Der Fotograf Thilo Vogel lebt seitüber einem Jahr "auf der Straße".
Sein Zuhause? Ein Dachzelt auf seinem Ford Mondeo. Wir haben mit dem
38-jährigen Deutschen über Minimalismus, die Schwierigkeiten und
Sonnenseiten dieses besonderen Lebenswandels gesprochen.
Sie leben seit einem Jahr in einem Dachzelt auf ihrem Ford Mondeo
Turnier und reisen quasi als moderner Nomade durch Europa. Wie kam es
dazu?
Nach dem Maschinenbaustudium habe ich mich als Fotograf selbstständig
gemacht und innerhalb von drei Jahren ein sehr gut laufendes
Fotostudio mit Mitarbeitern aufgebaut. Ich verdiente viel Geld und
war bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt. Aber ich hatte keine
Freizeit, keine Wochenenden, wenig Urlaub und immer weniger Spaß.
Und dann kam der Bruch mit dem bisherigen Leben?
Das Streben nach immer mehr wurde mir zunehmend zuwider. Ich fand
heraus, dass das wichtigste Gut für mich die Zeit ist - Zeit, um tun
und lassen zu können, was ich möchte. Stück für Stück ging ich also
meine Lebensbereiche durch und fing an, zu reduzieren. Das betraf
sämtliche Bereiche des geschäftlichen Lebens wie Kunden, Partner und
Mitarbeiter, aber auch private Aspekte wie Finanzen und Besitztümer.
Am Ende passte alles, was ich zum Leben brauchte, in mein Auto. Ich
kündigte meine Wohnung und von da an war das Dachzelt mein
Schlafzimmer, die Rückbank mein Arbeitsplatz und die Natur mein
Wohnzimmer.
Was schätzen Sie am Leben auf und abseits der Straße?
Ich liebe die Freiheit, mich jeden Tag bewusst aufs Neue entscheiden
zu können, wo ich heute sein und was ich tun möchte. Außerdem genieße
ich die Nähe zur Natur. Von den Vögeln zum Sonnenaufgang geweckt zu
werden, das erfrischende Gefühl, morgens nackt in den kalten See zu
springen oder eingekuschelt im Dachzelt mit offenen Fenstern die
letzten Sonnenstrahlen ander Atlantikküste Frankreichs zu genießen.
Was nervt am Leben im Dachzelt und wie geht man mit schlechtem Wetter
und Kälte um?
Regen und Kälte machen eigentlich nichts, wenn man vorbereitet ist.
Ich bin schon bei minus 13 Grad da oben gelegen. Mit warmen Decken
und Klamotten, Wärmflasche und einer Heizdecke geht das gut. Es gibt
nervige Nächte, weil man keine Ruhe findet, denn im Zelt bekommt man
alles mit. Deswegen ist die Schlafplatzwahl entscheidend.
Windgeräusche können unangenehm werden, wenn die Zeltplane zu
flattern beginnt. Im Notfall hilft der Klassiker: Ohrstöpsel.
Schon mal Probleme mit der Polizei gehabt?
Ich kann nur von positiven Erfahrungen sprechen. Solang man sich
nicht irgendwo häuslich für mehrere Wochen einrichtet, keinen Lärm
macht, keinen Müll hinterlässt, freundlich und verständnisvoll ist,
gibt es keine Probleme.
Gönnen Sie sich manchmal zur Erholung ein Hotelzimmer?
In Hotels bin ich nie. Nicht weil ich es mir nicht leisten könnte
oder wollte, sondern weil ich mittlerweile das Campen an der frischen
Luft dem Schlafen in festen Räumen vorziehe. Duschen geh ich in
Schwimmbädern, auf Raststätten, Campingplätzen und bei Badeseen. Oder
ich mache eine Katzenwäsche mit warmem Wasser vom Kocher.
Welche Gegenstände machen Ihnen das Leben leichter?
Definitiv mein Smartphone. Es ist für mich nicht nur ein Mittel, um
Kontakt zu Freunden und Familie zu halten. Mit Google Maps plane ich
meine Reise und suche meine Schlafplätze. Ohne Internet könnte ich
meiner Arbeit nicht nachgehen und schlussendlich meine Reise auch mit
niemandem teilen.
Das klingt sehr romantisiert, wie war die schlimmste Nacht?
In einer Nacht habe ich zwei Mal meinen Schlafplatz wechseln müssen,
weil Tiergeräusche um mich herum mein Kopfkino angeheizt haben. Wenn
du nachts nichts siehst, dann machst du dir die wildesten Gedanken.
Das ist am Anfang normal. Später stellst du fest, dass es da draußen
sogar sicherer ist als in der Stadt.
Und Ihr schönster Morgen?
Einen wunderschönen Morgen habe ich an der Nordküste Spaniens erlebt:
Ich kam nachts im Dunkeln an und hörte nur das Wellenrauschen. Am
Morgen zog ich den Reißverschluss vom Zelt hoch, die Sonne kitzelte
mein Gesicht und vor mir tat sich eine atemberaubende Elbenlandschaft
wie aus Herr der Ringe auf. Ich standhoch oben auf einem Hügel.
Links eine einsame Sandstrandbucht und rechts eine in sämtlichen
Farbtönen schimmernde Feld-und Wiesenlandschaft aus der der
Morgennebel aufstieg. Im Hintergrund die Steilküstenformationen
Asturiens. Das war atemberaubend.
Was würden Sie "Nachahmungstätern" raten?
Dachzelte gibt es wie Sand am Meer. Ich würde auf jeden Fall erst mal
ein Dachzelt ausleihen und an einem Wochenende oder in einer
Urlaubswoche testen, ob einem das Schlafen auf dem Autodach zusagt.
Außerdem hilft der Austausch mit Gleichgesinnten. Wer Inspirationen
rund um das Thema Dachzelt sucht, ist in der Facebook- Gruppe
"Dachzeltnomaden" herzlich willkommen. Wir sind eine Gemeinschaft von
abenteuerlustigen Menschen, die Herausforderungen lieben und abseits
der asphaltierten Straßen in der Natur und an den einsamen und
romantischen Plätzen dieser Welt ihre persönlichen Glücksmomente
suchen.
Thilo, wir danken für das Gespräch! «