A&W: Volkswagen hat im März das künftige Einstiegsmodell in die Welt der Elektroautos vorgestellt. Wird es wirklich den sperrigen Namen ID. EVERY1 tragen?

Martin Sander: Die Autos bekommen wieder richtige Namen. Die Frage stellt sich konkret mit der Markteinführung neuer Modelle – weder der ID. 2all noch der ID. EVERY1 werden in der Serie so heißen. Wir verkünden das, wenn es so weit ist.

Welche Erwartungen haben Sie beim Absatz dieses Modells, das für einige Zielgruppen interessant ist?

Sander: Klar ist, dass der ID. EVERY1 kein Nischenmodell wird, sondern ein Volumenmodell, das eine Fabrik gut auslasten wird, wenn er 2027 auf den Markt kommt. Und den angekündigten Einstiegspreis von 20.000 Euro streben wir auf jeden Fall an.

Volkswagen hat in den vergangenen Monaten den Absatz des ID.3 deutlich angekurbelt, indem die Preise gesenkt wurden. Haben Sie damit Ihr Ziel erreicht?

Sander: Unser Ziel war es, unseren Kunden ein attraktives Leasingangebot zu vergleichbaren Konditionen wie beispielsweise bei einem Golf anzubieten. Wir waren positiv überrascht über die hohe Nachfrage. Allein in Deutschland haben wir eine fünfstellige Zahl in zwei Wochen abgesetzt. Das Angebot war auch immer nur als 14-tägige Aktion geplant

Wie wird es mit dem Absatz von Elektroautos bei Volkswagen weitergehen, nachdem die EU ihre -Pläne wegen der CO2-Ziele etwas revidiert hat?

Sander: Wir sind die zweitgrößte Pkw-Marke der Welt und mit Abstand Marktführer in Europa. Für uns ist klar: Die Zukunft wird batterieelektrisch sein, so wie es beispielsweise in Norwegen schon der Fall ist. Unser Anspruch ist, dass wir auch Marktführer in der Elektromobilität sein wollen. Wir müssen als Marke führend im Bereich der E-Mobilität sein und haben einen ambitionierten Plan, wie wir das umsetzen wollen.

Es gibt immer wieder Forderungen, dass das von der EU geplante Verbrennerverbot im Jahr 2035 aufgeweicht wird. Was sagen Sie dazu?

Sander: Die aktuelle Gesetzgebung ist Grundlage unserer Unternehmensplanung. Wir sind davon -überzeugt, dass sich die Elektromobilität durchsetzen wird, weil Elektroautos das bessere Produkt sind.

Als nächste wichtige Neuheit kommt bei Volks-wagen die Elektrifizierung des Polo-Segments: Wie ist hier der Zeitplan?

Sander: Bevor wir den ID. EVERY1 im Jahr 2027 auf den Markt bringen, kommt 2026 die Serienversion des ID. 2all. Wir haben ja schon jetzt ein sehr attraktives Portfolio vom kompakten ID.3 über den ID.4 und ID.5 bis hin zum langstreckentauglichen ID.7. Wir sind mit der Nachfrage sehr zufrieden: Beim ID.3 haben wir einen sehr hohen Auftragsbestand – und wir verkaufen in Europa bereits mehr ID.7 als Passat. Mit dem ID. 2all, der ab 25.000 Euro angeboten werden soll, sind wir in einem ganz anderen Preisbereich. Mit der Einführung dieser Modelle werden wir auch in Südeuropa sehen, dass die Nachfrage nach voll-elektrischen Fahrzeugen steigt. Mit dem ID. EVERY1 haben wir jetzt die Chance, in das Segment wieder neu einzusteigen. Insgesamt haben wir eine gute Abfolge an neuen Elektromodellen: Vom Kleinwagen bis zum Kombi und dem ID. Buzz ist alles dabei. Für die Marke spielt Letzterer eine unglaublich wichtige Rolle, auch weil es einen Riesenhype in den USA gibt.

In China kommt der ID.7 aber nicht so gut an. Wie wird es mit dem Angebot an Elektroautos in China weitergehen?

Sander: In China ist der Markt von Elektroautos extrem preisumkämpft, selbst neue Modelle werden von Wettbewerbern teilweise mit hohen Rabatten auf den Markt gebracht. Eine Herausforderung auch für den ID.7, der so erfolgreich in anderen Märkten ist. Doch wir setzen in diesem schwierigen Umfeld nicht auf kurzfristige Markterfolge, sondern verfolgen einen nachhaltigen Wachstumsplan. Daher erkaufen wir uns keine Marktanteile, sondern investieren in unsere langfristigen strategischen Ziele. Ab 2026 werden wir unsere Marktposition in China mit einer neuen Generation China-spezifischer Elektroautos weiter stärken, mit denen wir zusätzliche Marktpotenziale und neue Kundengruppen erschließen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir im nach wie vor sehr profitablen Segment der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren klarer Marktführer in China sind und unsere Marktanteile von Monat zu Monat steigern. Dieses Verbrenner-Portfolio hybridisieren wir schrittweise und transformieren es so in eine starke Flotte elektrifizierter Fahrzeuge.

Kommen wir noch einmal zurück zum ID. EVERY1: Ist geplant, dass dieses Fahrzeug auch von anderen Konzernmarken verkauft wird? Die Rede war davon, dass Seat ein kleines Einstiegsmodell erhält …

Sander: Das ist aktuell nicht geplant. Das Segment der A00-Fahrzeuge, also unter vier Metern, ist relativ klein. Daher müssen wir im Konzern genau überlegen, wie viele Derivate wir anbieten wollen. Der ID. EVERY1 wird in Deutschland entwickelt und im portugiesischen Palmela gebaut.

Aber wie soll das bei einem Preis von 20.000 Euro funktionieren?

Sander: Die Entwicklung der Batteriepreise erlaubt es uns, so ein Fahrzeug profitabel anbieten zu können. Gleichzeitig wird bei den Kosten alles auf den Prüfstand gestellt. Da müssen wir jeden Stein umdrehen und werden neue Produktionsmethoden einsetzen. Alles, was wir jetzt ändern, bringt uns so weit, dass sich das Auto rechnet. Das gesamte Unternehmen profitiert davon, was wir bei diesem Fahrzeug lernen. Man kann so ein Projekt nicht auf Hoffnung aufbauen, sondern wir setzen auf solide Erfolgswerte und Pläne.

Volkswagen hat vor wenigen Wochen angekündigt, dass man bei E-Autos das Agenturmodell abschafft und den normalen Vertrieb einführt. Warum?

Sander: Wir arbeiten derzeit in zwei Welten: In Deutschland funktioniert das Flottengeschäft in der Agentur seit über 20 Jahren hervorragend, das soll auch weiterhin so bleiben. Im Einzelkundengeschäft haben wir die Agentur in mehreren Ländern pilotiert, doch durch den langsameren Hochlauf der Elektromobilität müssten wir länger als geplant zwei Vertriebssysteme parallel betreiben. Das ist hoch komplex und hätte bei uns und unseren Handelspartnern auf längere Sicht viele Kapazitäten gebunden.

Waren die Partner im Agentursystem weniger motiviert?

Sander: Ein starkes Händlernetz ist für ein Unternehmen ein großes Asset und ein Riesenvorteil. Wir haben auf der ganzen Welt ein extrem leistungsfähiges und motiviertes Händlernetz. Wir haben gemeinsam entschieden, dass aus den oben genannten Gründen kurz- und mittelfristig die Rückkehr zum Einzelhandelssystem die bessere Alternative ist. Zudem bietet sie mehr unternehmerische Freiheiten. Langfristig hat die Agentur aber viele Vorteile und bleibt daher unser Zielbild.