Nicht die Tatsache, dass Volkswagen in der Europa-Statistik bei allgemein 25 Prozent Markteinbruch die bestverkaufte Marke darzustellen vermag, führt in diese Story, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass Gewohntes sich in den Jahren geschickt unserer Kritikfähigkeit entzogen hat. Frei nach dem Motto: Wenn etwas einmal lange genug üblich ist, dann gilt es wie ein Gesetz. Gewohnheiten der Zulassungsmanipulation machten bislang also Fehler entweder unsichtbar oder schön. Bescheidenheit war nie ihre Zier. Die Produktion ist eingebremst und der Verkauf steht vor vollen Lagern, vertraute Vermarktungsregeln werden außer Kraft gesetzt. Die Geschwindigkeit des Zerfalls, wie Pof. Hannes Brachat "ohne Filter" schreibt, missachtet jedes Tempolimit der Regierungen rund um den Globus. Auf breiter Front ist die Vollbremsung zu spüren, andere Branchen laufen Gefahr, in diesen Auffahrunfall verwickelt zu werden. Die Autoindustrie allein vermag das wirtschaftliche Schicksal von Nationen zu beeinflussen, ebenso beispiellos ist aber ihre Wirkung auf das Leben der Konsumenten. Ihre Macht ist gewaltig, wurde aber brutal zurückgedrängt, weil die Wirtschaft zu zocken begann und mit der Zeit jede vernünftige Wertstrategie ad absurdum führte. Zudem haben die Autokonzerne trotz ihres großen gesellschaftlichen Einflusses zugelassen, sich anden Rand drängen, zu Umweltsündern degenerieren und zu Steuermelkkühen reduzieren zu lassen. Das globale Streben der Industriebosse verbaute nationalistische Eigenwege. Sämtliche Grenzen wurden geöffnet, die Welt ist damit kleiner geworden, jeder Heimvorteil wurde den Unternehmen weggenommen,auf internationalem Terrain wurde so mancher Leichtsinn teuer fabriziert. Die Erfahrung über die Jahre zeigt, dass es niemals so etwas wie einen strahlenden Sieger gibt. Jeder von ihnen wurde auf dem Gipfel seines Erfolges fett, reich und selbstzufrieden und damit anfällig. Stolz geschwellter Brust ging man auf Kollisionskurs, vor allem zwischen den Konzernen. Bringen wir uns Ignacio López ins Gedächtnis, der einen Wirtschaftskrimi zwischen General Motors und Volkswagen ausgelöst hatte. Die Spuren des spanischen Optimierungsgenies ziehen sich heute blutig durch die Wirtschaft. Roboter undglobale Vernetzung haben die Realität noch viel komplizierter gemacht, den Menschen die Arbeit genommen. Die Steuermänner haben, anstatt klug und vorausschauend zu handeln, zu spekulieren begonnen, sich damit dem Untergang preisgegeben. Die Sieger des letzten Jahrhunderts sind jetzt die Verlierer.

Die Frage nach dem Rezept

Die Vorbereitungen auf das soeben begonnene Jahrtausend waren, das dürfen wir getrost sagen, in vielen Bereichen der Wirtschaft höchst ungenügend, zudem hat die internationale Politik versagt, der umweltverträgliche Kapitalismus die Wirtschaft erdrückt. Damit erübrigt sich jede Frage nach dem Rezept zur Besserung der Lage. Es gibt kein Patentrezept. Was wird übrigens aus der liebsten und ergiebigsten Melkkuh aller Finanzminister, wenn der Individualverkehr weiter schrumpft? Bereits die Absatzrückgänge in der Krise 1993 haben dazu geführt, dass in den durch hohe Steuereinkommen verwöhnten Städten Sozialleistungen eingeschränkt werden mussten. Ein Lösungsansatz für alle Schwierigkeiten ist sicher die Schaffung lokal gestifteter Wirtschaftskraft, die z. B. dem Handwerk wieder Arbeit verschafft und damit auch die Kaufkraft zurückkehrt. Da können sich aber nicht die Finanzminister aller Länder gleich gierig ihre Zungen lecken und nach neuen Einnahmequellen Ausschau halten. Verschafft man der Mobilität jenen Platz in der Gesellschaft, den es erfordert, wird auch die Verkehrsfläche nicht mehr rationiert werden müssen. Straßenmauten und alle anderen Einnahmequellen rund ums Auto müssen abgespeckt werden. Wer ein Auto - Unternehmer oderPrivate -braucht, wird es sich leisten können müssen. Künstlich geschaffene Angebote zerstören Märkte, die auf längere Zeit sowieso nicht mehr aufnahmefähig sind. Die Entscheidung fällt also im Kopf, die Fesseln der Gewohnheit abzustreifen, bevor die Krise weiter ausufert.