Schon vor 10 Jahren hat sich die Europäische Kommission in ihrem
Leitfaden zur der damals neuen Kfz-GVO 1400/2002 intensiv mit dem
Thema "Ersatzteile" auseinandergesetzt. Sie hat klargelegt, dass
Originalteile durchaus nicht vom Kfz-Hersteller stammen müssen. Sie
hat weiters klargestellt, dass es sowohl freien als auch gebundenen
Werkstätten frei stehen muss, von wem sie ihre Originalersatzteile
kaufen. Das gilt auch heute noch.
In diesem Leitfaden wurde auch die Frage beantwortet, was unter dem
Begriff "Originalersatzteile" zu verstehen ist:
Es gibt dabei drei Gruppen:
* Die erste Gruppe umfasst Teile, die der Fahrzeughersteller selbst
produziert.
* Die zweite umfasst Teile, die vom Ersatzteilhersteller an den
Fahrzeughersteller geliefert werden, der sie an seine
Vertriebspartner weiterverkauft. Für diese Originalersatzteile gilt
die Regel, dass diese nicht daran gehindert werden dürfen, ihre
Waren-oder Firmenzeichen auf diesen Teilen effektiv und gut sichtbar
anzubringen. Darüber hinaus dürfen ihre Möglichkeiten zur Belieferung
aller Werkstätten und Ersatzteilhändler nicht eingeschränkt werden.
* Die dritte Gruppe von "Originalersatzteilen" besteht aus den
Teilen, die nicht an den betreffenden Fahrzeughersteller geliefert
werden, aber dennoch nach den von ihm vorgegebenen Spezifizierungen
und Produktionsstandards produziert werden. Der Ersatzteilhersteller
liefert diese oft auch "Identteile" genannten Teile entweder an
unabhängige Ersatzteilhändler oder direkt an Werkstätten.
"Einschränkung des Wettbewerbs"
Eine damals offene Frage war, ob die Kfz-Hersteller ihre
Vertragswerkstätten hindern können, diese Originalersatzteile an
freie Werkstätten weiter zu verkaufen. Die Kommission hat schon
damals deutlich gemacht, dass dies "eine schwerwiegende Einschränkung
des Wettbewerbs" darstellen würde. Mit der Folge, dass das gesamte
Vertriebssystem des Herstellers mit seinenVertragsbindungen nicht
mehr vom Kartellverbot freigestellt wäre.
In dem nunmehr veröffentlichen Fragenkatalog (FAQs) wurde der Frage
nachgegangen, wie die freien Werkstätten zu den von ihnen benötigten
Originalersatzteilen kommen. Die Vertragswerkstätten sind jedenfalls
nicht verpflichtet, freie Werkstätten zu beliefern. Sie dürfen
allerdings vom Hersteller weder direkt nochindirekt nicht zu einem
derartigen Ersatzteil-Embargo veranlasst werden. Aus der Sicht der
Kommission "ist es unwahrscheinlich, dass EU-Wettbewerbsrecht
verletzt wird, wenn eine zugelassene Werkstatt von sich aus
entscheidet, keine Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu liefern.
In der Regel können diese die gewünschten Originalteile dann bei
einer anderen zugelassenen Werkstatt erwerben."
Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht
Was passiert, wenn eine Vertragswerkstätte nun tatsächlich die
Belieferung einer freien Werkstätte verweigert? Auch dazu gibt es nun
eine Antwort: "Sobald es für unabhängige Werkstätten generell
schwierig ist, Originalteile über die zugelassenen Händler zu
beziehen, könnte, wenn der Kraftfahrzeughersteller die erforderlichen
Ersatzteile nicht direkt liefert, ein Verstoß gegen
EU-Wettbewerbsrecht vorliegen. Insbesondere der fehlende Zugang zu
Originalteilen könnte die Marktstellung eines unabhängigen
Marktteilnehmers schwächen, was letztendlich zulasten der Verbraucher
ginge."
Rabatte bis zu 50 Prozent
Offen blieb in den FAQs die nicht unerhebliche Frage, zu welchen
Konditionen die freien Werkstätten zu beliefern sind. Diesem Problem
ist Gerhard Zeiner, Sprecher der freien Werkstätten in der
Bundesinnung, auf den Grund gegangen. Er verwies darauf, dass
gebundene Werkstätten vom ihrem Hersteller Rabatte bis zu 50 Prozent
bekämen; freie Werkstätten mit identen Einkaufsvolumina würden jedoch
nur zu Letztverbraucherkonditionen (Listenpreis ohne Rabatte)
beliefert werden. "Diese Differenzen im Ersatzteileinkauf sind mit
den geringeren Lohnkosten der ungebundenen Werkstätten oft nicht mehr
abzufangen. Damit wird die Chancengleichheit am Markt vermindert und
kann dies für Konsumenten zu einer erheblichen Verteuerung der
Reparaturen führen", erläuterte er den Brüsseler Wettbewerbshütern.
Diese sehen aber nur dann ein Problem, "wenn die freie Werkstatt
keinen alternativen Zugang zu den Originalersatzteilen über den
Ersatzteilhersteller oder den freien Handel hat, z. B. weiles sich
um Monopolteile handelt". Bei diesen würde eine "Preisdiskriminierung
einen wettbewerbswidrigen Effekt entfalten". Dies könnte "dann
möglicherweise den Tatbestand des Missbrauchs einer
marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 102 AEUV darstellen",
heißt es in Brüssel. Es geht alsonur um Ersatzteile, die es nur vom
Hersteller gibt -das dürfte etwa beim Getriebe oder Motor meist der
Fall sein. "Durch eine solche Preisdiskriminierung würden die
bestehenden Verträge zwischen Kfz-Herstellern und Vertragswerkstätten
eine zusätzliche negative wettbewerbswidrige Wirkung entfalten. Das
muss jedoch in jedem Einzelfall konkret geprüft werden."
Nach Zeiner liegt es nun an jeder einzelnen freien Werkstätte, auf
derartige Diskriminierungen zu achten. Und der Einladung der
Europäischen Kommission zu folgen, Verstöße umgehend den
Wettbewerbsbehörden -in Österreich somit der Bundeswettbewerbsbehörde
und dem Bundeskartellanwalt - zur weiteren Überprüfung bekannt zu
geben.