Das Archiv, so sagt man, ist die Rache des Journalisten an den Politikern: Denn da findet sich immer wieder ein Zitat aus der Vergangenheit, das den Interview-Partner in Verlegenheit bringen kann.
Doch es sind nicht nur die Politiker, die verstört blicken, wenn man ihnen einen Satz von früher vorlegt. Auch unsere Branche ist davor nicht gefeit. Seit 39 Jahren bin ich nun schon Journalist, wenn auch nicht immer in der Autobranche: In den vergangenen Tagen habe ich Exemplare der „Presse“ aus meinen Anfangszeiten sortiert – und spannende Sachen gefunden, unter anderem zum Thema Elektroautos.
12. Februar 1991, die Älteren unter uns erinnern sich: Damals war die Befreiung von Kuwait von der Besatzung durch Saddam Hussein in vollem Gang, und wir hatten Angst vor einem Versiegen der Erdölströme: Logisch, dass Elektroautos helfen würden, und der damalige Frankreich-Korrespondent der „Presse“ war voll der Vorfreude. „Bei Peugeot rechnet man für 1995 schon mit einem europaweiten Verkauf von 200.000 Elektroautos“, 25 Prozent reklamierte Peugeot für sich. Bis 1994 wollte die Löwen-Marke einen „kleinen, elektrisch betriebenen Mittelklassewagen“ auf den Markt bringen; bis 1995 war versprochen, den Preisunterschied zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu überwinden.
Aha, kann man da nur sagen. Und, ein anderes Beispiel: In Österreich regte das Wirtschaftsministerium im Juli 1991 den Import von 500 Elektroautos an, der ÖAMTC wollte 50 Elektrotankstellen in ganz Österreich errichten. „Angesichts der derzeitigen Maximalreichweiten der E-Mobile von 80 Kilometern nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“, schrieben wir damals. Der ÖAMTC verlieh dann auch 5 „Stromflitzer“ in Wien um 600 Schilling pro Tag: Das war damals viel Geld! Mein Artikel vom 19. Juli 1991 endete mit dem Satz: „Das Aufladen dauert je gefahrene zehn Kilometer etwa eine Stunde.“
Und Ende August 1992, beim ersten (von EVN und ÖAMTC veranstalteten) Elektroauto-Rennen in Österreich blinkte im von mir gefahrenen VW Elektro-Golf schon nach ein paar Runden in Teesdorf das rote Lamperl am Armaturenbrett, weil die Batterie dem hohen Tempo nicht gewachsen war…
Dann passierte, wie wir wissen, lange nichts. Eigentlich fast 20 Jahre lang, bis Mitsubishi den i-MiEV nach Europa brachte, Denzel den norwegischen TH!NK importierte und auch andere Hersteller versuchten, den Markt zu knacken, unter anderem Tesla mit dem Roadster.
Und jetzt? Die Preisparität ist zwar immer noch nicht erreicht, doch der Abstand zwischen E-Autos und Verbrennern wird von Jahr zu Jahr geringer. Wer heute noch Reichweitenangst hat, soll an das Jahr 1991 zurückdenken. Damals war sie tatsächlich begründet!
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