AUTO-Information: In den vergangenen Jahren haben chinesische Hersteller stark aufgeholt und sind bei den Elektroautos schon sehr weit: Haben Sie nicht Angst vor der Konkurrenz aus China?

Florian Huettl: Die Automobilindustrie war schon immer sehr kompetitiv: Jetzt sind wir in der Mitte einer sehr tiefen Transformation, wo es viele Möglichkeiten für neue Marken gibt, auf dem Markt zu erscheinen. Sehr viele Newcomer sind im Bereich der Elektroautos dabei. Daher müssen wir unsere Bemühungen weiter verstärken und Autos mit jenen Attributen auf den Markt bringen, dass sie unsere Kunden kaufen. Zum Beispiel wenn es um Qualität geht, um das Licht, um den Bereich Geräuschdämmung. Wir waren immer nahe am Kunden, und die Kunden können der Technologie von Opel vertrauen. Außerdem haben wir ein großes Händlernetz, das unseren Kunden in jedem Fall hilft – egal was sie brauchen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir gute Möglichkeiten gegen alle Mitbewerber, und wir nehmen die Herausforderung -gerne an.

Wie will man die Kunden dazu bringen, verstärkt auf Elektroautos umzusteigen?

Huettl: Wir legen einen Fokus auf alle Dinge, die unsere Kunden von einem Opel erwarten, und wir schauen auch auf den Preis: Das war beim Corsa Electric schon so, und das wird auch jetzt beim -Frontera so sein, den wir als Elektroauto ab rund 29.000 Euro anbieten werden.

Macht es Ihnen Sorgen, dass der Absatz von Elektroautos in vielen Ländern nicht weiter steigt?

Huettl: Bis Ende April lag der Absatz von Elektroautos in Europa um 6 Prozent über jenem des Vorjahres. In Deutschland hatten wir aber ein Minus von etwa 10 Prozent, weil die Fördermaßnahmen der Bundesregierung im Dezember überraschend ausgelaufen sind. Doch in anderen Ländern funktioniert der Absatz: So gab es in Großbritannien und Frankreich ein Plus, aber auch in der Türkei. Ich mache mir also keine Sorgen, denn der Langzeit-Trend geht in die richtige Richtung. Und was unseren Weg betrifft: Noch in diesem Jahr wird jeder Opel rein elektrisch zu kaufen sein.

Wird es überhaupt noch neue Opel mit Verbrennungsmotor geben?

Huettl: Nach den beiden Produktvorstellungen dieses Jahres, also dem Grandland und dem Frontera, wird die nächste Generation aller Opel-Modelle nur noch rein elektrisch auf den Markt kommen. Die derzeitige Plug-in-Technologie ist eine Brückentechnologie, bis die Fahrzeuge rein elektrisch so weit sind, dass sie von allen Kunden gekauft werden.

Welche Chance geben Sie dem Wasserstoffantrieb im Pkw-Bereich?

Huettl: Opel hat in dieser Technologie eine lange Tradition: Wir haben diesen Antrieb für den Vivaro vor einigen Jahren entwickelt. Wir sind einer der wenigen Hersteller, die solche Fahrzeuge anbieten, und bald kommt auch der Movano mit Wasserstoff. Dieser Antrieb hat sicher Vorteile, doch es hängt vom jeweiligen Einsatzbereich ab. Bei einem kleinen Stadtauto ist es nicht effizient, aber bei einer professionellen Nutzung und langen Strecken, wo man wenig Zeit zum Laden hat, ist Wasserstoff sicher sinnvoll. Hier sprechen wir vom oberen Bereich der leichten Nutzfahrzeuge. Außerdem hängt es davon ab, wo dieses Fahrzeug eingesetzt wird: Es gibt auch Länder, die hohe Investitionen im Bereich Wasserstoff getätigt haben, zum Beispiel Großbritannien und die Niederlande.

Zurück zu den Elektroautos, wo die Fördermaßnahmen in den einzelnen Ländern ja sehr unterschiedlich sind, was sich auf die Neuzulassungen auswirkt: Würden Sie europaweit einheitliche Förderungen befürworten?

Huettl: Die Europäische Union hat klare Pläne bis zum Jahr 2035, und sie hat auch den Weg vorgezeichnet: Jedes Land hat eine unterschiedliche Strategie bei der Förderung. Betroffen sind ja nicht nur die Autohersteller, sondern es geht auch um die Infrastruktur, die verstärkt werden muss. Wir benötigen ein stabiles Rahmenwerk! Wir hätten gerne eine klare Richtung von unseren Regierungen. Zum Beispiel hat Frankreich heuer sehr gute Möglichkeiten vorgezeichnet und ist damit sehr erfolgreich, auch in Großbritannien geht es gut vorwärts. Wir als Autoindustrie können unsere Strategie nicht dauernd ändern.

Manche Kritiker sagen, dass 2035 ein bisschen zu früh kommt für das Ende der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren …

Huettl: Was die Dekarbonisierung betrifft, sind wir viel ambitionierter: Für uns ist 2035 nicht relevant, da wir viel schneller sind. Unser Job ist es, Elektroautos leistbar zu machen, also Fahrzeuge im Bereich von 25.000 Euro anzubieten. Dafür braucht man ein ganzes Package an Technologien, das günstigere Preise erlaubt – und das sind nicht nur Batterien. Es ist noch zu früh, um im Detail darüber sprechen zu können. Und leider gibt es noch Herausforderungen bei der Infrastruktur: Auch in Deutschland gibt es Gemeinden, in denen es nicht ausreichend Möglichkeiten zum Laden gibt, wenn man von zu Hause oder der Arbeit absieht. Hingegen funktioniert das Fast Charging in Deutschland, Frankreich oder den -Niederlanden schon sehr gut.

Wann wird der letzte Pkw von Opel mit Verbrennungsmotor gebaut werden?

Huettl: Viel früher als Ende Dezember 2035: Wie erwähnt wird die nächste Generation aller Modelle, die nach Grandland und Frontera auf den Markt kommen, rein elektrisch sein. Und der letzte Opel mit Verbrennungsmotor wird sicher ein Plug-in-Hybrid sein.

Werden Verbrennermotoren überhaupt noch weiterentwickelt?

Huettl: Bei Opel werden diese Motoren nicht mehr weiterentwickelt: Wir setzen zum Beispiel 250 ehemalige Entwickler nun im Bereich Wasserstoff ein, auch einer der Chefentwickler von Verbrennungsmotoren ist dorthin gewechselt. Andere Leute arbeiten in der Batterieentwicklung.

Manche Leute sehen auch E-Fuels als mögliche Lösung, um Autos mit Verbrennungsmotoren weiter betreiben zu können. Was sagt man bei Opel dazu?

Huettl: Natürlich kann man E-Fuels unter gewissen Umständen CO2-neutral herstellen: Doch ich sehe auch viele Nachteile in der aktuellen Technologie. Wenn wir ein hohes Niveau an Produktion zu einem günstigen Preis erreichen, dann haben E-Fuels Zukunft, und es wäre wichtig für die Dekarbonisierung. Aber das wird sicher nicht für Neufahrzeuge funktionieren, sondern nur für Autos im Bestand. Ein großer Teil der in den vergangenen zehn Jahren verkauften Stellantis-Fahrzeuge kann E-Fuels verwenden.

Mit dem Frontera reaktiviert Opel nun wieder einen Namen aus der Vergangenheit, allerdings für ein Fahrzeug in einem anderen Segment: Wird es auch andere klingende Namen bald wieder geben – etwa Monza oder Calibra?

Huettl: Bei der Feier zu unserem Jubiläum „125 Jahre Automobilbau“ in Rüsselsheim haben wir viele Fahrzeuge aus der Vergangenheit gezeigt, das war sehr emotional. Genau das ist einer der Vorteile unserer Geschichte, dass wir so ein reiches Erbe haben: Vom Corsa wurden in 40 Jahren rund 15 Millionen Stück gebaut, und fast jeder hat eine Geschichte zu diesem Fahrzeug. Das können wir natürlich nützen, wenn es Sinn macht. Wenn wir die Möglichkeit dazu sehen, tun wir es. Wir diskutieren Opel-intern sehr intensiv, welches neue Auto wie benannt werden soll.