Autofahrerclubs, Teilehändler, (freie) Werkstätten wie auch
Flotten-und Leasingfirmen kämpfen national und auf EU-Ebene gegen das
drohende Datenmonopol der Fahrzeughersteller.
Die Branche ist hochgradig nervös, manche sprechen von der
entscheidenden Frage fürs Überleben der freien Dienstleister. Egal ob
Kongress des Gesamtverbandes Autoteile-Handel (GVA) und
Automobilwoche-Kongress in Deutschland oder Verbandstag des Verbandes
freier Kfz-Teilehändler (VFT): Der Datenzugang ist das wichtigste,
fasteinzige Thema. Von heftigen Lobbyingtätigkeiten in Brüssel und
Wien gar nicht zu reden. Österreichischer Höhepunkt war bislang eine
Pressekonferenz zu diesem Thema, einberufen von der Berufsgruppe
Kfz-Teilefachhandel, die im Wiener Landesgremium des Fahrzeughandels
angesiedelt ist und genau dortfür Missstimmung gesorgt hatte. Nach
einer Änderung des Einladungstitels von "Ist Autokauf künftig nur
noch ein Recht auf Nutzung des Fahrzeuges?" auf "Nachteile für
Autobesitzer durch drohenden Dateninfarkt" konnte die Pressekonferenz
durchgeführt werden. Doch worum gehen bei diesem komplexenThema die
Emotionen hoch?
Freier Zugangüber OBD-Schnittstelle Aktuell können alle freien
Dienstleister, also Werkstätten, Teilehändler, Pannendienste,
Diagnosegerätehersteller, Versicherungen oder Leasingfirmen über die
OBD-Schnittstelle direkt bzw. über spezielle Dongles auf die Daten
zugreifen und damit ihre Leistungen anbieten.Schon jetzt senden die
Autohersteller allerdings die Fahrzeugdaten über Luftschnittstellen,
konkret mit SIM-Karten über das Mobilfunknetz, an ihre eigenen
Server. Mit der verpflichtenden Einführung des Notrufs eCall hat bald
jedes Neufahrzeug eine SIM-Karte verbaut und kann (und wird) die
Datenonline senden. Die OBD-Schnittstelle könnte dann seitens der
Hersteller eingeschränkt werden oder -je nach gesetzlicher Regelung
-komplett verschwinden. Und genau diese gesetzliche Regelung hat nun
die obersten EU-Entscheidungsgremien erreicht. Denn in der ersten
Variante der Typgenehmigungsrahmenrichtlinie wurde der OBD-Stecker
"vergessen". Das EU-Parlament hat nun einen Abänderungsantrag
eingebracht, wo sowohl die OBD-Schnittstelle wie auch der freie
Datenzugang für Drittanbieter berücksichtigt sind. Wie immer, wenn
sich die Institutionen nicht einig sind, kommt der Trilog zwischen
EU-Parlament, -Rat und -Kommission zum Einsatz. Die Entscheidung soll
bis Ende des Jahres erfolgen. "Der freie Zugang zu den Fahrzeugdaten
muss erhalten bleiben und Teil der neuen
Typgenehmigungsrahmenverordnung werden", artikuliert Ing. Wolfgang
Dytrich, Berufsgruppenobmann des freien Kfz-Teilefachhandels und
VFT-Obmann-Stellvertreter daher die Forderungen.
Österreichs Position unklar "Wir können allerdings nicht abschätzen,
ob Österreich für die Abänderung stimmen wird oder sich der Stimme
enthält", berichtet Mag. Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC, der sowohl ans
Verkehrsministerium wie auch an die EU-Abgeordneten Stellungnahmen
gesendet hat. "DerKunde muss sich frei entscheiden können", fordert
Wiesinger. Mag. Walter Birner, großer Teilehändler und
Obmann-Stellvertreter des VFT, ergänzt: "Der freie Datenzugang muss
auch das Ziel des Autofahrers sein, damit er in Zukunft die
Werkstattleistungen frei wählen kann." Sollte der freie Datenzugang
wirklich verhindert werden, wird es nicht nur für den Konsumenten
teurer: Für alle Drittanbieter wird es schwer bis unmöglich, ihre
Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. Damit ist die Existenz von
freien Werkstätten sowie dem freien Teilehandel gefährdet. "Auch
Markenwerkstätten brauchen Zugang zu Daten der Fremdmarken", weiß
Ing. Georg Ringseis, Wiener Landesinnungsmeister Fahrzeugtechnik und
Sprecher der freien Werkstätten.
Zwei Datendienstleister gegründet Zwei Lösungen, die zukünftig als
Datenmarktplatz in diesem Spannungsfeld agieren möchten, sind auf den
Österreicher Mag. Walter Birner zurückzuführen. Caruso wurde zuerst
als Teil und nun als Tochter von Datenspezialisten TecAlliance
gegründet und hat die Unterstützung der namhaften Teilehersteller.
Nachdem Caruso (zumindest in der Anfangsphase) doch auf die Daten der
Autohersteller zurückgreift, hat sich Birner von dem Projekt
distanziert und mit einigen Partnern Carmunication ins Leben gerufen.
Während sich Carmunication noch in der Aufbauphase befindet, ist
Caruso unter großer Aufmerksamkeit der Industrie mittlerweile
offiziell gestartet.
"Der freie Zugang zu den Fahrzeugdaten muss erhalten bleiben und Teil
der neuen Typgenehmigungsrahmenverordnung werden."
Ing. Wolfgang Dytrich, Berufsgruppenobman Kfz-Teilefachhandel
"Auch Markenwerkstätten brauchen Zugang zu Daten der Fremdmarken".
Ing. Georg Ringseis, Wiener Landesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik
Gerald Weiss
Datenmonopol
Bei der Diskussionüber den zukünftigen Zugang zu den Fahrzeugdaten
gibt es gehörige Differenzen in der Branche. Während der freie
Teilehandel und die freien Werkstätten von einer existenzbedrohenden
Gefahr sprechen, sind Markenwerkstätten und Fahrzeughandel neutral
oder eher auf der Seite der Hersteller. Sie fürchten um die
Kundenbindung durch die Marke und übersehen, dass die
Datenexklusivität ihre Abhängigkeit vom Hersteller nicht nur erhöht,
sondern quasi besiegelt. So würde bei einer Vertragskündigung sofort
der Zugang zu den Daten und damit zu den Kunden gekappt. Bei
mangelnder Kundenzufriedenheit oder fehlender Umsetzung von Standards
kann das Auto zum Nachbarhändler geroutet werden. Nimmt man an
Werkstattaktionen nicht teil, kriegt man ebenfalls weder Kunden noch
Daten. Eine weitere Stärkung der Hersteller ist mit Sicherheit kein
Vorteil für den Händler. Und Monopole waren noch niehilfreich.