Der Covid-Lockdown hat weltweit ein Loch in die Automobilproduktion gerissen. War es während des Lockdowns rechtlich (fast) unmöglich, ein Auto zu kaufen, kämpfen Händler wie Kunden Monate später mit Lieferverzögerungen. Die Automobilproduktion mit einer langen Zulieferkette wieder hochzufahren, dauert (Lesen Sie dazu auch den A&W-Fokus ab Seite 10 von AUTO&Wirtschaft 9/2020, die gemeinsam mit diesem GW-Extra erscheint). Zunächst sind Händler wie Kunden mit dem Lager an Neuwagen, Kurzzulassungen und Gebrauchtwagen gut über die Runden gekommen. Schließlich war die Liquidität ohnehin sehr beengt und ein Abbau des Fahrzeuglagers daher ebenso notwendig wie willkommen.
Mittlerweile zeigen sich aber die Konsequenzen der neuen Situation: gut laufendes GW-Geschäft, stockender Neuwagen-Absatz, sowohl aus Gründen der Nachfrage wie auch der Lieferfähigkeit.
Die logische Entwicklung: Die zuletzt gut verkauften Gebrauchtwagen fehlen. Und sie kommen -aufgrund eingeschränkter NW-Produktion und -Verkäufe -auch nicht ausreichend nach.
Die österreichischen Gebrauchtwagen-Zahlen aus dem Mobidrome Cockpit, einer Echtzeit-Analyse-Funktion für Händler, zeigen die aktuelle Situation sehr eindeutig. "Der Jungwagenbestand bricht ein", analysiert Dr. Patrick Schenner, Head of Mobidrome. Für heuer ist ein Neuwagenloch von etwa 100.000 Fahrzeugen prognostiziert, die dem Kreislauf in den nächsten Jahren (mehrfach) fehlen werden.
Junge Fahrzeuge fehlen
Den Beweis dafür liefern dramatische Zahlen bei den Fahrzeugen "Jünger als 1 Jahr", die im August auf den wichtigsten österreichischen Gebrauchtwagenbörsen inseriert sind. Während im August 2019 fast 46.000 Fahrzeuge dieser Kategorie online inseriert waren, sind es im August 2020 nur 27.000 (!). Während das Privatangebot bei diesen Fahrzeugen keine Rolle spielt, gibt es allerdings massive Unterschiede bei der Größe der Händler. Mobidrome hat die Händlergröße nach der Zahl der jeweils inserierten Fahrzeuge kategorisiert.
Autohändler, die maximal 100 Fahrzeuge inseriert haben, verzeichnen nur einen geringen Rückgang. In der Kategorie der größeren Händler (100 bis 200 Fahrzeuge online) ist bereits ein deutlicher Rückgang (12.581 auf 7.586 Fahrzeuge gesamt) zu verzeichnen. Ganz massiv ist die Entwicklung bei den großen Händlern (mehr als 200 Fahrzeuge inseriert): Im Vergleich zum August 2019 ist von diesen Händlern die Zahl inserierter Jungwagen von 15.096 auf 4.835, also auf ein Drittel, zurückgegangen. Eine Zahl, die bei den Verkäufen bestätigt wird bzw. noch deutlicher ausfällt.
Jungwagen verlieren an Marktanteil
Insgesamt fällt der Anteil dieser Händler beim Fahrzeugalter "Jünger als 1 Jahr" am gesamten Online-Fahrzeugangebot von 25 Prozent auf 16 Prozent. Selbst wenn eine Unschärfe dadurch entsteht, dass diese Händler nun mit weniger Fahrzeugen selbst in einer anderen Kategorie aufscheinen, zeigt es die große Jungwagen-Problematik bei den großen Händlern. Das dürfte zwei Gründe haben: Erstens haben die großen Händler durch ihre Werbemöglichkeiten, die digitale Kompetenz und die starke Online-Präsenz in den ersten Monaten nach dem Lockdown - in Relation - besser verkauft und ihr Lager noch schneller geleert als die Kleinen.
Gleichzeitig leiden aufgrund der höheren notwendigen Menge die großen Betriebe noch stärker unter der Marktveränderung. Die großen Pakete an auslaufenden Flottenfahrzeugen und Leasingrückläufern sind ebenso wenig vorhanden wie Kurzzulassungen in größerer Zahl, die in Vereinbarung mit dem Importeur in den vergangenen Jahren massive Stückzahlen ausgemacht haben.
Ältere Fahrzeuge werden vermehrt angeboten
Die anderen Alterssegmente bleiben laut der Augustanalyse weitgehend stabil, einen Zuwachs gibt es allerdings bei den Fahrzeugen "Älter als 12 Jahre" (bei denen der Handel eine untergeordnete Rolle spielt). Entweder die Corona-Krise hat die Besitzer dieser Fahrzeuge durch Arbeitlosigkeit bzw. Kurzarbeit stark getroffen, sodass viele Autos verkauft werden müssen. Oder der Bedarf am Auto ist gestiegen, die Fahrer sind auf jüngere Modelle umgestiegen.
Mit dieser Entwicklung hat dieses Segment den Jungwagen als stärksten Bereich inserierter Fahrzeuge abgelöst. Betrachtet man die verschiedenen Segmente dazwischen (1 bis 3 Jahre, 3 bis 5 Jahre, 5 bis 8 Jahre und 8 bis 12 Jahre) ergibt sich eine Verschiebung von den großen zu den kleineren Händlern bzw. zum Privatinserat. So waren kleinere Händler - zumindest im August - besser aufgestellt und konnten sich - was den Marktanteil der inserierten Fahrzeuge betrifft - sogar leicht steigern.
Es fehlt der Nachschub
Das Problem mit den Fahrzeugen "Älter als 12 Jahre" ist zwar sozial besorgniserregend, hat auf den Automarkt aber nur geringe Auswirkungen. Entscheidend für die Branche ist das Fehlen des Gebrauchtwagennachschubs durch den Produktions- und Verkaufsausfall. Dieses "Loch" wird sich in den nächsten Jahren verschieben, mit diesen Fahrzeugen hätte der Handel zwei-bis dreimal Geschäfte machen können.
Auf den Fahrzeughandel, egal ob Markenbetrieb oder Gebrauchtwagenhandel, kommen aufgrund des Mangels herausfordernde Zeiten zu. Rücknahme, Zukauf, Sortiment, Preisgestaltung: Das alles wird sich in den nächsten Monaten und Jahren verändern und braucht hohe Kompetenz und valide Zahlen zur Entscheidungsfindung.