Jetzt ist es also so weit: Ein Jahr früher als noch vor Kurzem postuliert, soll über das im Oktober 2022 beschlossene Zulassungsverbot für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2035 in der EU erstmals befunden werden. Erstmals? Das ist die Frage, denn im Beschluss 2022 hat man eine wiederkehrende Überprüfung alle zwei Jahre, erstmals 2026 vorgesehen. Welche Marktverzerrungen eine Revision zu einem noch späteren Zeitpunkt, sagen wir 2030 oder gar 2032 bedeuten würde, hat wohl niemand damals bedacht.
Es ist zu hoffen, dass der nunmehr eingekehrte Realitätssinn nicht nur zu einer weiteren Hau-Ruck-Aktion im heurigen Herbst führt, sondern der Autoindustrie und den Konsumenten eine klare Antwort für die kommenden Jahre bringt. Denn die Entscheidung im Herbst 2022, die damals als großer Erfolg des Green Deals des Kabinetts von der Leyen I abgefeiert wurde, hat die europäische Automobilindustrie und alle mit ihr verbundenen Segmente in eine nie dagewesene, von einigen allerdings prognostizierte, Krise gebracht.
Erstaunlich ist, welche Wendigkeit politische Entscheidungsträger an den Tag legen können. Wobei es dieser nicht bedurft hätte. Eine tiefergehende Befassung mit der Aufgabenstellung und weniger Aufmerksamkeit für den von einzelnen Lobbying-Gruppen erzeugten medialen Druck hätten schon damals zu einem anderen Beschluss führen müssen. Und diese Befassung hätte auch die geopolitischen Rahmenbedingungen und die Frage nach der Energieaufbringung umfassen müssen. Europa lernt es jetzt auf die etwas härtere Tour, dass man aus Brüssel heraus nicht gleichzeitig das Weltklima, den Weltfrieden und die eigene Wirtschaftskraft retten kann. So ehrenwert und wichtig das auch wäre.
Bevor man die Frage der Antriebstechnologie in Pkw regulatorisch entscheidet, muss Europa seine Energiestrategie formulieren und die daraus folgenden notwendigen Investitionen absichern. Nicht nur finanziell, sondern auch in Hinblick auf Genehmigungsverfahren. Und selbst dann bleibt ungewiss, ob die Frage der Antriebstechnologie geeignet ist, vom Gesetzgeber entschieden zu werden.
Denn die technologische Entwicklung schreitet in vielen Bereichen so rasant voran, dass man mit jeder regulatorischen Entscheidung jetzt riskiert, eine mögliche bessere künftige Lösung zu verhindern. Als Beispiel sei das Thema „vehicle-to-grid“ genannt. Hier ist theoretisch bei einem angenommenen Marktanteil von 50 Prozent Elektroautos eine Speicherkapazität von 125 GWh im Lande verfügbar. Im Vergleich dazu haben laut E-Control alle Pumpspeicher im Lande je nach Jahreszeit zwischen 500 und 2.800 GWh Energie gespeichert. Es handelt sich also um eine nicht unwesentliche Regelreserve im Stromverbund. Wenn die Autoindustrie gemeinsam mit der E-Wirtschaft aber nicht eine für den Konsumenten praktikable Lösung entwickelt, wird es dazu nicht kommen.
Die Politik ist jetzt gefordert, diese systemische Betrachtung durchzuführen und sich dazu sämtlicher Experten der unterschiedlichen Disziplinen zu bedienen. Mit schnellen Aussagen in die eine Richtung, die das Aus vom Verbrenner-Aus versprechen, oder in die andere Richtung, die Diskussion als rückwärtsgewandt abzuwürgen, kommen wir aus diesem Dilemma nicht heraus.
Und die erzeugten Erwartungen auf eine gute Lösung bereits vor dem Jahresende sind völlig überzogen. Wir werden mit der Unsicherheit noch länger arbeiten müssen. Wenn dafür am Ende eine wirklich durchdachte und auf Jahrzehnte gute Lösung entsteht, ist es das allemal wert.