Die Kfz-Branche steckt in der Krise. Dafür sind nicht nur die Verkaufsausfälle durch mehrere Lockdowns verantwortlich und auch der prognostizierte Kaufkraftverlust ist nicht ausschlaggebend. Das Problem liegt in der -freilich durch die Pandemie ausgelösten -Lieferkettenkrise. Oder einfach gesagt: Es gibt keine Autos.
Fehlt die Ware, zieht das vor allem im Fahrzeughandel einen Rattenschwanz an Problemen mit sich. Neben massiven Umsatzeinbußen gibt es naturgemäß Ärger mit den Kunden: Bei Leasingkunden müssen Verträge verlängert oder Ersatzfahrzeuge angeboten werden, Letzteres gilt auch für Käufer, die ihre Altfahrzeuge bereits verkauft haben, was bei der hohen GW-Nachfrage nicht verwunderlich ist. Gibt es eine Rücknahmevereinbarung für das Altfahrzeug, stimmt die Kalkulation längst nicht mehr, von Verschleiß, Schäden oder Beschädigungen, über die dann diskutiert werden muss, ganz zu schweigen.
Der frustrierte Verkäufer bekommt den Frust ab
Den Frust des Kunden bekommt in erster Linie der Verkäufer ab, der momentan selbst nicht gerade vor Motivation strotzt. Denn des Verkäufers Motivation ist zu einem nicht unerheblichen Teil die Provision, und zwar in einem Ausmaß, das den Unterschied zwischen einem guten Leben und der Nichtdeckung der monatlichen Kosten ausmachen kann. Nach der Phase mit Lockdowns mit quasi null Verkäufen und Kurzarbeit mit Gehalts-und Provisionseinbußen ist die Durststrecke schon sehr lange. Und sie wird noch andauern.
Das Problem setzt sich bequem auf eine bereits vorhandene Negativentwicklung drauf. Schon in den vergangenen Jahren sind die Verdienstmöglichkeiten der Verkäufer -analog zu den Neuwagen-Erträgen der Händler -gesunken. Neue Provisionsmodelle sind selten, Finanzierungs- und Versicherungs- Bonifizierungen haben in vielen Betrieben noch deutlich Luft nach oben. So beklagt die Branche schon seit Jahren einen Mangel an guten Verkäufern. Die aktuelle Entwicklung hat aus einer problematischen aber eine dramatische Situation gemacht.
Die starken Verkäufer verlassen die Branche
Laut betroffenen Betrieben bricht der starke Mittelstand bei den Verkäufern weg. Es bleiben die jungen Kollegen, die provisionsmäßig noch nicht so verwöhnt sind bzw. wo sich das Leben auch noch mit weniger Einkommen ausgeht. Weiter im Einsatz sind auch die älteren Kollegen, die sich wenige Jahre vor der Pension keinen Wechsel mehr leisten können oder wollen. "Die starken Verkäufer verlassen die Branche", berichtet ein Brancheninsider. Ähnlich wie in der Gastronomie ist die Geduld vieler Profis am Ende, sie wechseln beispielsweise in die Baubranche. "Dort werden händeringend gute Verkäufer gesucht, die nach kurzer Einschulung auch gut verdienen können", berichtet Mag. Hans Bachinger der mit seinem Beratungsunternehmen "Menschen im Vertrieb" im Verkäufer-Recruiting tätig ist. (Lesen sie dazu auch den Kommentar "Jetzt handeln".) Dabei ist die Frage für viele Verkäufer nicht nur, wie lange die Durststrecke noch dauert, sondern ob sie überhauptwieder endet. Laut aktueller Umfrage beim Händler-Trend Barometer Österreich (Artikel: "Bei 29 % wird umstrukturiert") das von puls Marktforschung in Kooperation mit Santander Consumer Bank und AUTO&Wirtschaft quartalsweise durchgeführt wird, sind 29 Prozent der heimischen Markenbetriebe mit Kündigungen oder Umstrukturierungen konfrontiert, immerhin 12 Prozent haben noch gar keinen neuen Händlervertrag erhalten. Bei 87 Prozent der befragten Händler gibt es modellspezifische Vertriebslösungen oder Margensysteme, das trifftbeispielsweise sehr stark auf den wachsenden Bereich der E-Fahrzeuge zu. Die Zukunft des Markenvertriebs ist also sehr unsicher, das wissen auch die Verkäufer. Wie soll ein Händler in seinen Verkäufer investieren, wenn er aktuell über gar keinen Vertrag verfügt, bei dem Direktvertriebslösungen eingeführt werden oder wo die Zahl der (E-)Modelle mit reduzierter Marge im Aufwind sind?
Stützungen und Akontozahlungen
Natürlich sind aktuelle Stützungen oder ein kurzfristig erhöhtes Grundgehalt möglich bzw. aufgrund des Kollektivvertrages hinsichtlich eines Mindestgehalts auch gesetzlich erforderlich. Akontozahlungen sind schwierig, weil nicht absehbar ist, wann oder ob überhaupt wieder ausreichend Fahrzeuge undProvisionen fließen, ob Verkäufer bzw. Händler in absehbarer Zeit wieder verdienen. "Um einen echten Edelstein zu behalten, muss ich ohnehin tun, was ich kann", weiß Bachinger. Beim Mittelfeld wird es zäher. Ist die Milch also ohnehin schon vergossen? Für manche Hersteller, die vom reinen Online-Direktvertrieb träumen, vielleicht. Für den etablierten, regional stark verankerten Händler kann's das freilich nicht sein. Wie so oft, rächen sich versäumte Hausaufgaben jetzt in der Krise, umso schneller müssen die Probleme jetzt gelöst werden.
Überall "mitschneiden"
Um die Verdienstmöglichkeiten generell zu erhöhen, gibt es zahlreiche Bereiche, wo der Verkäufer "mitschneiden" kann. Das beginnt bei der mittlerweile sehr gebräuchlichen Finanzierung im Autohaus, geht über die noch nicht so oft eingesetzte Versicherung im Autohaus und kann -derzeit besonders interessant -bis zu einer Provision für den aktiven Gebrauchtwagen-Zukauf reichen.Zudem soll die Provisionierung alle Leistungen umfassen, die das Autohaus grundsätzlich anbietet: Vermietungen von Zwei-und Vierrädern, Zubehörverkauf von der Anhängerkupplung bis zur Dachbox, Reifen, Werkstätten- und Servicetätigkeiten sowie vieles mehr. Dabei muss neben der Provision auch die Schnittstelle zur Werkstätte stimmen. Wenn der Verkäufer beispielsweise eineStandheizung verkauft, muss der Einbau auch problemlos funktionieren. Dann sollten aber auch alle etwas davon haben. "Am besten ist es, die Mitarbeiter am Gesamtdeckungsbeitrag zu beteiligen", so Bachinger, der damit auf das von "Menschen im Vertrieb" angebotene System Allwin verweist.
Andere Probleme im Aftersales
Damit kommen wir zur Werkstätte, wo das Problem von anderer Seite auftritt, aber ebenfalls gegeben ist. So mangelt es im Aftersales derzeit ganz und gar nicht an Arbeit. Mehr denn je beklagen die Betriebe also den Fachkräftemangel, egal ob Lehrling, Mechaniker oder Lackierer: Gute Leute sind sehr schwer zu bekommen. Das Problem wird mit wachsenden Anforderungen noch zunehmen.
Die zentrale Position ist dabei -schon heute -der Kundendienst-oder Serviceberater. Er oder sie muss quasi eine eierlegende Wollmilchsau sein: ein perfekt ausgebildeter Techniker, mit hohem Verständnis für elektronische und technische Probleme und Zusammenhänge, Psychologie für den aufkommenden Ärger des Kunden, wenn etwas nicht funktioniert oder etwas Unvorhergesehenes passiert, ein entspannter administrativer Mitarbeiter, wenn es darum geht, Versicherungs-oder Garantie fehlerlos undder Bürokratie entsprechend abzuwickeln. Und er muss auch ein guter Verkäufer sein, denn die Zusatzleistungen beauftragt der Kunde nicht von selbst.Auch wenn das grundsätzlich schon die Quadratur des Kreises erfordert, dann sollte sich das für den KDB doch zumindest auszahlen. Während beim Verkäufer die Provision seit jeher die Regel ist, sind Bonifikationen in der Werkstätte die Ausnahme.
Provisionsmodell für Service-Berater
Arne Büchner, Kundendienst-Experte und Gründer der "Trainingshandwerker" hat ein Provisionsmodell für Service-Berater entwickelt unter dem Motto "Leistungsgerechte Bezahlung mit allen Vorteilen für den Service-Berater UND das Autohaus." Damit erfolgt die Bonifizierung ausschließlich über die Zusatzerträge. "Das Autohaus kann und darf nur dann mehr Geld ausschütten, wenn es vorher auch mehr Geld verdient hat." Der DB III muss also trotz Mehrverdienst des Mitarbeiters höher sein als zuvor. Eine transparente und nachvollziehbare Kalkulation ist dabei ebenso Voraussetzung wie die Möglichkeit zum (deutlichen) Mehrverdienst.
Exakte Analyse und Vorbereitung
Ebenso Voraussetzung beim Konzept von Büchner sind eine exakte Analyse und Umsetzungsstrategie. "Sie haben dafür nur eine Chance", weiß Büchner. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, wird der Mitarbeiter dem System keine zweite Möglichkeit geben. Funktioniert es jedoch, werden Betrieb und Serviceberater mit höherem Einkommen belohnt, die Werkstätte mit höherer Auslastung. Damit die nun stärker beschäftigten Mechaniker keine Neidgefühle entwickeln, macht es natürlich Sinn, auch die produktiven Mitarbeiter mitnaschen zu lassen. "Wir lösen das über ein System, das sich an den Arbeitszeitvorgaben orientiert", so Büchner.Der Bonus wird dann ausbezahlt, wenn der Mechaniker schneller arbeitet als in den Vorgaben. "Damit können die Zusatzverkäufe des Serviceberaters auch umgesetzt werden." Zur finanziellen Zufriedenheit aller.
Die Voraussetzung für die Auszahlung ist dabei die Anwesenheit. "Wir rechnen mit 204 Arbeitstagen pro Mitarbeiter, das sind 17 Arbeitstage pro Monat. Erreicht ein Mitarbeiter diese Anwesenheitszeit nicht, gibt es keinen Bonus." Auch das trägt zur Produktivität bei.