Verwaltungsvereinfachung, Bürokratieabbau und Ähnliches -solche Versprechungen bekommen die Bürger von ihren Politikern immer wieder zu hören. In Deutschland wurde dafür sogar ein eigenes Bürokratieabbaugesetz beschlossen. In Österreich verabschiedete der Nationalrat am 24. April 2019 ein "Anti-Gold-Plating-Gesetz", mit dem einer Übererfüllung von EU-Vorgaben rechtlich vorgebeugt werden soll. Und der damalige EU-Minister Blümel profilierte sich mit der Aufforderung an die Bürokraten in Brüssel: "Warum nicht 1000 Gesetze weniger?" Was können die Kfz-Betriebe von solchen Initiativen erwarten?

"Bei Gesundheit, Bildung oder Verwaltung geben wir Milliarden mehr aus als andere Länder, erreichen damit aber weniger", kündigte der damalige Minister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Dr. Josef Moser, bereits Anfang 2018 ein "Deregulierungsgesetz" an. Als jahrelanger "blauer" Chef des Rechnungshofs nutzte er jede Gelegenheit, die Bürokratie und die Überregulierung Österreichs anzuprangern. Zuletzt versprach Moser für den Herbst ein zweites Paket derartiger Anti-Plating-Bestimmungen. Doch werden wirklich Tausende Seiten von Gesetzen und Verordnungen außer Kraft gesetzt?

Dabei gehe es vor allem um Änderungen im Bereich von unnötigen Mitteilungs-, Melde-, Zulassungs-und Prüfpflichten -beispielsweise im Unternehmensgesetzbuch, Bankenwesen-, Bilanzbuchhaltungs-, Börse-oder Abfallwirtschaftsgesetz. "Selbstverständlich bleibt das hohe Niveau im Bereich Arbeitnehmerschutz, Umweltschutz und Konsumentenschutz von diesem Gesetz unberührt", versichert der frühere WKO-Generalsekretär Dr. Günter Stummvoll von der "Initiative Standort" dazu vorsichtshalber.

"Beraten statt bestrafen"
Konkreter als Stummvoll wird die Wirtschaftskammer selbst. Neben dem Bann des Gold-Platings fordert sie eine Modernisierung des Verwaltungsstrafrechts. Das bisherige Kumulationsprinzip, mit dem es oft zu Mehrfachbestrafungen kommt, soll zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit von Verwaltungsübertretungen und deren Bestrafung entschärft werden. "Beraten statt strafen" soll die Devise aller relevanten Verwaltungsvorschriften werden.

Aus der Sicht des Unternehmensberaters Dr. Stephan Mayer-Heinisch muss sich vor allem die Mentalität der "Verwalter" ändern: "Die Bürokratie lebt in Furcht, was alles passieren könnte. Und wer aller davor geschützt gehört." Damit wuchs die Zahl aller Vorschriften, uferte aus und machte sich selbständig. Davon wissen auch die Kfz-Betriebe ein Lied zu singen. Für eine Neonröhre, die noch nie geplatzt ist, wird plötzlich eine Abdeckung erforderlich. Und eine Vorschrift, in der das genau geregelt ist. Je mehr Vorschriften, desto mehr Schadenersatzansprüche können daraus abgeleitet werden, falls gegen die Vorschriften verstoßen wird. Die Vorschriften werden zum Selbstläufer - dennmit dem Schutz vor oder von irgendetwas lässt sich alles begründen.

Dazu gehören die Abwasserüberprüfung, die wiederkehrende Überprüfung der Arbeitsmittel, der Hebebühnen, der Garagentore etc. - wofür jeweils externe Fachleute benötigt werden. Die Einhaltung der Vorschriften und Überprüfungen muss von den Betrieben natürlich dokumentiert werden.

"Ich habe ein eigenes Gutachten über die Standfestigkeit des Zaunes benötigt", erinnert sich Autohändler Wilhelm Weintritt aus Baden an den Umbau eines seiner Autohäuser. Dafür musste ein Architekt beauftragt werden, dessen Ergebnis dann von einem Gutachter der Behörde vor Ort nochmals überprüft wurde. JederBetrieb, der um eine §57a-Prüfbewilligung ansucht, weiß, welcher administrative Hürdenlauf damit verbunden ist.

Ein wahres Vorschriften-Eldorado ist aus Weintritts Sicht der§ 82b der Gewerbeordnung. Demnach ist jeder genehmigte Gewerbebetrieb dahingehend zu prüfen, ob er dem Genehmigungsbescheid und den sonstigen gewerberechtlichen Bestimmungen entspricht. Somit ist alle fünf Jahre nochmals zu überprüfen, ob alle Überprüfungen durchgeführt und diese Überprüfungen ausreichend dokumentiert wurden. "Eine gesonderte Aufforderung durch die Behörde ist nicht erforderlich (Bringschuld des Betriebes). Begehungen durch die Behörde ersetzen nicht diese gesetzliche Prüfpflicht", macht dazu der TÜV Austria aufmerksam.

"Die Hälfte der Überprüfungen ist doppelgleisig und überflüssig", ist Weintritt überzeugt. Etwa, wenn der Wirtschaftsprüfer den Steuerberater überprüft -und dessen Überprüfung von der Betriebsprüfung überprüft wird. Es gehört zum bürokratischen Alltag, dass Privatgutachten von Amtsgutachtern per Amtsgutachten überprüft werden. "Das ist alles mit Kosten verbunden", ärgert sich Weintritt.

"Versteckte Kosten" werden aufgearbeitet "Die Verwaltungssysteme sind sehr teuer und kasuistisch", sagt Mayer-Heinisch. Er arbeitet mit einer Arbeitsgruppe des Handelsverbandes an einer Auflistung der dem Handel aufgebürdeten "versteckten Kosten". Die Verpackungsverordnung lässt sich entbürokratisieren, die Betriebsanlagengenehmigung beschleunigen. Die Regelungen des Vorsteuerabzugs und die Mehrwertsteuersätze lassen sich vereinheitlichen. "Wozu brauchen wir beim Schwarztee zwanzig Prozent Mehrwertsteuer, beim Kräutertee zehn Prozent?" Daneben ist die derzeitige 22-Dollar-Freigrenze für Importe aus Drittländern "der größte Steuerbetrug, den es gibt." Solche Zollreglungen dienen Firmen wie Google, Amazon, Facebook oder Alibaba, die mit ihren IT-Plattformen bei uns keine Steuern und Abgaben bezahlen.

"Wofür muss der Staat Mietvertragsgebühren kassieren?", fragt Mayer-Heinisch. Aus seiner Sicht sind derartige Abgaben Kosten, die bei international operierenden Firmen im Ausland nicht anfallen -und den Wettbewerb verzerren.

Ansätze, wie man es besser machen kann "Dem Staat ist es gelungen, viele Aktivitäten an die Unternehmen auszulagern", verweist Mayer-Heinisch auf die vielen Beauftragten, die eine Firma heute zur Einhaltung aller Vorschriften nominieren muss. Die Notwendigkeit jedes Einzelnen lässt sich begründen -letztlich verursachen sie zusätzliche versteckte Kosten. Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist dazu allen Betrieben schreckhaft in Erinnerung. So lassen sich etwa die Regeln für die "Wiedereingliederungsteilzeit" einfacher gestalten. "Dafür gibt es hundert Ansätze, wie man es besser machen kann." Das betrifft auch die Festlegung der psychischen Belastungen, die Mitarbeitern zumutbar sind. "Auch in den Kollektivvertragsverhandlungen werden immer neue rahmenrechtliche Bedingungen ausgehandelt, die die Administration erschweren und die Fehlerhäufigkeit steigern", sieht er dafür auch die Kammern in der Pflicht.

Wann darf wo welches Produkt transportiert werden? Warum müssen RsA-und RsB-Briefe an die Wohnadresse von Geschäftsführern zugestellt werden, wenn diese bei einer Zustellung erfahrungsgemäß in der Firma sind? Für den Handelsverband ähneln solche Vorschriften kleinen Läusen -von denen jede einzelne beißt. "Die Politiker ahnen gar nicht, wie motivationskillend das ist", fasst Mayer-Heinisch die Stimmung der Unternehmer in Österreich zusammen.

Die Regelung derÖffnungszeiten mit rund 60 verschiedenen Ausnahmen ist für die Branche genauso unübersichtlich wie die Bau-und Raumordnungen in den Bundesländern. Selbst wenn man die Föderalismusproblematik ausklammert, schätzt Mayer- Heinisch den überflüssigen Bürokratieaufwand im Handel auf fünf bis sieben Prozent. "Das führt zu extremen Nachteilen gegenüber Amazon!"

Aus seiner Sicht sollte eine neue Regierung darüber nachdenken, wie sie die Komplexität der Administration gemeinsam mit den Firmen halbieren kann. Auch wenn das "eine mühsame Kleinarbeit ist, mit der keiner berühmt wird."