Die Lehre ist mit dem berühmten „dualen System“ der Ausgangspunkt für viele erfolgreiche Karrieren in der Automobilbranche. Aber gerade in Zeiten des schnellen Wandels ist der Lehrabschluss keinesfalls das Ende des Lernprozesses. Das „lebenslange Lernen“ ist längst auch für die Kfz-Branche zur Realität geworden – ganz gleich, ob es darum geht, dem Kunden aktuelle Produkte mit neuen Technologien in allen Details erklären zu können, oder darum, diese neuen Technologien mit modernen -Werkzeugen warten und reparieren zu können.
Ausbildung hält Schritt mit der Technik
Auch die Lehre selbst wird selbstverständlich laufend weiterentwickelt, wie Bundesinnungsmeister Roman Keglovits-Ackerer ausführt. „Was heute Hochvoltsysteme sind, waren früher Arbeiten an der Klimaanlage, und bald werden wir Spezialisierungen für Wasserstoff-Systeme bei schweren Nutzfahrzeugen brauchen. Damals wie heute muss die Ausbildung mit der Entwicklung der Technik Schritt halten.“ So arbeitet man in der Innung derzeit daran, dass Kfz-Technik und Karosseriebau auch in der Ausbildung näher zusammenrücken, und daran, die ersten Stufen der Hochvolt-Ausbildung bis zur Stufe HV2 in die Lehrausbildung zu integrieren. „Für die Stufe HV3 soll es zwischen Gesellen- und Meisterprüfung eine Spezialisten-Qualifikation geben, die dann auf Stufe 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) angesiedelt sein wird.
In Sachen Meisterprüfungen berichtet Keglovits erfreut von einem Run auf die Anmeldungen, auch der Andrang auf die Vorbereitungskurse steigt. Dass nunmehr die Prüfungskosten von der öffentlichen Hand übernommen werden, begrüßt er. „Wir werden sehen, ob das den gewünschten Effekt zeigt, nämlich den, dass sich noch mehr Gesellen anmelden.“ Die Kostendiskussion bleibe sicherlich erhalten, immerhin machen die Vorbereitungskurse den Löwen-anteil des finanziellen Aufwands aus.
Nach wie vor ein Wunschberuf
Pläne, die Lehre weiterzuentwickeln und die Möglichkeiten im Rahmen des Nationalen Qualifikationsrahmens zu erweitern, sieht Direktor Bernhard Leitgeb von der Berufsschule Mattighofen durchwegs positiv. „Wir sind in den Berufsschulen innerhalb des dualen Systems eine wertvolle Säule, wir können die Ausbildung in Zeiten, wo in den Betrieben wenig Zeit ist und Lehrlinge schon früh produktiv eingesetzt werden, einen wertvollen Beitrag leisten.“ Dass die Lehrzeit allerdings bei immer schnellerer Innovation reduziert werden könne, werde sicher nicht funktionieren. „Wenn wir Hochvolttechnik und Systemelektronik integrieren sollen – was wir gerne und bereits mit Erfolg tun –, dann muss die Lehrzeit 4 Jahre betragen“, so Leitgeb. Dass Hochvolttechnik und Systemelektronik in der Lehre gefragte Modulbausteine sind, belegen die jüngsten Zahlen der Wirtschaftskammer: 676 Kfz-Technikerlehrlinge durchlaufen im aktuellen Lehrjahr das Modul Hochvolt-Antriebe, 3.191 jenes für Systemelektronik. 2021 waren es noch 385 (Hochvolt) und 3.082 (Systemelektronik).
Auch nach 17 Jahren an der Spitze der BS Mattig-hofen, wo Kraftfahrzeugtechniker, Fahrradmechatroniker und Berufskraftfahrer ausgebildet werden, ist Leitgeb von den Qualitäten des Nachwuchses felsenfest überzeugt. An der Innviertler Berufsschule absolvieren etwa 1.100 Lehrlinge den schulischen Teil ihrer Ausbildung, 85 Prozent entfallen auf die Kfz-Technik. Dass die Lehrlingszahlen generell leicht im Sinken begriffen sind, die der Kfz-Lehrlinge sich aber positiv entwickeln, erklärt sich Leitgeb vor allem damit, dass es sich nach wie vor um einen „Wunschberuf“ der jungen Menschen und nicht um eine Ausweichlösung handle. „Aktuell haben wir sogar einen Schülerhöchststand. Der Kfz-Technikerberuf ist die erste Wahl bei den jungen Herren und Damen, die hier sind“, ist Leitgeb überzeugt. Wobei man trotz leicht steigender Zahl von Frauen immer noch von einem Männerberuf sprechen muss (siehe Zahlen nächste Seite).
Der vierjährigen Lehrzeit steht auch Keglovits--Ackerer positiv gegenüber, gleichzeitig ist es ihm ein Anliegen, die Möglichkeit einer Teilqualifizierung zu schaffen. „Wir arbeiten daran, dass junge Menschen, die nach zwei Jahren Lehrzeit in eine andere Richtung gehen wollen, etwas in der Hand haben, das anderswo dann auch angerechnet werden kann.“ Dies würde der Entwicklung Rechnung tragen, dass Bildungskarrieren heutzutage oft weniger geradlinig als früher verlaufen.
Dieses Faktum lässt sich gut an der Heterogenität der Klassen in der Berufsschule festmachen. „Die klassischen Lehrlinge, die ab 15 Jahren erstmals in die Berufsschule kommen, treffen dort auf etwas ältere HTL-Abbrecher oder Absolventen der landwirtschaftlichen Schulen sowie Erwachsene, die im Rahmen der Facharbeiterkurzausbildung nach beruflicher Veränderung streben“, berichtet Leitgeb, und sogar der eine oder andere „Senioren-Lehrling“ über 50 hat als Berufs-Umsteiger schon im Mattighofener Internat gewohnt.
Hartnäckige Klischees
Dass die Lehrlingszahlen in der Branche stabil bis steigend sind, führt Keglovits auch darauf zurück, dass man die Lehre in der Öffentlichkeit gezielt ins rechte Licht gerückt habe. Dennoch sieht Berufsschuldirektor Leitgeb weiter Image-Verbesserungsbedarf: bei der Allgemeinheit, aber auch in AHS oder BHS, wo die Lehre gern noch als drohendes Schicksal hingestellt werde, wenn man in der Schule scheitere. „Lern‘ gescheit, sonst musst du eine Lehre machen, das hört man schon noch in so mancher Mittelschule“, kritisiert Leitgeb. „Dabei sollte es sich längst überallhin durchgesprochen haben, dass die Lehre deutlich mehr ist als ein Plan B. Wir brauchen Handwerker und Techniker in unserer Gesellschaft.“ Für jene, die danach weitergehen wollen, sei die Lehre mit Matura längst in der Normalität angekommen, wie auch Keglovits bestätigt.
Auch andere Klischees lässt der Innungsmeister und Unternehmer Keglovits nicht gelten, etwa fehlenden „Hausverstand“ oder geringe handwerkliche Vorkenntnisse. „Die Jugend ist sicher nicht dümmer geworden, die Anforderungen im Kfz-Betrieb sind heute viel höher als früher“. Beim handwerklichen Geschick spielten Unterschiede zwischen Stadt und Land sicherlich eine Rolle. Beim Umgang mit Computern fällt Leitgeb wiederum auf, dass den Jungen die Handhabe von Office-Programmen weniger vertraut sei als noch vor einigen Jahren, als Pflichtschulen den Europäischen Computerführerschein forciert hätten. „Der Zugang zu Diagnosetestern hingegen ist für die Jungen ein ganz selbstverständlicher“, berichtet der Direktor.
Kommunikation zwischen Schule und Branche
Probleme mit der Sprachbeherrschung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bewältigt man in Mattighofen durch Kommunikation mit den Betrieben. „Es hat wenig Sinn, einen Lehrling mit sehr -geringen Sprachkenntnissen als erstes in die Schule zu schicken, der sollte vorher im Kontakt mit Kollegen, aus Fördermaßnahmen die Sprachbeherrschung verbessern. Wir hatten aber auch schon einen Lehrling, der ausnahmsweise im Unterricht mit Übersetzungs-Apps auf dem Handy arbeiten durfte“, erzählt Leitgeb, der die Kommunikation und Kooperation mit den Lehrbetrieben als „Außenminister der Schule“ sozusagen zur Chefsache erhoben hat. „Wenn man sich kümmert, dann klappt das auch.“