Sie leben seit einem Jahr in einem Dachzelt auf ihrem Ford Mondeo Turnier und reisen quasi als moderner Nomade durch Europa. Wie kam es dazu?

Nach dem Maschinenbaustudium habe ich mich als Fotograf selbstständig gemacht und innerhalb von drei Jahren ein sehr gut laufendes Fotostudio mit Mitarbeitern aufgebaut. Ich verdiente viel Geld und war bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt. Aber ich hatte keine Freizeit, keine Wochenenden, wenig Urlaub und immer weniger Spaß.

Und dann kam der Bruch mit dem bisherigen Leben?

Das Streben nach immer mehr wurde mir zunehmend zuwider. Ich fand heraus, dass das wichtigste Gut für mich die Zeit ist - Zeit, um tun und lassen zu können, was ich möchte. Stück für Stück ging ich also meine Lebensbereiche durch und fing an, zu reduzieren. Das betraf sämtliche Bereiche des geschäftlichen Lebens wie Kunden, Partner und Mitarbeiter, aber auch private Aspekte wie Finanzen und Besitztümer. Am Ende passte alles, was ich zum Leben brauchte, in mein Auto. Ich kündigte meine Wohnung und von da an war das Dachzelt mein Schlafzimmer, die Rückbank mein Arbeitsplatz und die Natur mein Wohnzimmer.

Was schätzen Sie am Leben auf und abseits der Straße?

Ich liebe die Freiheit, mich jeden Tag bewusst aufs Neue entscheiden zu können, wo ich heute sein und was ich tun möchte. Außerdem genieße ich die Nähe zur Natur. Von den Vögeln zum Sonnenaufgang geweckt zu werden, das erfrischende Gefühl, morgens nackt in den kalten See zu springen oder eingekuschelt im Dachzelt mit offenen Fenstern die letzten Sonnenstrahlen ander Atlantikküste Frankreichs zu genießen.

Was nervt am Leben im Dachzelt und wie geht man mit schlechtem Wetter und Kälte um?

Regen und Kälte machen eigentlich nichts, wenn man vorbereitet ist. Ich bin schon bei minus 13 Grad da oben gelegen. Mit warmen Decken und Klamotten, Wärmflasche und einer Heizdecke geht das gut. Es gibt nervige Nächte, weil man keine Ruhe findet, denn im Zelt bekommt man alles mit. Deswegen ist die Schlafplatzwahl entscheidend. Windgeräusche können unangenehm werden, wenn die Zeltplane zu flattern beginnt. Im Notfall hilft der Klassiker: Ohrstöpsel.

Schon mal Probleme mit der Polizei gehabt?

Ich kann nur von positiven Erfahrungen sprechen. Solang man sich nicht irgendwo häuslich für mehrere Wochen einrichtet, keinen Lärm macht, keinen Müll hinterlässt, freundlich und verständnisvoll ist, gibt es keine Probleme.

Gönnen Sie sich manchmal zur Erholung ein Hotelzimmer?

In Hotels bin ich nie. Nicht weil ich es mir nicht leisten könnte oder wollte, sondern weil ich mittlerweile das Campen an der frischen Luft dem Schlafen in festen Räumen vorziehe. Duschen geh ich in Schwimmbädern, auf Raststätten, Campingplätzen und bei Badeseen. Oder ich mache eine Katzenwäsche mit warmem Wasser vom Kocher.

Welche Gegenstände machen Ihnen das Leben leichter?

Definitiv mein Smartphone. Es ist für mich nicht nur ein Mittel, um Kontakt zu Freunden und Familie zu halten. Mit Google Maps plane ich meine Reise und suche meine Schlafplätze. Ohne Internet könnte ich meiner Arbeit nicht nachgehen und schlussendlich meine Reise auch mit niemandem teilen.

Das klingt sehr romantisiert, wie war die schlimmste Nacht?

In einer Nacht habe ich zwei Mal meinen Schlafplatz wechseln müssen, weil Tiergeräusche um mich herum mein Kopfkino angeheizt haben. Wenn du nachts nichts siehst, dann machst du dir die wildesten Gedanken. Das ist am Anfang normal. Später stellst du fest, dass es da draußen sogar sicherer ist als in der Stadt.

Und Ihr schönster Morgen?

Einen wunderschönen Morgen habe ich an der Nordküste Spaniens erlebt: Ich kam nachts im Dunkeln an und hörte nur das Wellenrauschen. Am Morgen zog ich den Reißverschluss vom Zelt hoch, die Sonne kitzelte mein Gesicht und vor mir tat sich eine atemberaubende Elbenlandschaft wie aus Herr der Ringe auf. Ich standhoch oben auf einem Hügel. Links eine einsame Sandstrandbucht und rechts eine in sämtlichen Farbtönen schimmernde Feld-und Wiesenlandschaft aus der der Morgennebel aufstieg. Im Hintergrund die Steilküstenformationen Asturiens. Das war atemberaubend.

Was würden Sie "Nachahmungstätern" raten?

Dachzelte gibt es wie Sand am Meer. Ich würde auf jeden Fall erst mal ein Dachzelt ausleihen und an einem Wochenende oder in einer Urlaubswoche testen, ob einem das Schlafen auf dem Autodach zusagt. Außerdem hilft der Austausch mit Gleichgesinnten. Wer Inspirationen rund um das Thema Dachzelt sucht, ist in der Facebook- Gruppe "Dachzeltnomaden" herzlich willkommen. Wir sind eine Gemeinschaft von abenteuerlustigen Menschen, die Herausforderungen lieben und abseits der asphaltierten Straßen in der Natur und an den einsamen und romantischen Plätzen dieser Welt ihre persönlichen Glücksmomente suchen.

Thilo, wir danken für das Gespräch! «