Wo steht das größte importeursunabhängige Autohaus Österreichs? Unter
dem Giebelkreuz. Dabei wurde das Potenzial von 144.433 Mitgliedern
und 1.066 Standorten, das der Raiffeisen-Sektor bietet, noch gar
nicht zur Gänze ausgeschöpft.
Als Dachorganisation von 44 Lagerhäusern fungiert die Raiffeisen Ware
Austria AG (RWA), die sich in den Autohandel allerdings nicht
einmischt. Den überlässt sie -dezentral -den einzelnen
Genossenschaften. Das wird sich in Zukunft zur Nutzung von
Synergieeffekten möglicherweise ändern.
Wie so etwas funktionieren kann, hat die deutsche
"Raiffeisen-Schwester" BayWa AG vorexerziert. Ihr gehört die AHG
Autohandels GmbH mit 25 Autohäusern im Süden Deutschlands. 1986
gegründet, zählt sie heute mit 650 Mitarbeitern zu den 10
Top-Händlern des Landes. Ihre Schwerpunkte liegen bei BMW (samt
"Spezialtuner" Alpina) und Mini, sie ist aber auch Vertriebspartner
von Peugeot und Land Rover.
Vielfältiges Sortiment
Vor allem im OstenÖsterreichs könnten die Lagerhäuser eine ähnliche
Rolle spielen. Wer im Internet einen Peugeot-Partner sucht, stößt auf
21 Betriebe, die unabhängig voneinander teils als Händler und teils
als Agenten für die Franzosen tätig sind. Daneben gibt es unter dem
RaiffeisenDach noch zahlreiche andere Marken, wie etwa Citroën, Fiat,
Nissan und Rover, aber auch VW und Audi. In manchen
RWA-Genossenschaften stehen die verschiedenen Marken in einem
Schauraum friedlich vereint, in anderen findet man sie auf mehrere
Standorte verteilt.
"Die Markenvielfalt der RWA-Partner ist vielfach auf die Fusionierung
zu größeren Genossenschaften zurückzuführen", verweist Herbert Fürst
vom Raiffeisen-Lagerhaus (RLH) Gmünd auf die lange Tradition im
Autohandel: Bereits seit 1979 ist man in Gmünd VW-Partner, durch den
Zusammenschluss mit Vitis und Weitra sind die Marken Citroën, Fiat
und Peugeot dazugekommen. Insgesamt schafft man damit derzeit rund
160 Neuwagen. Fürst erinnert sich auch an Bestrebungen der RWA, als
Einkaufsplattform im Autohandel zu fungieren: "Das haben aber die
Importeure abgedreht", kommentiert er trocken das Machtstreben der
Autokonzerne.
Erzwungene Anonymität
Das schlägt sich auch im Erscheinungsbild der einzelnen Betriebe
nieder. So ist es beim Autohaus Pregarten für Außenstehende überhaupt
nicht erkennbar, dass dieser VW-Betrieb den örtlichen
Raiffeisen-Genossenschaftern gehört. Angeschlossen an Porsche Linz
verkaufen die Pregartner jährlich 120 Neu- und 120 Gebrauchtwagen.
Selbst auf der Homepage wird verschwiegen, wer die Eigentümer dieses
erfolgreichen Autohauses sind. "Das hat uns Porsche schon seit 20
Jahren so vorgegeben", wurde Autohaus-Chef Karl Forstenpointner vom
Hersteller verpflichtet, jeden Hinweis auf das Giebelkreuz zu
unterlassen.
Auch andere Hersteller versuchen, den Autohäusern der einzelnen
Genossenschaften ihre eigenen Markenfesseln aufzuzwingen. So ist das
Lagerhaus Tulln seit 20 Jahren Peugeot-Händler. Vor 8 Jahren wurde
dafür ein neuer Betrieb auf die grüne Wiese gebaut: Ganz als blauer
Peugeot-Kubus, ohne jegliches Raiffeisen-Gelb. "Unsere Stammkunden
kennen aber schon unsere Lagerhaus-Angehörigkeit", verweist
Verkaufsleiter Helmut Breit auch auf den klaren Hinweis in seiner
Homepage. Gemeinsam mit dem Fiat-Betrieb in Neulengbach (als
Subhändler von Schirak in St. Pölten) kommt er auf 400 Neuwagen
jährlich -und ist damit für Peugeot ein lokal nur schwer ersetzbarer
Vertriebspartner.
Für Breit ist ein engerer Zusammenschluss der niederösterreichischen
Raiffeisen-Autohäuser durchaus wünschenswert. "Bei 5.000 Neuwagen pro
Jahr kommt bei den Verhandlungen sicher mehr raus als bisher", ließen
sich die Kosten für eine derartige Plattform durch Synergieeffekte
sicherlich wieder einspielen. Vor allem die ständig steigenden Kosten
für die Herstellerstandards fördern derzeit derartige Überlegungen.
Investitionen in das Kfz-Geschäft
Zahlreiche Genossenschaften haben in den letzten Jahren in den
Autohandel kräftig investiert. In Guntramsdorf nahe Wien waren es
beispielsweise 3,3 Millionen Euro: Neben der Landtechnik glänzt dort
ein attraktives Fiat-Autohaus -als Subhändler von Dvorak&Partner.
Daneben betreibt das Lagerhaus Wiener Becken einen VWund
Audi-Standort in Grammatneusiedl. Für den dafür zuständigen
Technikchef Rudolf Mühlgrabner ist Raiffeisen dank der Kontinuität
der Betriebe und Standorte der ideale Vertriebspartner aller
Autohersteller. Darüber hinaus gibt es unter dem Giebelkreuz auch
kein Problem, die immer stärker eingeforderten finanziellen Standards
derImporteure zu erfüllen.
Das gilt auch für das Lagerhaus Hollabrunn, das 2010 in Horn für
Peugeot ein neues Autohaus errichtet hat. Mit vier Betrieben in
Hollabrunn, Haugsdorf, Eggenburg und Horn kommt der für den
Technik-Bereich verantwortliche Spartenleiter Reinhard Thürr mit
Peugeot, Citroën und Nissan auf 250 Neu-und 240 Gebrauchtwagen. Als
"Belohnung" für die kräftige Investition wird das Lagerhaus von
Peugeot künftig mit einem A-Händlervertrag belohnt. Allerdings mit
der Auflage, sich vom Citroën-Vertrieb fernzuhalten.
Genützte Freiheiten
Auch für Nissan sind die Lagerhäuser von einiger Bedeutung. Etwa das
Autohaus Rohrbach, das seit 1980 als Nissan-Stützpunkt fungiert. 2006
hat Stützpunktleiter Manfred Stallinger zusätzlich noch Peugeot unter
seine Fittiche genommen und kommt damit insgesamt auf 100 Neue und
200 Gebrauchte.
Massive lokale Präsenz bietet auch das Lagerhaus Mostviertel Mitte.
Mit seinen Auto Technik Zentren (ATZ) bietet es an fünf Standorten
die Marken Fiat, Nissan, Peugeot, Subaru, Suzuki und Mitsubishi an.
Damit wurden die von der Kfz-GVO geschaffenen Möglichkeiten des
Mehrmarkenbetriebes voll ausgenützt.
Realistische Visionen
Diesen Weg geht auch Gerhard Rauscher in Bruck an der Leitha. Als
einziges "Raiffeisen-Autohaus" gehört dieser Betrieb keiner
Genossenschaft, sondern direkt der RWA. Und zwar deshalb, da die
Landesbank Burgenland ein defizitäres Kfz-Lagerhaus (seit 1974 in
Bruck mit Peugeot unterwegs) los werden wollte. Der aus der VW-Welt
kommende Sanierer zeigt vor, wie es nach dem erfolgreichen
BayWa-Modell in Österreich weitergehen könnte. Er hat die Marken
Peugeot, Citroën und Renault unter dem Dach eines funkelnagelneuen
Betriebes vereinigt. Daneben hat diese RWA-Tochter noch einige
zusätzliche Standorte für Suzuki, Nissan und Subaru.
Dem Mehrmarkenhändler Rauscher geht es darum, die von den
Kfz-Herstellern gepflegte EDV-Vielfalt mit dem Raiffeisen-EDV-System
auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Damit würde sich der
Arbeitsalltag all der mit dem Autogeschäft befassten selbstständigen
Genossenschafter wesentlich vereinfachen. Via Intranet könnte von der
RWA auch eine gemeinsame Gebrauchtwagenbörse geschaffen werden.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Seit 2009 ist Stefan
Mayerhofer für den RWA-Technikbereich verantwortlich. Er war lange
Jahre beim Allianzpartner BayWa tätig. Für die RWA AG mit derzeit
etwas über 3 Milliarden Euro Umsatz könnte das Autogeschäft
zusätzlich Impulse bringen, wobei der GiebelkreuzlerRauscher bei
seinen Zukunftsvisionen durchaus am Boden der Realität verbleibt:
"Wir verdienen beim Rasenmäher jedenfalls mehr als beim Neuwagen".
Ennstaler Einzelgänger
Eine Genossenschaft, die sich bisher dem Giebelkreuz entzogen hat,
gibt es im Ennstal: Dort betreibt die Landmarkt KG seit 25 Jahren
unter "Ennstal-Auto" ein Autohaus mit Standorten in Liezen und
Gröbming. Der RWA sind die Ennstaler freundschaftlich verbunden, die
Raika dient ihnen als Hausbank. Mit Ford, Volvo, Fiat und Alfa Romeo
(300 Neuwagen, 200 Gebrauchte) haben sie die Zielsetzung, in diesem
Teil der Steiermark "der Mehrmarkenhändler mit der höchsten
Kundenzufriedenheit" zu sein.