Die elektronische Vernetzung von Fahrzeugen kann Leben retten. Doch
macht sie Wartung und Reparatur zum Monopol der jeweiligen
Automarken?
Rund 45 Millionen "Connected Cars" waren 2011 weltweit im Einsatz.
Bis 2016 wird diese Zahl auf 210 Millionen steigen, meint die
Unternehmensberatung Oliver Wyman: Verantwortlich dafür sei vor allem
die EU, die ab 2015 die Verwendung des Notrufsystems "eCall" in allen
neu zugelassenen Fahrzeugen vorschreibt.
Lebensrettende Innovation
Das Funktionsprinzip von eCall basiert darauf, dass Sensoren einen
Unfall erkennen und automatisch einen Datensatz an eine Leitstelleübermitteln. Gleichzeitig wird eine Mobilfunkverbindung hergestellt.
Der Sicherheitsgewinn ist zweifellos enorm: Laut der EU-Kommission
könnten 2.500 Menschenleben pro Jahr gerettet werden, die Zahl der
schwerverletzten Unfallopfer soll um 15 Prozent sinken. Aufgrund
dessen stößt eCall rundum auf Zustimmung. Anders sieht es bei bCall
("Breakdown Call" bei technischen Defekten) oder sCall ("Service
Call" beim Erreichen von Wartungsintervallen) aus: Diese Systeme
würden aufgrund der direkten Verbindung zwischen Fahrzeugen und
Fahrzeugherstellern unabhängige Anbieter aus dem Werkstattgeschäft
ausschließen, lautet die Kritik.
Freie Werkstätten unter Druck
"Die Hersteller haben klare Vorteile, wenn sie schnell handeln",
bestätigt Matthias Bentenrieder, Partner bei Oliver Wyman: "Sie haben
den Kunden, die Fahrzeugdaten und die Vernetzung und können damit die
freien Werkstätten im Privatkundengeschäft erst einmal in Schach
halten." Feldversuche von BMW in den USA hätten bereits gezeigt, dass
viele Kunden durchaus gewillt seien, sich in Vertragsbetriebe
"steuern" zu lassen: In Summe handle es sich also um ein "sehr gutes
Instrument für die Kundenbindung".
Für Vertreter der ungebundenen Werkstätten ist dies eine
Schreckensvision. "Hier handelt es sich um eine sehr gefährliche
Entwicklung", sagt Wolfgang Dytrich, Berufsgruppensprecher des freien
Teilehandels. Arthur Clark, Bundesinnungsmeister der Karosseriebauer,
pflichtet ihm bei: "Wir fordern, dass die Konsumenten weiterhin die
volle Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Reparaturbetriebs
haben."
"Monopolstellung der Hersteller"
Unterstützung kommt von den Teileherstellern. So warnt der
Zulieferkonzern TRW davor, "Gegenmaßnahmen gegen die zunehmende
Monopolstellung der Fahrzeughersteller länger hinauszuzögern".
Schließlich sei die logische Erweiterung von bCall und sCall die
Selbstdiagnose im Auto samt Auswahl des nächsten Betriebs und
automatischer Terminvereinbarung. "Die Bedrohung für den freien Markt
ist, dass diese Technik nur den Fahrzeugherstellern zur Verfügung
steht, gut gehütet wird und noch sehr teuer ist", meint man bei TRW.
Mittlerweile kommt bei bCall, sCall und Co sogar so mancher
Markenbetrieb ins Zweifeln: Erfüllungsgehilfe eines allwissenden
Herstellers zu sein, ohne selbst auf Kundenbindung und -steuerung
Einfluss nehmen zu können, ist schließlich alles andere als ein
stabiles Geschäftsmodell.