Es ist eine beeindruckende Rallye, die der Gebrauchtwagen-Markt im Hinblick auf Preise, Verfügbarkeit und Nachfrage in den vergangenen 3 Jahren durchgemacht hat. Noch bis zum Sommer des vergangenen Jahres war der Markt stark überhitzt, die Nachfrage – wegen NW-Lieferschwierigkeiten und knappem GW-Angebot – ebenso hoch wie die Preise. Ein echter Käufermarkt, wie man ihn sich wünscht (sofern man genug Ware am Platz hat). Im Sommer ist dann die Wende gekommen. „Der Käufermarkt ist zum Verkäufer-Markt geworden“, berichtet GW-Experte und Berater Horst Pohl. Die Preise sind im Laufe des Jahres 2023 immer weiter gesunken, die Standzeiten gleichzeitig wieder gestiegen.

Sind wir nun wieder in der Normalität angelangt?
Unsere kleine Umfrage unter den Händlern deutet darauf hin. Auch die Leasing-Branche ist weitgehend entspannt. „Bei den konventionellen Antrieben nähert man sich wieder dem langfristigen Preis-Niveau, das durch -Pandemie, Lieferketten und so weiter nur temporär gestört war“, so Renato Eggner, Geschäftsführer von Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement. „Die Gebrauchtwagen-Preise gehen wieder deutlich zurück, aber wir sind noch nicht auf dem Niveau von 2020.“

Problemkind E-Auto
„Beim E-Auto ist die Situation wie erwartet schwierig, dabei haben wir mehrere Effekte“, so Eggner: „Ein großes Problem sind die starken Preisreduktionen bei den E-Fahrzeugen, die bei Tesla begonnen haben.“ Mittlerweile gibt es auch hohe Nachlässe bei anderen Marken. „Außerdem sind die Privatkunden noch nicht beim Elektroauto angekommen, nur 20 Prozent der E-Autos gehen an Private.“ Und am Gebrauchtwagen-Markt hat man es fast ausschließlich mit Privatkunden zu tun.
Ähnlich wie Mag. Dieter Unterberger, Obmann der Sparte Handel WK Tirol und Landesgremialobmann des Tiroler Fahrzeughandels, fordert Eggner daher eine Förderung für gebrauchte Elektroautos. „Denn niedrige Restwerte bei E-Autos haben natürlich Auswirkungen auf die Leasingraten von Neuwagen.“ Die E-Auto-Entwicklung wird damit gedämpft.

Zu teure Fahrzeuge am Platz?
Doch zurück zum Gesamt-Markt, der nun offenbar hinsichtlich Preis und Nachfrage in einem „normaleren“ Zustand angekommen ist. Dabei geht der jüngste Preisrückgang nicht spurlos am GW-Bestand vorüber. „Immer mehr Händler erkennen bereits Verlustpotenziale auf ihrem GW-Platz, die entsprechende Reaktionen erfordern“, analysiert Horst Pohl: „Dafür gilt es jetzt, zum klassischen Gebrauchtwagen-Management zurückzukehren, Abläufe, Prozesse und Strategien wieder zu stärken und umzusetzen, die durch die hohe Dynamik und durch den reinen Käufermarkt in den vergangenen Jahren nicht im Fokus standen.“
Auch Pohl ist überzeugt, dass im Gebrauchtwagen große Chancen und Möglichkeiten stecken, für den Erfolg muss allerdings professionell gearbeitet werden: „Dazu gehören etwa der Ankaufstest mit entsprechender Mängel-Bewertung, ein möglicher Abzug bei der tatsächlichen Rückgabe, ordentliche Auszeichnung inklusive Finanzierung und kaufentscheidenden Kriterien. Dazu gehört aber auch die Reißleine, wenn sich nach 90 Tagen kein Erfolg einstellt.“
Besonders große Sorgfalt ist beim Eintausch bzw.  Zukauf gefragt. „Am teuersten ist es für den Betrieb allerdings, NICHT einzutauschen“, warnt Pohl.

GW-Bestand bereinigen
Betreffend Lagerbestand scheint der deutliche Preisrückgang beim Gebrauchtwagen aber noch nicht überall durchgedrungen zu sein. „Manche Betriebe vermuten: Das geht sich schon noch aus. Aber wir sind – wie erwähnt – über den Sommer sehr rasch in einen Verkäufer-Markt gekommen. Dabei ist es besser, jetzt eine schwarze Null oder einen kleinen Verlust zu realisieren, als das Problem noch größer werden zu lassen.“ Schließlich sind die ohnehin beachtlichen Verlust- und Stand-Kosten des Bestands durch die hohen Zinsen noch höher geworden. Nicht zuletzt braucht es auch Finanzierungs-Spielraum für Eintäusche und Ankäufe. Mit einer sauberen Basis steht einem guten GW-Jahr nichts im Wege.