Die Erwartungen sind grundsätzlich hoffnungsvoll, hinsichtlich der Preissteigerungen aber auch etwas gedämpft“, erklärt VRÖ-Vorstand Hermann Hladky. Versorgungsengpässe sieht er dabei weniger. „Viele haben sich von den Spekulationen mitreißen lassen und frühzeitig Ware bestellt.“ Entspricht der Abfluss nicht den Erwartungen, kann das noch zu Problemen führen. „Was uns viel mehr betrifft, ist die schwierige Personalsituation, mittlerweile ähnlich wie in der Gastronomie.“ Dabei wird es schwierig, die erwarteten Leistungen zu bringen. „Das ist aus dem Tagesgeschäft die größte Sorge.“ Dabei kommt zur schwierigen Arbeitsmarkt-Situation noch die Krankenstands-Problematik, die durch ­Corona zusätzlich verstärkt wird.
Um die Leistung beim Kunden zu erbringen, sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen. „Die Abläufe müssen noch mehr terminisiert werden, das Spotgeschäft kann möglicherweise nicht gleich bedient werden“, so Hladky. „Auf diese Situation stellen wir uns ein. Wir sind leider nicht im Burgtheater, dass wir uns überall eine Doppelbesetzung leisten können.“

Wondraschek: Viele Vorziehkäufe
Die Versorgungsknappheit sieht auch sein Vorstandskollege Peter Wondraschek nicht: „Die Industrie kalmiert eher und sagt mittlerweile, dass es nicht so eng wird wie vielleicht befürchtet.“ Dabei ist das Kundenverhalten für diesen Winter sehr schwer einzuschätzen. „Auffällig war, dass wir schon sehr viele Vorkäufe im Sommer hatten, teilweise wurden Winterreifen gleich mit den Sommerreifen bestellt.“ Offenbar hat sich das Gerücht bei den Menschen breit gemacht, dass es im Winter zu wenig Reifen geben wird. „Zudem haben wir auch an den B-Handel heuer schon sehr gut verkauft.“
Wie sich diese Vorziehkäufe und die generelle wirtschaftliche Situation auswirken, sei nun sehr schwer abzuschätzen. „Natürlich kann es sein, dass einige Kunden ihre Winterreifen mit 5 Millimeter Profiltiefen noch einmal aufziehen lassen, wo sonst neue Reifen gekauft würden. Aber das kann man jetzt noch nicht abschätzen“, so Wondraschek. Dass es aus Preisgründen diesmal kein Premium-Reifen sein muss, sondern die gute Mittelklasse, die auch bei Tests gut abschneidet, vermutet Wondraschek schon. „Hier muss man die Kunden unterstützen. Als verantwortungsvoller Reifenhändler hat man das Billigste, wo man Angst um die Sicherheit haben muss, ohnehin nicht im Haus.“

Wadel: Kosten im Griff
„Die Betriebe müssen nun höllisch aufpassen, dass sie die Kosten im Griff haben. Wir wissen noch nicht, wie weit die Energiepreise steigen“, warnt VRÖ-Vorstand Herbert Wadel. Trotz Preissteigerung bei den Reifen müssten auch die Dienstleistungspreise neu kalkuliert werden. „Energie, Kleinteile, Logistik: Alles ist teurer geworden, und auch bei den Lohnkosten sind deutliche Erhöhungen zu erwarten. Da wird uns nichts anderes übrig bleiben, als auch unsere Preise anzupasssen.“ Bislang läuft das Geschäft auch bei Wadel gut: „Die Vorselektion, also die Vorab-Info an den Kunden, dass neue Reifen nötig sind, gibt bislang positive Rückmeldungen. Jetzt werden wir sehen, in welche Richtung die Entscheidung zu Winterbeginn ist, wie das etwa mit dem Zweitauto läuft.“
Abgesehen von den Herausforderungen im Tages­geschäft hat sich Herbert Wadel in den letzten Jahren sehr stark mit digitaler Werbung auseinandergesetzt. „Wir sind ein alteingesessener Betrieb, der natur­gemäß ältere Kunden verliert, weil diese nicht mehr Auto fahren.“ Mit digitaler Präsenz und Werbung können Neukunden angesprochen werden. „Wenn ich online nicht sichtbar bin und keine Werbung mache, ist das so, wie wenn ich auf meiner ­Firmenfassade keine Beschriftung mehr hätte.“
Ein Thema, über das man nach der Saison vielleicht nachdenken sollte.