Beim jüngsten Kongress der FIGIEFA wurde deutlich, dass der
unabhängige Ersatzmarkt europaweit mit denselben Problemen kämpft.
Kein Wunder: Schließlich haben die Autohersteller viel zu verlieren,
sollten ihre letzten Monopole gebrochen werden.
Kennen Sie den "Designschutz auf sichtbare Kfz-Ersatzteile"? Dieser
erlaubt es den Automobilkonzernen, Motorhauben oder Kotflügel ebenso
als Geschmacksmuster schützen zu lassen wie ein komplettes Fahrzeug.
Wer ein günstigeres Ersatzteil auf den Markt bringen will, macht sich
der Produktpiraterie schuldig.
Für die Autohersteller ist dies ein Milliardengeschäft, für den
Konsumenten eine massive Belastung, urteilen zumindest die Vertreter
des unabhängigen Teilehandels. Bei seiner Jahrestagung in Warschau
verwies der europäische Branchenverband FIGIEFA auf das Beispiel von
Polen: Dort wurde 2007 in einem nationalen Alleingang der
Designschutz gekippt. Seither habe sich das Angebot an "freien"
Teilen verdoppelt und die Preise seien deutlich gesunken, berichten
die Experten Robert Kierzek und Andrzej Senkowski: "Das bedeutet
einen gesunden, freien Wettbewerb." Durchaus willkommen seien
Nebeneffekte wie der von 29 auf 18 Prozent gesunkene Anteil der
"Do-it-yourself-Reparaturen" oder der starke Rückgang der
Fahrzeugdiebstähle: "Der Autodiebstahl zur Teilebeschaffung ist
einfach nicht mehr so attraktiv."
Politik am Zug
Europa ist beim Umgang mit dem Designschutz gespalten: Skandinavien,
die meisten osteuropäischen Länder, Portugal und vor allem Frankreich
hielten bislang an dieser Bestimmung fest. Doch in der "Grande
Nation" könnte Bewegung in die Angelegenheit kommen, denn die
Regierung beschäftigt sich seit dem Sommer intensiv mit dem
Kfz-Reparaturmarkt: "Wir begrüßen diese sehr tiefgreifendeund
präzise Untersuchung", sagt der französische Branchenvertreter Michel
Vilatte, gleichzeitig Präsident der FI-GIEFA. Behandelt würden
beinahe alle derzeit strittigen Themen -also beispielsweise auch
Garantiepraktiken und die Weitergabe von technischen Informationen.
Klagsdrohung aus Deutschland
In Deutschland will man nicht länger auf ein Eingreifen der Politik
warten. Der Gesamtverband Autoteilehandel (GVA) erwägt eine Klage
wegen des "Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung", weil
viele Autohersteller die in der Abgasnorm Euro 5 festgehaltene
Informationsweitergabe nach wie vor verzögern würden. Bis zu 6
Konzerne könnten vor den Richter gezerrt werden, sagt GVA-Präsident
Hartmut Röhl: "Vorher werden wir aber noch einmal das Gespräch
suchen."
"Österreichische Lösungen"
Die heimische Branche teilt die Sorgen der Nachbarländer, wenngleich
es manchmal typisch österreichische Lösungen zu geben scheint: So
gilt zwar offiziell der Designschutz, doch in der Praxis wird der
Handel mit "freien" Karosserieteilen nicht behindert. Auch in Sachen
Reparaturdatenweitergabe habe man bislang mit "klärenden Anrufen" das
Auslangen gefunden, berichtet Ing. Wolfgang Dytrich,
Berufsgruppensprecher in der Wirtschaftskammer.
Ausschluss der "Freien"?
Sorgen macht Dytrich dagegen das von der EU geplante Kfz-Notrufsystem
"e-call": Dieses sei an sich zu begrüßen, könne aber von den
Fahrzeugherstellern auch dazu verwendet werden, Reparatur-und
Wartungsaufträge automatisch in die eigenen Netze zu lotsen.
Diese Entwicklung will auch FIGIEFA-Generalsekretärin Sylvia Gotzen
um jeden Preis verhindern, würde sie doch einen gänzlichen Ausschluss
des freien Reparaturgewerbes bedeuten. Der Independent Aftermarket
habe auch so schon mit genügend Ungerechtigkeiten zu kämpfen, betont
FIGIEFA-Präsident Vilatte: "Das ist nach wie vor kein wirklich freierMarkt."