Ausgehend von einer Meldung der europäischen Händlervereinigung CECRA und einem Ford-Statement in England ist das Gerücht in Umlauf gekommen, Ford habe das Agentursystem (nach der Verschiebung) nun gänzlich aufgegeben. (Die Fakten dazu kommen – wie immer neutral und aktuell – von Chefredakteur Heinz Müller in einem eigenen Artikel.)
Nach ähnlichen Entwicklungen bei Volvo, Jaguar Land Rover und GWM stellen manche Branchenbeobachter die Frage, ob das Agentursystem gescheitert ist, bevor es bei den ersten Marken so richtig umgesetzt worden ist. In Wahrheit ist das aber die komplett falsche Diskussion. Die Frage ist nicht: Agentursystem oder nicht. Die Frage ist: mit Händler oder ohne Vertriebspartner (also mit Online-Direktvertrieb). Und die ist aus heutiger Sicht und noch für viele Jahre ganz klar zu beantworten: Der flächendeckende Verkaufserfolg einer Automarke ist nur über den Händler zu erreichen. So ist der Erfolg von Tesla mit einer starken Online-Komponente nicht zu wiederholen und auch hier wird für das breite Wachstum intensiv ein Netz an (eigenen) Standorten auf- und ausgebaut. Die aktuellen Erfolge von BYD und MG in Österreich sind nur mit einem starken Importeur und einem starken Händlernetz möglich. Während Nio trotz hervorragender Autos nicht in die Gänge kommt, starten Great Wall Motors (GWM) und XPeng in Deutschland mit Händlern. Auch Chery (Omoda und Jaecoo) will mit Händlern in den Markt und selbst Fisker hat sich nun doch für den Händlervertrieb entschieden.
Agentur oder nicht: Die Zusammenarbeit muss funktionieren
An dieser Stelle sei wohl erwähnt, dass die Agenturlösung schlechter ist, als ihr Ruf. Nicht nur kleinere Händler schätzen mittlerweile die Vorteile. Dennoch ist es zweitrangig, ob das Agentur- oder ein selektives Vertriebs-System angewendet wird, die rechtliche Ausgestaltung steht nicht im Vordergrund. Entscheidend ist vielmehr, wie die Zusammenarbeit im Detail gestaltet und gelebt wird: kann der Händler Geld verdienen und seinen Betrieb erfolgreich führen, wird der Händler ausreichend unterstützt und wird der Kunde hinsichtlich seiner Anforderungen optimal betreut. Hier gehört vor allem die Customer Journey von der digitalen in die analoge, persönliche Welt dazu.
Faktum ist: die Händler MÜSSEN aus dem Verkauf bzw. der Vermittlung von Neufahrzeugen Geld verdienen. Quersubventionierungen sind nicht mehr akzeptabel, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der rückläufigen Werkstatt-Erträge durch die wachsende Elektromobilität.
Jene Marken, die mit gut betreuten und zufriedenen Händlern den Kunden optimal betreuen, werden erfolgreich sein. Egal, welches Vertriebssystem sie dafür nutzen.
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