Schirm-GVO". Dies betrifft auch das Recht der Autofahrer, für Servicearbeiten unabhängige Werkstätten aufsuchen zu dürfen, ohne Garantieansprüche gegen die Autohersteller zu verlieren.

Sorge bereitet demÖAMTC außerdem die Zukunft des Artikels 4 Abs2 der Kfz-GVO: Dieser gewährleistet, dass unabhängige Marktbeteiligte Zugang zu den für Instandsetzung, Wartung oder Umweltschutzmaßnahmen erforderlichen Daten und Werkzeugen erhalten. "Gerade für die Automobilclubs und ihre Pannenhilfsdienste istdie Aufrechterhaltung dieses Rechtes essenziell. Aber auch für freie Werkstätten bedeutet dies die Möglichkeit zur Marktteilnahme und die Konsumenten profitieren vom stärkeren Wettbewerb", fürchtet der ÖAMTC, dass Verbraucherinteressen unter die Räder kommen. "Die Fahrzeugindustrie hat ein erhebliches Interesse an der Abschaffung der Verordnung, während Handel, Werkstätten, Ersatzteilproduzenten, Pannenhilfeorganisationen und Verbraucherschützer für ihre Aufrechterhaltung plädieren", fasst der ÖAMTC die derzeitigen Standpunkte zusammen.

Sicherlich könnten einige der Verbraucherschutzrechte auch außerhalb einer wettbewerbsrechtlichen Gruppenfreistellungsverordnung verankert werden. Die Fragen der Garantie und der Durchsetzung des erforderlichen Garantieregresses (für die davon an der Front betroffenen Händler und Werkstätten) wären möglicherweise in einer Verbraucherschutzrichtlinie besser aufgehoben. Da die Sicherung des Wettbewerbes aber ebenfalls vorrangig dem Verbraucherschutz dient, können die Autofahrerinteressen weiterhin ruhig in einer speziellen Kfz-GVO verankert bleiben. Daher kann es nicht das Ziel sein, diese Regelungabzuschaffen. Sinnvoll ist nur, sie an die Erfordernisse der Mobilität der Autofahrer anzupassen.