Das Neuwagengeschäft haben die Kfz-Betriebe großteils verloren. In Spanien werden bereits 85 Prozent aller Neuwagen-Verkäufe direkt vom Hersteller getätigt. Die restlichen 15 Prozent sind für die Hersteller ohne wesentliche Relevanz. Selbst große Händler wehren sich nicht – weil sie keine Alternative haben. Auch Hersteller, die bei ihrem bisherigen Vertriebssystem geblieben sind, haben die laufenden Verträge so gestaltet, dass sie jederzeit – ohne Zustimmung der Händler – ihr System umstellen können. Für die Hersteller ein Blankoscheck für alle künftigen Änderungen – doch ein Blindflug für die Händler. 

Durch Pandemie und Internet ist in allen Konzernen der Kontakt zu den Händlern und Kunden verloren gegangen: Das Home-Office hat sich in alle Konzern-Etagen eingeschlichen. So blieben bei Stellantis in Deutschland über mehrere Monate an die Zentrale gerichtete Anfragen und Aufforderungen unbeantwortet. Die europäischen Konzernzentralen fokussieren ihre Netzwerke nur noch auf große Händler, kleinere werden abgebaut. Opel reduzierte in Spanien in nur drei Monaten 20 Prozent seines Netzes, die meisten anderen Marken folgten. Händler werden unter Druck gesetzt, bei Verhandlungen keine Rechtsanwälte einzuschalten. Ihre eigenen lokalen Anwälte haben ihre Verhandlungsergebnisse direkt nach Paris zu rapportieren. Allerdings fehlen dort die Ressourcen im Rechtsdepartement – daher gibt es auf Anfragen auch keine Reaktionen. 

In einigen Ländern können frustrierte oder gekündigte Händler derzeit auf neue Hersteller ausweichen. Pech haben da südeuropäische Händler: Die Chinesen als Alternative zu den Europäern sind dort noch kaum gelandet. In anderen Märkten sind sie jedoch – vor allem durch Kooperationen mit gut etablierten Importeuren – bereits recht aktiv. Bloß das Service-Level erreicht derzeit – wie in japanischen Frühzeiten – noch nicht das Niveau der Europäer. 

Beim E-Car-Verkauf zeigt sich in Europa ein starkes Nord-Süd-Gefälle. In Italien liegt der Marktanteil trotz eines wieder wachsenden Neuwagen-Marktes nur bei 2,7 Prozent, in Spanien erreichte er auch nur magere 5 Prozent; lediglich Toyota lag dort über diesem Schnitt. Dafür kamen die E-Cars in Finnland, trotz der großen Distanzen im Land, auf 34 Prozent – mit Cupra und Polestar als Zugpferden.

Manchen Herstellern (Land Rover, BMW oder Ford) war das wirtschaftliche Risiko eines Agentursystems zu groß. Ein Risiko, das bisher auf eine Vielzahl von Händlern aufgeteilt war. Da Agenten keine wirtschaftlichen Risiken aufgebürdet werden dürfen, sehen die Geschäftsherren nun hautnah, welche Kosten diese Standards verursachen. Mercedes verkauft deshalb in Deutschland bis Ende 2024 sechzig eigene Niederlassungen und ersetzt diesen neuen Agenten nur die Kosten der niedrigsten Standards. Alles „mehr“ – etwa größere Schauräume – geht zu Lasten der Agenten. „Den Kaffee für die Kunden zahlen die Agenten“ – lautet die Devise. 

Bei der Umstellung der Vertriebssysteme ist derzeit daher ein Zurückrudern der Hersteller bemerkbar – vor allem, was die Standards betrifft. Manche Marken sind auf ein duales Vertriebssystem ausgewichen. Die Händler wurden Zwitter: Für manche Modelle sind sie Agenten, für andere selbstständige Händler. Wie bei diesem Mischmasch die damit verbundenen Kosten sauber getrennt werden können, damit Agenten nicht doch auf Händlerkosten sitzen bleiben, ist derzeit noch ein rechtliches Rätsel.