Die Zeit des Generationenwechsels in einem Betrieb ist eine Zeit der hochspannenden, mitunter für die Existenz der Firma gefährlichen Entwicklungen. Die Phase der Betriebsübergabe von vornherein als klassischen Fall für ein Krisenmanagement zu sehen, ist nicht immer übertrieben. Wirtschaftliche Faktoren sind die eine Seite, dazu kommen oft komplizierte Familienverhältnisse und die Verquickung von Unternehmens- mit Privatvermögen. Oft genug zerbricht an der Übernahme nicht nur das Unternehmen, auch der Familienzusammenhalt wird gefährdet.
Damit dieser Katastrophenfall nicht eintritt, holen sich Unternehmenslenker gern erfahrene Berater wie Michael Holub ins Boot, um die Phase der Betriebsübergabe zu begleiten. Der „Solopreneur“ ist einer der Top-Experten in Sachen Betriebsübergabe und als solcher in der österreichischen Kfz-Branche sehr bekannt. Wir haben ihn für diese Sonderausgabe zu seinen Gedanken zur Betriebsübergabe und im speziellen zur Unternehmensbewertung gefragt.
Während eine Bewertung des Unternehmens als erster Schritt zweifellos essenziell ist, ehe die Weitergabe – samt Abfindung eventuell anderer erbberechtigter Personen – regeln zu können, sieht Holub schon hier erste Schwierigkeiten am Horizont. Denn wie ermittelt man überhaupt, wie viel eine Firma wert ist?
„Dafür gibt es eine Reihe von Bewertungsmethoden, alle mit ihren eigenen Stärken und Schwächen“, erläutert der Experte. „Anfangs muss man sich einmal klarmachen, dass der Wert für die Übergabe immer ein Übereinkommen darstellt. Alle Beteiligten müssen einverstanden sein.“ Ein Satz übrigens, den wir im Gespräch noch öfter hören werden. Das Einvernehmen aller beteiligten Personen – Übergeber, Übernehmer, restliche Familienmitglieder, eventuell Mitarbeiter – steht im Zentrum des gesamten Übergabeprozesses. 

Gar nicht so einfach: Wie viel ist das Unternehmen wert?

Es gibt mehrere Bewertungsmethoden für Unternehmen, bei denen vorhandene Sachwerte ebenso eine Rolle spielen wie Umsätze und Erträge der Vergangenheit, aber auch Vergleichswerte aus der Branche. Bei der Substanzwert-Methode etwa stehen Marktwerte vorhandener Sachanlagen im Vordergrund, die zusammen mit vorhandenen Schulden und etwaigen Rücklagen den Substanzwert bilden. „Diese Methode sollte nur in Kombination mit optimistischeren Verfahren angewandt werden“, empfiehlt Holub. Immobilien sollten überhaupt in eine eigene GmbH ausgelagert und vom operativen Geschäft getrennt werden. Das gibt Sicherheit für den Fall der Krise und bietet die Möglichkeit, dass Erben, die nicht im Betrieb arbeiten, weiter an den Immobilien beteiligt sein können. 
Dem gegenüber steht das Ertragswert-Verfahren, das die Firma als Investition in den Mittelpunkt stellt, welche einen gewissen Zinssatz einbringt. Aus bisherigen Gewinnen, dem Basiszinssatz und Risikofaktoren wird der Ertragswert errechnet. Klingt für einen Kfz-Betrieb schon passender? Holub: „Es ist halt nicht gesagt, dass ‚der Junge‘ das Geschäft automatisch so erfolgreich weiterführen kann, wie der vielleicht in der Region besonders gut vernetzte und beliebte Senior dies konnte.“

Bei der Multiplen (oder Multiplikator-)Methode zur Unternehmensbewertung zieht man bereits erzielte Verkaufspreise ähnlicher Unternehmen in Relation zu deren Ertrag oder Umsatz heran. Dies werde vor allem angewandt, wenn ein Unternehmen ein anderes übernimmt. Ebenfalls für große Firmen wird das Discounted Cashflow-Verfahren angewandt, welches die Ausgangslage des Unternehmens und einen Business Plan für die nächsten 5 bis 7 Jahre der Bewertung zugrunde legt. 
Was kommt in der Realität zur Anwendung? „Hauptsächlich werden Mischformen angewandt, derer es ebenfalls mehrere gibt“, so Holub. Substanz- und Ertragswert werden in unterschiedlichen Verhältnissen herangezogen, dazu ein Kapitalisierungszinsfuß. Das Ergebnis ist beispielsweise die „Schweizer Formel“, welche zu zwei Dritteln den Ertragswert und zu einem Drittel den Substanzwert sowie einen Kapitalisierungszinsfuß von 9,5 Prozent heranzieht.
„Darüber hinaus berücksichtigt man in der Bewertung von Unternehmen auch diverse subjektivere Faktoren“, betont Holub. Dazu zählen die Kundenstruktur in der Region ebenso wie Ausbildungsstand und Know-how der Mitarbeiter oder die Reputation des Unternehmens. Diese zu pflegen, zählt für Unternehmensberater Holub zu den wichtigsten Teilen der Basisarbeit eines Unternehmens, ebenso wie er die zunehmende Bedeutung von Digitalisierung betont. Ob der Betrieb angesehen und die digitalen Werkzeuge auf neuestem Stand und in den täglichen Abläufen gut eingesetzt sind, sind wichtige Faktoren für den Unternehmenserfolg. 

„Kann trotzdem schiefgehen“

Auch die Bedeutung des Alt-Unternehmers für den Betriebserfolg muss man in Betracht ziehen, oft gilt die Binsenweisheit, dass das Unternehmen ohne den Gründer nicht mehr funktioniert. Und auch das böse Sprichwort von der ersten Generation, die gründet, der zweiten, die weiterführt, und der dritten, die das Unternehmen dann in den Sand setzt, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen.
In jedem Fall sollte eine Unternehmensübergabe gut vorbereitet sein, wie Holub betont. Generell wird zu mehreren Jahren an Vorbereitungszeit geraten, Holub präsentiert seinen Kunden sogar einen „Fünf-Jahres-Plan“, der interne und externe Kommunikation ebenso beinhaltet wie die finanzielle Planung oder eventuell notwendige Weiterbildungsmaßnahmen für den künftigen Unternehmer.
Aus Erfahrung weiß Holub, dass die Übergabe trotz aller Vorbereitungen schiefgehen kann, ja, dass Betriebsnachfolgen in späteren Generationen mit immer höherer Wahrscheinlichkeit scheitern. „Externe Berater bieten den Betrieben hier auf jeden Fall einen Mehrwert“, ist er sicher. „Sie sehen auch blinde Flecken und scheuen sich weniger, unangenehme Fragen zu stellen als Familienmitglieder, etwa die Kinder eines Unternehmensgründers.“