Frauen in Führungspositionen gibt es nicht viele in der automobilen Welt: Mary Barra hält sich seit mehr als 10 Jahren als CEO von General Motors, das in Europa nach dem Rückzug von Chevrolet und dem Verkauf von Opel nahezu unsichtbar geworden ist. Und am anderen Ende der Welt, zumindest aus europäischer Sicht, ist Stella Li seit einigen Jahren das Gesicht von BYD. Egal ob auf einer Investorenkonferenz in Österreich, auf einer Automesse irgendwo in Europa oder eben in China: Stella Li ist allgegenwärtig und spult bereitwillig ein Round Table mit Journalisten nach dem anderen ab.
Executive Vice President lautet der Titel der Chinesin – und ihr Englisch ist formidabel: Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen etwa auf die Frage, ob BYD auch in Europa die Nummer 1 werden wolle, wie das in China bereits der Fall ist. „Das ist eine große Herausforderung“, sagt sie unumwunden: Europa sei noch immer das Herzstück in dieser Branche, denn schließlich sei auch das erste Auto aus Europa gekommen. Daher glaube sie momentan nicht, dass BYD die Nummer eins in Europa sein könne. „Aber wir werden einer der wichtigsten Akteure auf dem Markt sein.“ Auf Nachfrage nennt Li auch den Zeit-horizont dafür: „Wir arbeiten hart. Wir müssen das Ziel später festlegen. Aber ich garantiere Ihnen: In spätestens 10 Jahren werden wir viel stärker sein.“
45 neue Patente an jedem Werktag
Wie dies geschehen soll? 3,7 Millionen E-Autos bzw. Plug-in-Hybride hat BYD allein in den ersten 10 Monaten 2025 weltweit verkauft. Li nennt 120.000 Beschäftigte, 65.000 Patente, wobei 45 neue an jedem Werktag dazukommen. Und einen Einblick gewährt auch der Schauraum, der erst vor wenigen Monaten neben dem Testgelände nahe der Stadt Zhengzhou fertiggestellt wurde. Da stehen bei Weitem nicht alle Modelle von BYD, dennoch sind es mehrere Dutzend, entwickelt für unterschiedlichste Weltregionen. Weil gleichzeitig neben Europäern auch Journalisten aus (an Öl und Geld) reichen Ländern der arabischen Welt herangekarrt werden, steht da auch ein Yangwang U8L – ein Riesentrumm von SUV, mit dem man am anderen Ende des Testgeländes eine Runde im Schwimmteich drehen kann. Europa-Export? Nein!
Und auch den Yangwang U9, einen Elektro-Sportwagen mit mehr als 1.300 PS, von den Chinesen dank seiner 496,22 km/h stolz als „schnellstes Auto auf dem Planten“ tituliert, wird man in Europa (außer bei weiteren Tests auf Rennstrecken) nicht zu Gesicht bekommen. Viel größer sind da schon die Chancen, dass in wenigen Monaten der BYD Shark in Österreich auftaucht: ein Pick-up, der durchaus seine Käufer finden könnte.
Und auch die Marke Denza wird wohl 2026 ihre Pflöcke in Österreich einschlagen: Doch die naheliegende Idee, dass Denza schon allein phonetisch perfekt zu Denzel (dem Importeur von BYD, MG und Maxus) passt, wird wohl nicht verwirklicht werden, verlautet aus Importeurskreisen: Der Denza B5 (ein kantiger Geländewagen mit Plug-in-Antrieb und bis zu 920 Kilometer kombinierter Reichweite, den wir in China ausprobieren durften) sowie möglicherweise auch der Denza Z9 GT (eine Sportlimousine mit interessanten Eigenschaften wie Umdrehen am Stand) werden wohl von einem anderen Importeur zu uns gebracht werden.
Ladenetz für Flash Charging wird aufgebaut
Während der Veranstaltung zeigt man den Journalisten auch das Flash Charging: „So schnell wie normales Tanken“, sagt Li: 400 Kilometer Reichweite seien binnen 5 Minuten zu schaffen, versichert man. Auch in Europa soll es jetzt rasch gehen mit dem Aufbau des Netzes: „Wir bringen ja schon 2026 in Europa den Denza Z9 GT auf den Markt“, sagt Li: Er ist das erste Produkt, das mit dieser Technologie ausgestattet ist. Daher will BYD so schnell wie möglich 600 Flash-Charging-Stationen in ganz Europa aufbauen. Li: „Mein Ziel für das Team ist das 2. Quartal 2026. Ende 2026 sollen es dann 3.000 Stationen sein: ein sehr ambitionierter Plan“, wie selbst die BYD--Managerin zugibt. Nur zur Ergänzung: Weltweit will China Ende 2026 sogar an 6.000 Stellen Flash Charging ermöglichen.
1.200 Mitarbeiter in den 5 Design-Zentren (Shanghai, Shenzhen, Xi‘an, Los Angeles und neuerdings Mailand) hat Chefdesigner Wolfgang Egger: „Wir haben damit Kapazität für 100 Modelle pro Jahr“, sagt er. Als Europäer kann man bei solchen Zahlen ins Grübeln kommen, verstärkt durch die Worte jener Dame, die uns durch die Fabrik in Zhengzhou begleitet: Die kommen quasi im Befehlston, sind aber nur Fakten zur Arbeitsweise in der Fabrik, in der auf 6 unterschiedlichen Plattformen insgesamt 12 verschiedene Modelle produziert werden.
Doch nicht alles funktioniert nach Plan
Doch dass die Chinesen ihren Reis auch nur mit Wasser kochen, sieht man an allerlei Details dieser Reise: etwa an den dauernd veränderten Planungen oder an diversen Unpünktlichkeiten (außer beim Schnellzug nach Peking, der die 700 Kilometer in 2:20 Stunden schafft). Und dass die Immobilienkrise tatsächlich existiert, zeigt sich, wenn in den Hunderten Wohnungen mehrerer nebeneinander liegender Wohntürme kein einziges Licht brennt …
Nun startet auch Chery
Seit November 2025 sind die Töchter Omoda und Jaecoo in Österreich am Markt, für März 2026 hat nun auch Chery sein Erscheinen angekündigt – mit einem Importeur aus Israel.
Vier Modelle zu Beginn
Die China-Marke NIO ist mit vier Modellen gestartet; vorläufig sind zwei Händler (Auer in Krems und Lampelmaier in Mattsee) fix. Am weiteren Ausbau des Netzes wird gearbeitet.
