Kürzlich bin ich auf eine Pressemitteilung zu einer neuen Motorölreihe gestoßen, in der die Produkte als „geeignet“ beschrieben wurden. Die vollständige Aussage lautete: „Beide Produkte verfügen über zahlreiche offizielle OEM-Freigaben und sind auch mit anderen Herstellerspezifikationen kompatibel … Das Motoröl eignet sich zudem für weitere Automarken.“ 

In diesen zwei Sätzen werden drei verschiedene Begriffe verwendet: „freigegeben“, „kompatibel“ und „geeignet“. Noch verwirrender: Es wurde keine konkrete Industrie- oder OEM-Spezifikation genannt. Nach 25 Jahren in der Entwicklung von Motorölen, Spezifikationen und Freigabeprozessen kann ich sagen: Diese Aussage ist unklar und führt zu Fragen. Selbst ich wüsste nicht, für welche Fahrzeuge dieses Motoröl tatsächlich passt. Wie soll dann ein Werkstattmitarbeiter oder Mechaniker sicher sein, dass das Motoröl für das jeweilige Fahrzeug geeignet ist? 

In der Schmierstoffbranche hat sich eine Unterscheidung zwischen „Suitable for Use“ (SFU =„geeignet zur Verwendung“) und „OEM Approved“ (vom Automobilhersteller freigegeben) etabliert. SFU bedeutet meist, dass das Produkt bestimmte Spezifikationen erfüllt – oft, um die Kosten und vor allem den Aufwand einer offiziellen OEM-Freigabe zu vermeiden. „Geeignet zur Verwendung“ ist jedoch kein offiziell geregelter Begriff. Marketingabteilungen nutzen daher auch Begriffe wie „kompatibel“. 

Strenge Tests durch OEM

Im Gegensatz dazu haben OEM-freigegebene Motoröle strenge OEM-Tests durchlaufen. Die Ergebnisse wurden von Experten geprüft und das Motoröl wurde offiziell freigegeben. Die Verbreitung von SFU-Motorölen sorgt für Bedenken. Organisationen wie die britische VLS (Verification of Lubricant Specifications) berichten, dass „Nichteinhaltung der angegebenen Spezifikationen die häufigste Beschwerdeursache“ ist – manche Motoröle halten also nicht, was das Etikett verspricht.

Die hier angeführte Übersichtstabelle von Lubrizol zeigt klar: Nur „freigegeben“ bedeutet, dass das Produkt von einem OEM geprüft und bestätigt wurde.

Unterschiede bei OEM 

Verschiedene OEM gehen unterschiedlich vor, um sicherzustellen, dass das richtige Motoröl verwendet wird:

• Einige Automobilhersteller verlassen sich auf Industriespezifikationen wie ACEA, API oder ILSAC. ACEA ist vor allem in Europa verbreitet, API und ILSAC eher außerhalb Europas. Diese OEM geben oft diese Standards vor, weil die entsprechenden Motoröle in ihren Hauptmärkten außerhalb Europas besser verfügbar sind. 

• Andere OEM nutzen Industriespezifikationen als Basis für eigene Standards und ergänzen diese mit zusätzlichen Tests. Sie führen aber keine offiziellen Listen mit freigegebenen Motorölen. Die Motorölhersteller sind selbst verantwortlich, ihre Produkte gemäß den Spezifikationen zu testen und sicherzustellen, dass sie die angegebenen Standards dieser Automobilhersteller erfüllen.

• Die strengsten OEM verlangen eigene Tests und geben eine schriftliche Freigabe. Einige dieser Autohersteller veröffentlichen Listen mit freigegebenen Motorölen in ihren Service-Informationssystemen.  Mercedes-Benz stellt diese Listen sogar für jeden einsehbar im Internet zur Verfügung. Diese Freigaben gelten immer für einen bestimmten Produktnamen, Formulierung und Viskosität – daher ist unbedingt auf die genaue Bezeichnung achten.

Wenn die Freigabe fehlt?

Was passiert, wenn ein Motoröl ohne echte Freigabe verwendet wird? Oft passiert nach dem ersten, zweiten oder sogar dritten Ölwechsel gar nichts. Langfristig aber können kleine Materialunverträglichkeiten dazu führen, dass Motorteile früher verschleißen. Im besten Fall betrifft das „nur“ bestimmte Teile im Motor. Beispielsweise im Motoröl laufende Zahnriemen oder Ölpumpenriemen, durch Motoröldruck beaufschlagte Spannelemente oder andere Teile, die dann frühzeitig getauscht werden müssen.  Die Kundenzufriedenheit wird durch solche Probleme aber sicher nicht steigen.  

Manchmal sind die Folgen sogar noch gravierender: In einem harten Industrietest, der die Belastung des Motoröls über einen ganze Serviceintervall in nur 96 Stunden simuliert, hat Lubrizol ein „geeignet zur Verwendung“-Motoröl mit einem voll freigegebenen Motoröl verglichen. Die Bilder zeigen das freigegebene Motoröl nach 96 Stunden und das SFU-Motoröl nach nur 23 Stunden (!) – der Unterschied ist dramatisch, wie man an den Bildern sieht! Das möchte niemand seinen Kunden erklären müssen.

 Was können Werkstätten tun?

Die gute Nachricht: Die meisten Motorölhersteller halten sich an die Regeln, und man kann ihren Angaben meist vertrauen. Trotzdem ist das Thema komplex. Als Mechaniker oder Werkstattverantwortlicher können und sollten Sie Folgendes tun: 

• Prüfen Sie, welche Motorölspezifikation für das jeweilige Fahrzeug vorgeschrieben ist. Im Zweifel ins Handbuch oder Servicehandbuch schauen – die Viskosität allein reicht nicht. Wenn Sie dann noch immer unsicher sind, fragen Sie einen Experten.

• Nicht alle Fahrzeuge eines Herstellers benötigen das gleiche Motoröl – Unterschiede gibt es z. B. zwischen Benzin, Diesel, Mild-Hybrid oder Vollhybrid aufgrund spezieller Unterschiede bei den Motoren.

• Prüfen Sie den Motorölbehälter (Fass, Flasche …) auf offizielle Freigaben und achten Sie auf vage Angaben. Nutzen Sie das Werkstatt-Informationssystem der Automarke, um die richtige Spezifikation abzufragen und freigegebene Motoröle einzusehen. Einige Hersteller veröffentlichen diese Listen auch online.

• Lassen Sie sich vom Motoröl-Lieferanten schriftlich bestätigen, dass das Motoröl für das jeweilige Fahrzeug freigegeben ist. Kein Motoröl ist für alle Motoren geeignet.

• Verlassen Sie sich nicht auf „geeignet zur Verwendung“ Aussagen ohne schriftlichen Nachweis.

• Die einfache Erwähnung eines OEM bedeutet keine Freigabe für Ihren bestimmten Anwendungsfall. Das Motoröl sollte für die jeweilige OEM- oder Industriespezifikation freigegeben sein, die der OEM in den Servicevorschriften/Handbuch verlangt. Die entsprechende Anforderung sollte klar auf dem Behälter und/oder dem Produktdatenblatt des Öls aufgeführt sein, welches Ihnen der Motoröl-Lieferant auf Anfrage zur Verfügung stellen sollte.

Dieser Überblick soll Werkstätten dabei unterstützen, das richtige Motoröl für deren Kundenfahrzeuge auszuwählen und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Bei Fragen zu Motorölen schreiben Sie uns an schmierstoffe@awverlag.at, wir beantworten ausgewählte Fragen im nächsten ÖL & Wirtschaft (in der Juni-Ausgabe). 

Lubrizol

Die Lubrizol Corporation, ein Unternehmen der Berkshire Hathaway-Gruppe, ist ein weltweiter Spezialchemikalienhersteller, der Technologien für die Automobil-, Transport-, Industrie- und Konsumermärkte anbietet. Lubrizol wurde 1928 gegründet und ist weltweit präsent, mit mehr als 100 Produktionsstätten, Vertriebs- und Technikbüros sowie über 7.000 Mitarbeitenden rund um den Globus. Weitere Informationen finden Sie unter www.Lubrizol.com. 
Lubrizol hat Dipl.-Ing. Martin Huber mit Hintergrund- und Bildmaterial für diesen Artikel unterstützt.

 

Begriffsdefinition

• OEM – Original Equipment Manufacturer / Automobilhersteller

• ACEA – Association de Constructeurs Européens d’Automobiles, European Automobile Manufacturers’ Association / Verband der europäischen Automobilhersteller

• API – American Petroleum Institute

• ILSAC – International Lubricants Standardization and Approval Committee